Beiträge von Physicist


    Hallo kodi,


    ich sehe, dass Du an GHR Mathe, Physik und Technik unterrichtest und daher vermutlich auch auf einem entsprechenden STS Dein Referendariat abgeleistet hast. Ich kann nur vermuten, dass Dein STS erheblich anders war als das, was ich erlebt habe. Ich erlebe GHS Kollegen denn auch in sehr vielen Fällen als deutlich "geerdeter" und realitätsnäher. Ich halte es entsprechend für gut möglich, dass das auch an den entsprechenden STS dann so gehandhabt wird. Warum sollte es keine Unterschiede zwischen den STS geben?

    die Emotionalität aufgrund (noch) fehlender Distanz kann ich in solchen threads schon verstehen...

    Gut zu wissen, dass meine Emotionalität auf meine noch fehlende Distanz zurückzuführen ist! Dann kann ich mich ja freuen, wenn ich mich noch entwickle (Ich bin Quereinsteiger, vermutlich älter als viele hier und mein Referendariat ist 6 Jahre her...).


    Daran, dass an zumindest manchen STS Dinge grundsätzlich sehr schief laufen und Refs von den Experten des angstfreien Lernens bis in den Selbstmord getrieben werden (SZ vom 17.5.2010: "Der Personalrat begrüßte die Neuankömmlinge mit dem Satz: "Wir sind das Studienseminar in Niedersachsen mit der höchsten Selbstmordrate."), kann es ja nicht liegen.


    Das ist ganz genau, was ich meine, wenn ich sage, dass die fehlende professionelle Rückmeldung durch die Refs bei den FSL ein Gefühl der absoluten Gewissheit erzeugt, dass Fehler nur bei den anderen liegen können.


    Puh...

    Ich glaube, hier gehen mehrere Sachen durcheinander: Es geht m.E. nicht darum, ob ein Lehrer oder FSL geliebt oder gehasst wird, sondern darum, dass die Lernenden angstfrei lernen können und gerecht beurteilt werden.


    Das verhindern in meinen Augen einige strukturelle Probleme. Im Studienseminar sind dies vor allem die Personalunion von Prüfer und Ausbilder sowie die kaum objektiv messbare Qualität von Unterricht. Dies führt, da ja sehr viel vom Ergebnis abhängt, dazu, dass die Referendare versuchen, sich so zu verhalten, wie es der FSL wünscht, also jede Kritik freudig annimmt und sich bedankt, freudig und aktiv diskutiert und dergleichen wünschenswertes Verhalten mehr. Bei den Ausbildern führt diese Abhängigkeit dazu, dass ihr eigenes Verhalten stets wohlwollend, interessiert und freundlich aufgenommen wird, eine Tatsache, die m.E. für die Entwicklung dles Charakters sehr gefährlich ist.


    Solange die selben Sanktionsmöglichkeiten vorliegen, also mündliche Noten gegeben werden und der Prüfer auch der Ausbilder ist, gilt dies in abgemilderter Form auch für Lehrer. Die Folgen sind in der "Normalbevölkerung" ja denn auch hinlänglich bekannt, sodass z.B. Handwerker und andere Dienstleister nur ungern für Lehrer tätig werden.


    Daher trifft das Zitat von Meike


    Wie gehen eigentlich die hier anwesenden Fachleiterhasser damit um, dass sie den Schülern gegenüber die selbe Position haben und nur gehasst, belogen und vollgeschleimt werden, ein Berufsleben lang?!

    natürlich einen wichtigen Punkt. Auch wir Normallehrer sollten das Verhalten unserer Schüler uns gegenüber immer unter dem Aspekt ihrer Abhängigkeit von unserem "Goodwill" sehen. Anonyme Evaluation, am besten nach Ende des Schuljahrs, mag gewisse verlässlichere Informationen liefern, Portale, in denen Schüler sich austauschen weiteren Einblick in die wahren Gefühle unserer Schüler uns gegenüber, auch wenn das sicher manchmal nicht schön ist... Schöner ist natürlich, von einer Menge Schüler freundlich angelächelt zu werden, wie es im Unterricht häufig geschieht...


