- sehr viele Seminarleiter haben keine Ahnung von der wissenschaftlichen Basis ihrer pädagogischen Theorien, und wurden auch nicht aufgrund ihrer entsprechenden empirisch-wissenschaftlichen Fachkompetenz befördert; respektive es fehlt ihnen die Reflexionsfähigkeit ihr Gebiet objektiv zu evaluieren. Ideologie zählt mehr als Empirie.
"Wissenschaftliche Basis" alleine ist schon ein Witz für Naturwissenschaftler. Mir ist in der gesamten vom Studienseminar geforderten sog. "Fachliteratur" (die zudem durchgängig deutsch war und nur deutsche Quellen zitiert hat, also ob es außerhalb Deutschlands keine pädagogische Forschung gäbe) kein einziger auch nur im geringsten empirisch abgesicherter Artikel untergekommen. Die Veröffentlichungen bestehen praktisch durchweg aus "A fordert", "nach B gibt es ... Lerntypen", "C nennt..." usw.
Auch das restliche Niveau der sog. Fachartikel ist z.T. unterirdisch. Triviale Tatsachen lang erläutert, mehrfache Wiederholungen identischer Aussagen im selben Artikel usw. sind an der Tagesordnung.
Die wenigen Empiriker haben in Dtld. kaum Chancen, Helmke, einer der wenigen von ihnen, stellt dann auch treffend fest:
"Im deutschen Sprachraum ist - vor allem bedingt durch die inder Pädagogik vorherrschende geisteswissenschaftliche Orientierung - empirischeUnterrichtsforschung Mangelware . Es gibtzahlreiche Praxisberichte, theoretische Werke, Modellversuchsberichte, Ratgeberund erbauliche Schriften über Unterricht,aber nur wenige empirische Untersuchungen, deren Stichprobenplan , Design und statistische Auswertung methodischen Standardsentspricht."
- die Bewertungskriterien bei Unterrichtsbesuchen und Lehrproben sind entsprechend schwammig (bei einer Diplomprüfung in Physik dagegen weiß man woran man ist - es gibt einigermaßen objektive Bewertungsmaßstäbe die nur sehr beschränkt im Ermessen der Prüfer liegen und es muss ohnehin alles genau protokolliert werden)
Genau so ist es meiner Erfahrung nach. Ich habe Prüfungsstunden gesehen, in denen kaum ein Schüler etwas verstanden hat, die aber wegen des tollen Arrangements und der schönen selbstgebastelten Materialien mit "sehr gut" bewertet wurden und umgekehrt.
Gut benotet wird in der Regel ein bestimmter "kinderlieber" und "folgsamer" Referendarstypus, der extrem hohen Material-, Kopien- und Vorbereitungsaufwand treibt.
Die Kompetenz, einen physikalischen Zusammenhang gut zu erklären, wurde während meines Referendariats nicht einmal besprochen, geübt oder geprüft. Dies war schlicht irrelevant.
- hinzu kommt, dass auch unter Seminarleitern die charakterlich-emotionale Reife nicht immer auf hohem Niveau ist (nach welchen Kriterien werden diese dann bitte noch ausgesucht?). Klar, Idioten gibt es überall - auch unter Physikern - aber was man hier zum Teil liest ist ja hanebüchen.
Auch dies entspricht voll und ganz meinen Erfahrungen. Da dafür nicht nachweislich erfolgreiche Kollegen abgeordnet werden, sondern sich die Kollegen selber bewerben (Die Frage sei erlaubt, warum man sich von der Schule weg bewirbt...), finden sich, vorsichtig gesagt, nicht die Besten. Neurotiker, Alkoholiker, entrückte Gutmenschen, alles geht...
- das führt zu einer Lage, bei der ein Seminarleiter völlig realitätsferne Unterrichtskonzepte fordert und/oder einzelne Seminarteilnehmer aufgrund rein emotionaler Unliebsamkeit schlecht bewertet
Besonders krass ist es, wenn Kollegen, die schon einige Zeit als angestellte Lehrer gearbeitet haben, verbeamtet werden wollen und dafür im Studienseminar mit den Fachseminarleitern konfrontiert werden. Basses Erstaunen, Entsetzen, Fassungslosigkeit beschreibt, was diese Kollegen nach den ersten "Fachseminaren" hinter vorgehaltener Hand äußern.
- die Folge sind Duckmäusertum im Seminar und seltsame "Feuerwerksstunden" bei den Lehrproben
Natürlich. Da ja jeder schnell begreift, dass die Kriterien wachsweich sind und ein Fachseminarleiter jeden nach Gutdünken durchfallen oder bestehen lassen kann, ist das Einzige, was den Referendaren bleibt, eine breite Schleimspur hinter sich her zu ziehen. Angst beherrscht die Atmosphäre, weil die Fachseminarleiter ja letztlich über die Zukunft der Referendare entscheiden.
PS: Ich rede nicht so, weil ich durchgefallen wäre, sondern habe im Gegenteil mit sehr guter Note bestanden. Dennoch war das Referendariat die besch... Zeit meines Lebens. Aber: Es lohnt sich, der Beruf ist schön
Man sollte sich aber als Naturwisschenschaftler darauf einstellen, mit einer Welt konfrontiert zu werden, die man möglicherweise vorher nicht kannte und deren Geist mich oft an mittelalterliche voraufklärerische Zeiten erinnerte.