Fragen zu normalen persönlichen Daten, wie "Haben sie Kinder?" oder "Sind sie verheiratet?" sind die eine Sache, dass kann man als Lehrer sicher beantworten, wenn man denn möchte.
Die Frage nach der sexuellen Orientierung ist doch der Versuch eines recht starken Eindringens in die Privatsphäre und ich finde keineswegs, dass es "nett gemeintes Zeichen dafür, dass die Schüler sich für einen interessieren" und "autentisch, wenn man sich auf solche Gespräche einlässt" ist. Ich halte es auch für sinnvoll und pädagogisch angezeigt, dass man Sechstklässlern vermittelt, dass man nicht beliebig in die Intimsphäre eines Menschen eindrigen kann, mit dem man "beruflich" zu tun hat, in so fern würde ich jedem Kollegen dringend davon abraten sich auf solche Diskussionen einzulassen. Wo will man den sonst die Grenze ziehen? Ist es für euch auch noch ok, wenn ein Achtklässler den Kollegen, der kurz vor der Pensionierung stehenden Kollegen fragt, ob er denn noch regelmäßig mit seiner Frau Sex hat? Was glaubt ihr wohl was passiert, wenn der Schüler drei Jahre später seinem Lehrherr solche Fragen stellt?
Im übrigen halte ich es durchaus für wahrscheinlich, dass die Frage "Sind sie Schwul?" als Provokation gemeint war. Und wenn das der Fall ist, kann man auch durchaus mal deutlich reagieren, völlig unbhängig von der Tatsache, dass die Bezeichnung "schwul" heute nicht mehr abwertend genutzt werden sollte.
Ich habe vor ein paar Jahren mal eine Klassenkonferenz erlebt, bei der es darum ging, dass ein Schüler einem Lehrer gesagt hat, er wäre doch "ein Spasti". Auf der Klassenkonferenz wurde dann ausführlich darüber diskutiert, wie schlimm es wäre "Spasti" als Beleidigung zu nutzen. Was sicher wahr ist, im vorliegenden Fall aber völlig am Thema vorbei ging, da das eigentliche Problem war, dass der Schüler den Lehrer beleidigen wollte, nicht die Frage ob er dafür das geeignete Mittel gewählt hat. Für den Schüler musste als Ergebnis dieser Konferenz eigentlich das Gefühl rüberkommen "Meinen Lehrer zu beschimpfen ist ok, vorausgesetzt ich benutze ein politisch korrektes Schimpfwort."
Nichts desto trotz ist das Ganze kein Mobbing, sondern ein Austesten von Grenzen, das bei Sechstklässlern schon mal vorkommt. Man sollte klar machen, wo die Grenzen sind und es damit bewenden lassen.
Grüße,
Moebius