    Eine gewisse Verbesserung ist in der Oberstufe gegeben, da zumindest die Abiturprüfung zentral und deren Auswertung zentral vorgegeben ist und, zumindes in den Naturwissenschaften, auch kaum Bewertungsspielraum für persönliche Vorlieben oder Abneigungen des Korrektors bleibt. Zentrale, einheitliche Prüfungen und die Abschaffung mündlicher Noten (nicht mündlicher Prüfungen) würden die Situation in der Schule sicher deutlich verbessern.


    Ich hatte deswegen ja auch schon weiter oben geschrieben:

    Eine der größten Gefahren unseres Berufes für uns selbst ist die mangelnde Rückkopplung. In praktisch allen Arbeitszusammenhängen wird abweichendes / unangemessenes Verhalten relativ schnell von Kollegen / Kunden / Chefs / Mitarbeitern in der einen oder anderen Weise korrigiert. Im Lehrerberuf hat der Lehrer praktisch ausschließlich mit Abhängigen zu tun, die genau wissen, dass ihre Zukunft durch das System der mündlichen Noten vom guten Willen der Lehrer abhängt. Bei Fachseminarleitern ist es noch gefährlicher, da die Abhängigen Erwachsene sind. So wird abweichendes Verhalten der Ausbilder nicht korrigiert sondern letztlich jedes Verhalten honoriert. Es können sich im besten Falle skurrile, in vielen Fällen jedoch hochproblematische Charaktere herausbilden, weil es im professionellen Umfeld kein Korrektiv gibt.

    Wenn es Seminargruppen gibt, die...
    sich für feedbacks ausdrücklich bedanken (auch wenn diese definitiv nicht nur positiv sind)

    Haben wir auch immer gemacht, besser war das...

    Zitat von Traumjob-teacher

    am Ende der Sitzung auch dann noch diskutierend zusammensitzen, wenn ihnen keiner dafür Fleißpunkte verteilt??

    Haben wir auch gemacht, solange wir vermuten konnten, dass es der FSL sieht oder zumindest erfährt

    keine Probleme haben, ihre Fehler und schiefgelaufenen Stunden zur Diskussion zu stellen,

    Das hatten wir auch nicht, besser war das...


    - die Folge sind Duckmäusertum im Seminar

    Da ja jeder schnell begreift, dass die Kriterien wachsweich sind und ein Fachseminarleiter jeden nach Gutdünken durchfallen oder bestehen lassen kann, ist das Einzige, was den Referendaren bleibt, eine breite Schleimspur hinter sich her zu ziehen.


    Ja, so, wie Du oben schreibst, war es auch bei uns! Jeder wollte so gut wie möglich da stehen und möglichst optimal dem Bild des optimalen, kritikfähigen und selbstkritischen Lehrers entsprechen, solange man sich im Kontext des Seminars befand. Außerhalb des Seminars im privaten Umfeld wurden die meisten dann aber ehrlich...



    Fällt was auf?


    Vielleicht bist Du aus Überzeugung so, hast keine Angst, eine schlechte Note zu bekommen oder durchzufallen. Dass es Deinen Mitrefs genauso geht, deren Lebensplanung sämtlich von Bestehen und Note abhängt, möchte ich dennoch bezweifeln.

    Machen wir uns nichts vor: Das Referendariat ist eine Form des Aussiebens. Und auch das tut mit Mitte 20 weh, zumal die Alternativen nach dem 1. Staatsexamen nicht immer auf der Hand liegen. Hier setzt meine Kritik am Referendariat an - die jungen Leute müssen viel früher in den Schulbetrieb, um sich rechtzeitig umentscheiden zu können, um nicht mit Nichts dastehen zu müssen. Ohne diese Einbahnstraße würde der Druck auch geringer.

    So sehe ich es auch, die Organisation der Lehrerbildung in D ist dramatisch schlecht. Die entscheidende Auswahl nach Ende des Studiums durchzuführen, führt zu unglaublichem Druck, da ja letzlich die persönliche Zukunft (überspitzt: "A13 oder Hartz4") am Wohlwollen des oder der FSL hängt. Mir ist auch unklar, warum sich nicht ein Kultusministerium einer grundlegenden Reform der Lehrerbildung annimmt.

    Ich wehre mich explizit gegen ein Fachleiterbashing - viele Fachleiter investieren viel Zeit und Mühe in die Ausbildung der Junglehrer.

