Hallo,
wenn du aus der Wirtschaft kommst, würde ich dir sehr das berufliche Schulwesen ans Herz legen. Ich glaube, du würdest dich da wohler fühlen als am Gymnasium. Wir haben viele Quereinsteiger und diese sind sehr gut ins Kollegium integriert. Bei uns herrscht ein etwas anderer Umgang als am Gymnasium.
Ist Folgendes korrekt:
1. Im schlimmsten Fall müsste ich zurück an die Uni und auf Lehramt studieren und dort ein zweites Fach und Pädagogik machen.
2. Eventuelle Abkürzungen erfahre ich vom Regierungspräsidium.
3. Entlassungen über die Sommerferien und eine Serie von kurzen Verträgen sind Randerscheinungen und nicht die Regel.
4. In BW könnte man auch als Quereinsteiger noch Beamter werden.
zu 1.) Das wäre wirklich der worst case. Ich kenne keinen Quereinsteiger, der zurück an die Uni musste. Allenfalls musst du nochmals ein Fachkolloquium bestehen. Die Pädagogik, Psychologie und Fachdidaktik lernst du dann ja am Seminar.
zu 2.) An das RP musst du dich auf jeden Fall wenden. Normalerweise funktioniert der Quereinstieg so: Du bekommst zu Beginn des Schuljahres Klassen im Umfang von 16 Schulstunden pro Woche. Im Januar fangen dann die Veranstaltungen am Seminar an. Die Lehrproben/Prüfungen legst du dann ganz normal wie ein Referendar ab.
zu 3.) Ob du nach der "Ausbildung" eine feste Stelle erhältst, kann dir keiner sagen. Wenn du nicht ortsgebunden bist, ist die Wahrscheinlichkeit natürlich größer direkt unterzukommen als wenn du auf einen Ort oder eine Region festgelegt bist. Dass man anfangs erstmal Krankheitsvertretungen machen muss, ist heute allerdings nicht unüblich.
zu 4.) Ja, kannst du, wenn du nicht älter als 42 bist.
Mein Fach wäre dann Mathematik.
Du brauchst vor dem Quereinstieg auf jeden Fall noch ein zweites Fach. Mit nur einem Fach geht das glaube ich nicht. Also musst du evtl doch nochmal zurück an die Uni. Bzw. vllt wird dir das Studium von der Fernuni auch anerkannt? Am besten mal nachfragen beim RP.
aber immerhin ist das Planen des Unterrichts und das Erstellen von Aufgaben eine kreative Aufgabe
Naja, mehr oder weniger kreativ. In Mathe ist die hauptsächliche Frage, wie du den Stoff so aufbereitest, dass die Schüler eine Chance haben, ihn zu verstehen. Das ist teilweise keine leichte Aufgabe. In Mathe geht es an der Schule nicht mehr so ums Formale. Die Mathematik wird als ein Werkzeug gesehen, alltägliche Probleme zu lösen und ist heute in einem hohen Maße handlungsorientiert. Es wird viel mehr auf das (anschauliche) Verständnis mathematischer Zusammenhänge wertgelegt als auf formale Herleitungen und Definitionen. Quereinsteiger, die diesen Schritt weg vom Fachlichen hin zum problemlösenden Ansatz nicht schaffen, sind meiner Erfahrung nach oft aufgeschmissen. Daher kann man durchaus sagen, es ist eine kreative Tätigkeit, Unterrichtsmaterialien zu erstellen.
Wie seht ihr den tatsächlichen Arbeitsaufwand für die 25 Schulstunden in den ersten Jahren und später wenn wenn man sich gutes Material für jedes Themengebiet bereits erarbeitet hat?
In den ersten drei Berufsjahren war ich sehr gut ausgelastet, sagen wir es mal so. Das wurde dann deutlich besser, nachdem ich jede Klassenstufe mal unterrichtet hatte. Was jedoch nie wegfallen wird, ist, dass du Arbeitsblätter, etc. anpassen musst. Ich hatte letztes Schuljahr eine sehr schwache 13. Klasse. Dieses Schuljahr eine äußerst starke. Da kann man nicht die gleichen Materialien verwenden.
