Wer kann die Eignung des Kindes für ein Gymnasium besser beurteilen als die Grundschullehrer?
Dazu ein Beispiel: Meine jüngere Schwester und ich besuchten aufgrund einer Umstrukturierung der Gemeinde unterschiedliche Grundschulen. Ich besuchte eine Grundschule im "reichen" Neubaugebiet. Dieses wuchs immer weiter und konnte schließlich nicht mehr von einer Grundschule "bedient" werden. Es wurde umstrukturiert und meine Schwester musste dann auf die Grundschule am Rande eines sozialen Brennpunktes.
Wir brachten in der Grundschule (rein von den Noten her) identische Leistungen. Alles im 1er-, maximal 2er-Bereich. Also bekamen wir beide die Empfehlung für's Gymnasium. Soweit, so gut...
Die Krux an der Sache war die folgende: Obwohl wir die gleichen Noten hatten, waren unsere Leistungen sehr unterschiedlich. Meine Mutter erzählt rückblickend, dass das Niveau in der Grundschule meiner Schwester um ein Vielfaches niedriger war als in meiner Grundschule. Wäre sie auf meine Grundschule gegangen, hätte sie NIE UND NIMMER die Gymnasialempfehlung bekommen.
Meine Eltern, die das Unheil absahen, wollten sie auf die Realschule schicken, wo sie auch hingepasst hätte, wo sie es um ein Vielfaches leichter gehabt hätte als auf dem Gymnasium. Wollte sie aber nicht. Sie wollte wie die große Schwester auf das Gymnasium und dann nahm das Unheil seinen Lauf. Während mir die Sachen zufielen, musste sie viel viel Fleiß aufwenden um überhaupt durchzukommen.
Das Problem setzte sich dann natürlich fort, denn mit einem mittelmäßigen Abitur, kann man nun mal nicht unbedingt das studieren, was man will.
Und du sagst, die Grundschullehrer können das besser beurteilen als die eigenen Eltern, ach so.
Die Probleme liegen da ganz wo anders. Dazu müsste man schon da ansetzen, warum denn heute jeder unbedingt ein Abitur möchte... Aber das würde zu weit führen, wäre OT und würde das Thema auch sprengen...
Du schreibst selber, dass Du nicht an einem "gewöhnlichen", "reinen" Gymnasium unterrichtest, sondern an einem, wo auch ehemalige Realschüler in der 11. Klasse sitzen. Dass diese ein etwas geringeres Leistungsniveau auf fachlicher Ebene haben, ist logisch.
Auch? Hauptsächlich! Meine Schüler machen genauso allgemeine Hochschulreife wie die Schüler am "reinen" Gymnasium! Und glaub mir, manch ein Realschüler, der erfolgreich die 10. Klasse abschließt, ist weitaus "besser" als ein Gymnasiast, der von 10 nach 11 versetzt wird. Die Gründe, warum die Schüler erstmal auf die Realschule gingen, sind heutzutage ganz andere als früher. Früher hat es vielleicht mit den Leistungen nicht gereicht. Heute will man den Kindern G8 ersparen (vollkommen zurecht, wie ich finde) oder man möchte die weite Bus- und Bahnfahrt in die nächstgrößere Stadt vermeiden.
Meine stärksten Schüler in meiner jetzigen 13 sind ehemalige Realschüler. Auch deswegen, weil die Wechsler vom allgemeinbindenden Gymnasium mehr oder minder aus "Not" wechseln, da sie es auf dem normalen Gymnasium, wo sie längst den Anschluss verloren haben, nicht mehr bis zum Abi schaffen würden. Bei uns bekommen sie in 11 die Gelegenheit sich nochmal zu "sammeln" und neu zu starten. Manche nutzen das, manche leider nicht...
So, und das war mein letzter Beitrag in diesem Thread. Ich erkläre unerfahrenen Menschen gerne die große weite Schulwelt, aber NICHT wenn sie grundsätzlich alles besser wissen und dabei offenbar noch keine praktische Erfahrung vorweisen können. Wie man so schön sagt: Das ist aber etwas viel Meinung für so wenig Ahnung... Nichts für ungut...