    Naja, wie wir aus der Schule schon wissen: Viel Zeit und Mühe garantieren eben leider noch nicht, dass das Ergebnis auch gut ist, so bitter das ist. Deswegen ist Kritik durchaus zulässig, weil das Ergebnis zählt, nicht der Aufwand...

    dass Referendare scheinbar willkürlich nach "der neuesten Sau, die durchs pädagogische Dorf getrieben wird" beurteilt werden.

    So habe ich es eben erlebt. Alle, wirklich alle Vorführstunden und Prüfungen, die ich gesehen habe, liefen identisch ab: Kurzer "Lehrerimpuls", Gruppenarbeit mit Erstellung von OHP-Folien, Präsentation, Diskussion. Nie wurde etwas erklärt (und das in den Naturwissenschaften!), nie wurde Erklärtes geübt, nie wurden Hausaufgaben kontrolliert und besprochen. Häuften sich solche Stunden, beschwerten sich, wenn die Fachseminarleiter weg waren, die Schüler und forderten wieder "normalen Unterricht", damit sie nicht gegenüber den anderen Klassen zurück bleiben.
    Diese Stunden wurden von 1 bis 5 beurteilt. Und jeder wusste, dass ein Abweichen von diesem Schema fatale Folgen hatte. Ich habe einen der "harmloseren" Fachseminarleiter einmal darauf angesprochen und er empfahl mir, bei diesem Schema zu bleiben.


    Es geht an den Kern des Menschen heran und da ist Kritik schwerer zu akzeptieren/sachlich zu betrachten und auch schwieriger zu ändern

    D'accord, Lehrerverhalten zu besprechen heißt Verhalten besprechen, geht direkt auf die Persönlichkeit und ist damit natürlich was anderes als die über Bearbeitung einer Physikaufgabe zu diskutieren.

    Und ich glaube eben auch nicht, dass empirische Forschung jetzt das Alleinseligmachende ist, das alle Probleme lösen kann. Es kann einen Teil lösen - wenn man denn die Wissenschaftler hätte, die sich damit auskennen -, aber nicht alle.)

    Das ist die empirische Forschung sicher nicht un den Anspruch stellt sie auch nicht.
    Aber letzlich unbewiesene Behauptungen ("es gibt ... Lerntypen") in den Raum zu stellen, die in keiner Weise je validiert wurden und nur wegen des Postens der sie aufstellenden Person häufig zitiert werden, ist ein Rückfall in Zeiten vor der Aufklärung, in der Behauptungen ebenfalls nicht hinterfragt wurden, wenn sie von einer Autorität (v.a. der Kirche) aufgestellt worden waren.

    Der berühmte Psychologe Paul Meehl hat einmal einen guten Wissenschaftler definiert – und zwar als jemanden, der seinen Kopf statt einer Formel gebraucht.

    Wow, das sind Worte eines großen Denkers. Das stellt Menchen wie Gauß, Planck, Keynes, Chomsky und weitere natürlich in ein ganz anderes Licht. So viel war mit denen dann wohl doch nicht los, bei den ganzen Formeln, die die verwendet haben...


    (Oder bellt da der getroffene Hund, dem die Welten der Formeln leider immer verschlossen blieben?)

    Zuerst sprach ich von der angemessenen Lernprogression, danach vom roten Faden, der auf diese Lernprogression hinzielen muss... wenn eine Stunde für einen Physik-Oberstufenkurs beispielweise nicht anspruchsvoll genug ist, ist das heutzutage meistens ein Problem

    Darum ging es nicht, sondern darum, ob in der Ausbildung geforderte von den Refs zu zeigende Methoden in irgend einer Weise belegbar sinnvoll sind.

    Was ich mich frage, ist, wie man denn die Effektivität einer Methode überprüfen möchte? Mir ist unklar, was als "effektiv" gilt? Ergebnisse in einem Test, einer Klassenarbeit? Wo setze ich dann die Grenze für akzeptabel und inakzeptabel? Wie unterscheide ich beispielsweise zwischen den verschiedenen Schülergruppen (Essen-Katernberg vs. Meerbusch), wie filtere ich heraus, dass nicht andere Faktoren da eine Rolle spielen? Was ist mit anderen Qualifikationen und Qualitäten, die ich in der Schule vermitteln will (sogenannte soft skills, Fähigkeiten des selbständigen Lernens, etc pp)? Wie messe ich die?