Und wie verteilt es sich cirka auf Vorbereitung/Zeit in der Klasse/Korrekturen/ Besprechungen mit Kollegen und Eltern ?
Ich bin jetzt im sechsten Berufsjahr. Mein Vorbereitungsaufwand hält sich sehr in Grenzen. Mal ein Arbeitsblatt anpassen, mal eine Klausur erstellen, ausdrucken, kopieren, mehr ist es oft nicht. Aufwändigere Vorbereitungen (z.B. von neuen Themengebieten, Lehrplanänderungen gibt es auch in Mathe) mache ich ohnehin in den Ferien, weil ich da längere Zeit am Stück habe. Meist nutze ich eine Woche der Sommerferien dazu.
Korrekturen in Mathe können sehr schnell gehen, wenn du die Klausuren entsprechend stellst. Es ist bei mir zum Beispiel Standard (so ist es übrigens auch im Abitur), dass die Teilaufgaben unabhängig voneinander gelöst werden können. So musst du nicht mit Rechenfehlern der Schüler "weiterrechnen". Das spart viel Zeit. Für einen großen Klassensatz (30 Klausuren, Bearbeitungszeit war 90 min.) brauche ich 4, maximal 5 Zeitstunden. Tests gehen deutlich schneller. Da reichen auch schonmal 1,5 bis 2 Zeitstunden. Inklusive Verwaltung der Noten.
Die Zeit in der Klasse verfliegt nur so. Schwupps, ist die Doppelstunde rum. Ich mache aber auch quasi nur noch selbstorganisiertes Lernen.
Die Elternarbei hält sich im beruflichen Schulwesen ein Glück sehr in Grenzen. Einmal im Halbjahr Elternabend. Das war's. Elterngespräche meist nur in der Rolle des Klassenlehrers. Und diese kommen recht selten vor. Maximal eines oder zwei pro Schuljahr.
Besprechungen mit Kollegen sind in Mathe recht unkompliziert. Kurzer Dienstweg. Wir machen die Konferenzen, die wir müssen. Zu Beginn des Schuljahres eine zur Neuwahl des Vorsitz und in der Mitte des zweiten Halbjahres die Bücherkonferenz. Dauer jeweils 30 Min. Mathematiker sind einfach unkompliziert. In Englisch sitzen wir teils zwei Stunden und kommen zu keinem Ergebnis. In Mathe ist nach einer halben Stunde alles geschwätzt und entschieden.
Der Stoff kann sich kaum ändern
Der Stoff nicht, aber der Lehrplan. Oder die Prüfungsanforderungen. Davor bist du in Mathe auch nicht gefeit. Ich werde in den großem Ferien eine neue Stochastik-Einheit vorbereiten, die hinzugekommen ist. Zudem wurde bei uns der grafikfähige Taschenrechner abgeschafft, d.h. viele Arbeitsblätter müssen überarbeitet werden. Oft sind auch nicht gleich die neuen Lehrbücher parat, d.h. du hast dann einen erhöhten Vorbereitungsaufwand, weil Aufgaben aus dem alten Schulbuch abgeändert werden müssen.
Habe ich etwas wichtiges vergessen?
Ganz wichtig finde ich es, nochmal die Motivation zu hinterfragen, warum man seinen, wie du sagst stressfreien, Bürojob für den Lehrerjob eintauschen will. Ich kenne doch einige Quereinsteiger, die wieder zurück in die Wirtschaft sind, weil sie sich das alles doch ganz anders vorgestellt hatten.
Ich finde, das wichtigste ist, dass man ein gutes Händchen für den Umgang mit jungen, heranwachsenden Menschen hat. Wenn das nicht stimmt, hat man es meiner Erfahrung nach sehr sehr schwer.