Ich finde es ehr erschreckend in welche Richtung unsere Abituranforderungen rutschen.
Stetig nach unten?
Das Abitur ist die Bestätigiung der allgemeinen Hochschulreife, also das Attest, dass man in der Lage ist das Studium für beliebige (nicht an weitere Zulassungsbeschränkungen gekoppelte) Studiengänge aufzunehmen. Und was passiert im Studium? Ob Psychologie, BWL, oder sonst was, überall werden die nötigen Mathematikvorlesungen an den Anfang des Studiums gesetzt, weil die Universitäten gemerkt haben, dass hier die Schüler die gravierensten Defizite mitbringen und man denjenigen, die das Studium nicht packen können, ersparen möchte das erst im 8. Semester zu merken.
Niemand hat hier gefordert, dass Schüler mit Rechenschwäche nicht gefördert werden sollen. Es geht einzig und allein um die zunehmende Tendenz vieler Eltern, jedes Problem ihres Kindes am besten sofort mit einem Attest (LRS, Dyskalkukie, hochbegabt) erklärt haben zu wollen, verbunden mit der Einstellung, daraus jetzt besondere Forderungen ableiten zu können, wie die Nichtbewertung der Matheleistung. Echte Probleme und Gefälligkeitsatteste kann man als Lehrer kaum noch unterscheiden.
Als ich das letzte mal eine 5. Klasse als Klassenlehrer übernommen habe, sind in den ersten Wochen 7! verschiedene Eltern zu mir gekommen, weil sie aus verschiedenen "medizinischen" Gründen wünschten, dass ihr Kind ganz vorne im Klassenraum sitzen solle. Mein Highlight war die "stark schwankende Sehstärke" - noch sieht sie gut, es könnte aber sein, dass sich das in den nächsten Jahren ändert und vorsichtshalber sollte sie schon mal in die erste Reihe.
Man kann sein Abi bekommen, indem man 4 mal in Mathe einen Punkt einbringt, dass kann fast jeder schaffen, wenn er sich entsprechend reinhängt. Wenn dann nicht mal das möglich ist oder wenn dann noch andere Problemfächer dazu kommen, muss man vielleicht auch einfach mal anerkennen, dass das Anstreben des Abiturs vielleicht zu viel verlangt ist, denn so jemand wird aller Voraussicht nach auch in den meisten Studiengängen scheitern (ist also ganz sicher nicht "allgemein Hochschulreif"). Die Argumentation, dass so jemand ja vielleicht in speziellen anderen Fächern eine besondere Begabung hat, geht an der Sache vorbei, denn beim Abitur geht es eben um die (ich weiß ich wiederhole mich) allgemeine Hochschulreife.
Und es ist ja nicht so, als dass es für Menschen mit anders gelagerter Begabung keine Alternative gibt. Es gibt Fachhoschlureife oder fachgebundene Hochschulreife, so dass man sich durchaus auf Bildungsgänge ausrichten kann, die weniger Mathematikkenntnisse verlangen und trotzdem ein Hochschulstudium ermöglichen.
Viele Eltern wollen sich damit aber nicht abfinden, es soll unbedingt das Abitur sein.
Grüße,
Moebius