    Nimm es mir nicht übel, aber man kann die Effektivität einer Methode überprüfen! Dafür braucht's allerdings allerdings profunde mathematisch-statistische Methodenkenntnis (die in der deutschen pädagogischen "Forschung" nicht immer vorhanden ist) und einen nicht erheblichen Aufwand bei der Durchführung, weil eine ausreichen hohe Anzahl Schüler einbezogen werden muss (den Aufwand zu treiben, ist vll. auch nicht so beliebt wie "Forderungen" aufzustellen, "Gruppen" zu definieren und persönliche Erfahrungsberichte zu verfassen...)


    Es gibt ja diese Forschung, die "empirische Pädagogik" durchaus, nur hat sie in der deutschen Schulpädagogik kaum Anhänger. Und das ist das Problem: Wenn es nur schöne Aufsätze wären, wäre die Sache halb so schlimm. Aber hier wird über Menschen (Referendare) geurteilt aufgrund von unbewiesenen Kriterien, die sich alle paar Jahre ändern. Und es werden Lehrpläne verfasst und die Pädagogik für Millionen von Schülern auf Grundlage dieser unbewiesenen Aussagen verfasst.

    Ich habe die Diskussion schon öfter sowohl mit Menschen, die aus der naturwissenschaftlichen Ecke kommen, als auch solchen, die BWL studiert haben und dementsprechend natürlich einen ganz anderen Umgang mit Empirie haben als ich es als Sprachler/ Geisteswissenschaftler habe, klar.

    Ja eben, diese Leute sind mit komplexeren statistischen Methoden vertraut, daher wissen sie, dass man, obwohl dies vll. für den Laien unmöglich erscheint, damit durchaus valide Aussagen zur Wirksamkeit von Unterrichtsmethoden gewinnen kann.

    Für mich sind viele Dinge, die ich in der Schule lehre/ vermitteln möchte, schwer zu messen und ich persönlich empfinde Unterrichten auch als dermaßen komplex, da spielen sich so viele Prozesse gleichzeitig ab, dass ich mich frage, wie man da seriös einen Aspekt überprüfen (meinetwegen durchschnittliche Leistungen in einem Test) und dann monokausal eine Ursache (eine der eingesetzten Unterrichtsmethoden) festlegen kann? Da spielen doch so viele verschiedene Faktoren mit hinein?

    Nein, man will auch nicht monokausal eine Ursache finden. Darüber ist moderne Statistik weit hinaus. Aber man kann Faktoren isolieren. Die Hattie-Studie (nicht aus Deutschland, sic!) hat das ja getan und entsprechend, wenn leider auch nur vorübergehend, für Unruhe gesorgt und der empirischen Pädagogik kurzzeitig auch in Deutschland Gehör verschafft.

    Na, wie gut, dann trifft die Kritik ja nicht mehr zu: Unwissenschaftlichkeit, mangelnde Validierung der Thesen, geringes Niveau in der den Prüfungen zu Grunde liegenden Wissenschaft sind offenbar passé, denn die Fachleiter stellen fest, ob es einen roten Faden gab und beurteilen danach. HIer ist offenbar das wissenschaftliche Niveau deutlich gestiegen.


    Auch die Feststellung "halte ich es für sinnvoll, neue Methoden einzuführen, denn der Unterricht hat sich nun einmal verändert" zeigt, dass heute Unterrichtsmethoden so eingesetzt werden, wie sie nachweislich sinnvoll sind. Von mangelnder Prüfung einer Methode auf ihre Wirksamkeit kann also offenbar nicht mehr die Rede sein.


    Deutlich wird auch an dem Beitrag von Stille Mitleserin, dass, wenn heute ein Referendar Angst hat, es an ihm selbst und seiner mangelnden Kritikfähigkeit liegen muss und nicht, wie ursprünglich vermutet, an Fachseminarleitern, denen es nicht gelingt, eine konstruktive Atmosphäre angstfreien Lernens zu schaffen, indem klar definierte, nachvollziehbare und valide Ziele formuliert werden.


    Wie gut, dass die ganze Kritik und die in den Foren geäußerten Ängste, die hohen Abbrecherquoten, sogar Selbstmorde, nur an der überwiegend mangelnden Qualifikation der Referendare liegen und nicht an den Ausbildern.



