Alles anzeigenIch bin Mentorin eines wirklich engagierten Referendars und muss mir mal etwas von der Seele schreiben und ein paar Meinungen einholen.
Mein Referendar hat die Fächer Mathe und Deutsch. Ich betreue ihn im Fach Deutsch in einem Grundkurs 11.
Leider hat der Referendar große Probleme mit der sicheren Sprachbeherrschung. Er ist Muttersprachler, hat das Fach auf LA studiert und hat in methodischer Hinsicht wirklich innovative und gut geeignete Unterrichtsideen. Leider ist die Sprachbeherrschung vieler Schüler in der Sek II besser als seine. Natürlich weisen Sie auf Fehler an der Tafel oder auf Arbeitsblättern hin, die passieren selbst dem besten Lehrer mal. Aber bei meinem Referendar vergeht keine Stunde ohne Fehler, jedes AB, das er mir vorher zeigt, muss korrigiert werden. Und wenn ich bei ihm hospitiere, ist mir auch mehrfach aufgefallen, dass er die Fehler schlicht und ergreifend nicht sieht, weil er nicht weiß, dass es Fehler sind.
Er hat einige Situationen pädagogisch geschickt umschifft und z. B. SuS an der Tafel korrigieren lassen.
Kleines Beispiel:
S. meldet sich, weist darauf hin, dass da 2 Kommas fehlen.
Ref fragt: "Wo?"
S. sagt, dass dasx Relativsätze sind, da kommen Kommas hin.
Ref schaut völlig verdattert, sucht und nach einer Weile fordert er S. auf, das an der Tafel für alle sichtbar zu machen.
Es gab schon einige dieser Situationen. Die SuS nutzen das nicht aus, weil er sympathisch ist, viele neue Unterrichtsmethoden anwendet und es ihnen in der Notengebung zugute kommt.
Die ersten Monate dachte ich tatsächlich, dass wäre eine Aneinanderreihung von unglücklichen Einzelfällen oder eben Flüchtigkeitsfehler. Inzwischen hat mich die Mathelehrerin auch angesprochen, ihr sind auch vermehrt Schreibfehler aufgefallen.
Im letzten Unterrichtsentwurf hatte er 25, teils schwerwiegende Rechtschreib- oder Grammatikfehler. Ich habe diese natürlich angestrichen, möchte ihn im Unterrichtsbesuch vor Schul- und Seminarleitung nicht auflaufen lassen.
Ich weiß, dass ich sehr viel Wert auf die korrekte Sprachverwendung, v. a. im schriftsprachlichen Bereich lege und hinterfrage mich gerade kritisch. Ich möchte eure Meinung einholen zu folgenden Fragen, die mich bewegen:
1. Ist Sprachbeherrschung ein Generationenproblem?
Man hört es ja häufiger, dass Studenten Probleme mit der Rechtschreibung hätten. Vielleicht sehe ich das zu eng? Fach- und Sprachkompetenz sind ja nur ein kleiner Teil der Standards für die Lehrerausbildung. Die KMK-Anforderungen an Lehrer sehen eine Reihe verschiedenster Kompetenzen vor. Viele davon hat der Referendar bzw. entwickelt diese wunderbar.
Er sagt selbst, dass er Dinge, die er mir schickt, oft vorher von Mit-Refs durchlesen lässt, weil ich ja immer Fehler finde. Da stelle ich mir schon die Frage, ob diese Defizite jetzt einfach "Normalität" sind. Die Verwendung des Konjunktivs musste ich dem Ref erklären und er versicherte mir, dass sich dieser auch für seine Mit-Refs komisch anhöre. Ich bin inzwischen wirklich verunsichert, inwieweit meine Anforderungen obsolet sind oder überzogen.
2. Wie spreche ich das an?
Wir haben vor einer Weile über das Handhaben von Fehlern im Unterricht (eher in Bezug auf SuS) gesprochen. Der Tenor war, dass er merkt, dass er etwas tun muss und er bemüht sich auch, seine Defizite aufzufangen.
Aber das Grundproblem, nämlich seine sprachliche Kompetenz, habe ich noch nicht angesprochen. Ich hatte ein wenig gehofft, dass das mal von der Seminarleiterin bei einer Besprechung eines Unterrichtsbesuchs kommt, aber dort vermeidet der Referendar Tafelanschriebe, ist gut vorbereitet und seine Arbeitsblätter und Unterrichtsentwürfe lese ich ja vorher Korrektur. Er hat solide Leistungen erbracht und fällt in diesen "Prüfungssituationen" nicht negativ auf.
3. Wie kann ein erwachsener Mann, dessen Muttersprache Deutsch ist, an seinen sprachlichen Kompetenzen arbeiten. Die Defizite hat er sowohl in der Rchtschreibung, als auch in der Grammatik und Zeichensetzung.(Ein Teil der Schüler kann tatsächlich ad hoc flüssiger und fehlerfreier schreiben als der Referendar. )
Ich möchte dem Referendar gern praktische Tipps geben.
Ich drück es mal so aus:
Aus dem Studium sind mir Deutschlehrer bekannt, die an LRS litten und den Beruf dennoch ausüben wollten. Meine beste Freundin, ebenfalls Lehrerin (aber nicht in Deutsch), hat auch eine starke LRS diagnostiziert. Das war damals beim Hausarbeiten kontrollieren echt grausig udn auch der Prüfungsentwurf hat mich mehrfach an die Grenze des Heulens gebracht.
Eventuell mal darauf ansprechen, ganz vorsichtig...und dann darauf hinweisen, dass man da was tun muss.