    ...
    Eine der größten Gefahren unseres Berufes für uns selbst ist die mangelnde Rückkopplung. In praktisch allen Arbeitszusammenhängen wird abweichendes / unangemessenes Verhalten relativ schnell von Kollegen / Kunden / Chefs / Mitarbeitern in der einen oder anderen Weise korrigiert. Im Lehrerberuf hat der Lehrer praktisch ausschließlich mit Abhängigen zu tun, die genau wissen, dass ihre Zukunft durch das System der mündlichen Noten vom guten Willen der Lehrer abhängt. Bei Fachseminarleitern ist es noch gefährlicher, da die Abhängigen Erwachsene sind. So wird abweichendes Verhalten der Ausbilder nicht korrigiert sondern letztlich jedes Verhalten honoriert. Es können sich im besten Falle skurrile, in vielen Fällen jedoch hochproblematische Charaktere herausbilden, weil es im professionellen Umfeld kein Korrektiv gibt.


    Die Selbstgewissheit, mit der in den vorangegangenen Beiträgen die o.g. Kritik weggewischt wurde, ohne überhaupt auf sie einzugehen, ist leider ein Beleg für diese Gefahr.

    Das Drama ist nur, dass auf der Basis dieser unbewiesenen "Erkenntnisse" Lehrer in ganz Deutschland ausgebildet und bewertet werden. Eigentlich auch rechtlich ein fragwürdiger Zustand: Darf man Menschen auf der Basis letzlich beliebiger Behauptungen fachlich / dienstlich beurteilen?


    Gerettet wird der Unterricht nur dadurch, dass Lehrer in der Praxis dann diese Dinge i.A. schnell über Bord werfen und das tun, was erfahrungsgemäß funktioniert. Eine unsägliche Verschwendung von Ressourcen und Fehlsteuerung an einer so zentralen Stelle der Gesellschaft, dass sogar eigene Ministerien dafür eingerichtet sind...


    Dabei gibt es im Ausland durchaus eine lange Tradition empirischer Didaktik, aber die wurde zumindest von meinen Ausbildern in keinem Falle zur Kenntnis genommen. Ein wenig Unruhe hat nur die Hattie-Studie verursacht, aber auch dies ist schnell wieder von der Übermacht der sog. geisteswissenschaftlichen Pädagogik überrollt worden.


    Um die Lächerlichkeit auf die Spitze zu treiben, wurden wir angewiesen, keine Artikel zu zitieren, die älter als fünf Jahre sind, weil die Erkenntnisse darin schon überholt seien. Ein Natur- Geschichts- oder Sprachwissenschaftler würde sich in Grund und Boden schämen, wenn seine veröffentlichten Ergebnisse regelmäßig nach wenigen Jahren als falsch erkannt würden. Darauf angesprochen wird dies von Pädagogen aber als Beweis für die schnelle Entwicklung in ihrem Fach dargestellt - no comment...


    (Nebenbei waren die Seminare bei den Pädagogen selber schon immer der beste Beweis: Gähnend langweilig und am Ende wusste man nicht, was man eigentlich gelernt hatte...)

    - sehr viele Seminarleiter haben keine Ahnung von der wissenschaftlichen Basis ihrer pädagogischen Theorien, und wurden auch nicht aufgrund ihrer entsprechenden empirisch-wissenschaftlichen Fachkompetenz befördert; respektive es fehlt ihnen die Reflexionsfähigkeit ihr Gebiet objektiv zu evaluieren. Ideologie zählt mehr als Empirie.

    "Wissenschaftliche Basis" alleine ist schon ein Witz für Naturwissenschaftler. Mir ist in der gesamten vom Studienseminar geforderten sog. "Fachliteratur" (die zudem durchgängig deutsch war und nur deutsche Quellen zitiert hat, also ob es außerhalb Deutschlands keine pädagogische Forschung gäbe) kein einziger auch nur im geringsten empirisch abgesicherter Artikel untergekommen. Die Veröffentlichungen bestehen praktisch durchweg aus "A fordert", "nach B gibt es ... Lerntypen", "C nennt..." usw.


    Auch das restliche Niveau der sog. Fachartikel ist z.T. unterirdisch. Triviale Tatsachen lang erläutert, mehrfache Wiederholungen identischer Aussagen im selben Artikel usw. sind an der Tagesordnung.


    Die wenigen Empiriker haben in Dtld. kaum Chancen, Helmke, einer der wenigen von ihnen, stellt dann auch treffend fest:
    "Im deutschen Sprachraum ist - vor allem bedingt durch die inder Pädagogik vorherrschende geisteswissenschaftliche Orientierung - empirischeUnterrichtsforschung Mangelware . Es gibtzahlreiche Praxisberichte, theoretische Werke, Modellversuchsberichte, Ratgeberund erbauliche Schriften über Unterricht,aber nur wenige empirische Untersuchungen, deren Stichprobenplan , Design und statistische Auswertung methodischen Standardsentspricht."



    - die Bewertungskriterien bei Unterrichtsbesuchen und Lehrproben sind entsprechend schwammig (bei einer Diplomprüfung in Physik dagegen weiß man woran man ist - es gibt einigermaßen objektive Bewertungsmaßstäbe die nur sehr beschränkt im Ermessen der Prüfer liegen und es muss ohnehin alles genau protokolliert werden)

    Genau so ist es meiner Erfahrung nach. Ich habe Prüfungsstunden gesehen, in denen kaum ein Schüler etwas verstanden hat, die aber wegen des tollen Arrangements und der schönen selbstgebastelten Materialien mit "sehr gut" bewertet wurden und umgekehrt.


    Gut benotet wird in der Regel ein bestimmter "kinderlieber" und "folgsamer" Referendarstypus, der extrem hohen Material-, Kopien- und Vorbereitungsaufwand treibt.
    Die Kompetenz, einen physikalischen Zusammenhang gut zu erklären, wurde während meines Referendariats nicht einmal besprochen, geübt oder geprüft. Dies war schlicht irrelevant.


    - hinzu kommt, dass auch unter Seminarleitern die charakterlich-emotionale Reife nicht immer auf hohem Niveau ist (nach welchen Kriterien werden diese dann bitte noch ausgesucht?). Klar, Idioten gibt es überall - auch unter Physikern - aber was man hier zum Teil liest ist ja hanebüchen.

    Auch dies entspricht voll und ganz meinen Erfahrungen. Da dafür nicht nachweislich erfolgreiche Kollegen abgeordnet werden, sondern sich die Kollegen selber bewerben (Die Frage sei erlaubt, warum man sich von der Schule weg bewirbt...), finden sich, vorsichtig gesagt, nicht die Besten. Neurotiker, Alkoholiker, entrückte Gutmenschen, alles geht...

    - das führt zu einer Lage, bei der ein Seminarleiter völlig realitätsferne Unterrichtskonzepte fordert und/oder einzelne Seminarteilnehmer aufgrund rein emotionaler Unliebsamkeit schlecht bewertet

    Besonders krass ist es, wenn Kollegen, die schon einige Zeit als angestellte Lehrer gearbeitet haben, verbeamtet werden wollen und dafür im Studienseminar mit den Fachseminarleitern konfrontiert werden. Basses Erstaunen, Entsetzen, Fassungslosigkeit beschreibt, was diese Kollegen nach den ersten "Fachseminaren" hinter vorgehaltener Hand äußern.

    - die Folge sind Duckmäusertum im Seminar und seltsame "Feuerwerksstunden" bei den Lehrproben

    Natürlich. Da ja jeder schnell begreift, dass die Kriterien wachsweich sind und ein Fachseminarleiter jeden nach Gutdünken durchfallen oder bestehen lassen kann, ist das Einzige, was den Referendaren bleibt, eine breite Schleimspur hinter sich her zu ziehen. Angst beherrscht die Atmosphäre, weil die Fachseminarleiter ja letztlich über die Zukunft der Referendare entscheiden.




    PS: Ich rede nicht so, weil ich durchgefallen wäre, sondern habe im Gegenteil mit sehr guter Note bestanden. Dennoch war das Referendariat die besch... Zeit meines Lebens. Aber: Es lohnt sich, der Beruf ist schön :)
    Man sollte sich aber als Naturwisschenschaftler darauf einstellen, mit einer Welt konfrontiert zu werden, die man möglicherweise vorher nicht kannte und deren Geist mich oft an mittelalterliche voraufklärerische Zeiten erinnerte.

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