Ich kann Pyros Beitrag nur vollumfänglich zustimmen, ich hätte ihn im Prinzip fast wörtlich genau so schreiben können.
Ich unterrichte Deutsch und Englisch, beinahe ausschließlich in der Oberstufe.
Ich möchte gerne noch advocatus diaboli spielen:
Ab übermorgen kommen dann die FH-Klausuren in Deutsch dazu: Wieder 57 Stück. Da kannst du nicht "drübergehen".
Warum denn eigentlich nicht? Genau genommen, ist das gar nicht so sehr advocatus diaboli, weil ich die Frage halb ernst, halb rethorisch und halb appellativ meine (- ich Sprachenlehrer, nicht Mathelehrer )
Natürlich korrigiere ich meine Abiklausuren in der Regel auch gründlicher als normale Klausuren, aber wenn man mal ganz ergebnisoffen die Frage stellt, warum das macht, wird es tatsächlich interessant. Ich behaupte, dass die Noten sich dadurch nicht großartig verändern. Auch bei der schnellen Korrektur normaler Arbeiten / Klausuren halte ich meine Noten für valide. Ich habe vielleicht nicht alle Fehler erfasst und angestrichen, aber die Bewertung würde sich durch ein Handvoll zusätzlicher Komma- und Sprachfehler nicht großartig ändern.
Bleiben aus meiner Sicht nur zwei Gründe, warum man sich beim Abi mehr Zeit nimmt:
1.) Man hat Angst vor Widersprüchen / Klagen
Diese Angst halte ich realistisch betrachtet für unbegründet. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass jemand Widerspruch einlegt, weil man Fehler NICHT angestrichen hat. Und selbst für den Fall, dass es doch mal so kommen würde: Netto betrachtet wäre die Zeit, die man durch die schnellere Korrektur über Jahre hinweg einspart deutlich größer als die Zeit, die man für eine Stellungnahme zu einem Widerspruch benötigt - zumal dies dann außerhalb der heißen Abikorrekturphase käme.
2.) Man hat Angst, vor dem Zweitkorrektor das Gesicht zu verlieren
Klar, niemand gibt sich gern die Blöße, Fehler übersehen zu haben und evtl. in den Verdacht zu kommen, die Regel vielleicht selbst nicht verstanden zu haben. Bei Licht betrachtet sitzen wir aber alle im gleichen Boot, wir sind alle von den Abikorrekturen gestresst und fluchen über die viele Zeit, die man dafür braucht. Wenn man dem Zweitkorrektur offen kommuniziert, dass man sich den zweiten Durchgang aufgrund von Zeitnot gespart hat, aber man hinter der Note steht, dürften das die meisten Kollegen nachvollziehen können. Und wenn nicht, dann ist es nicht mein Problem - es gibt keinen Erlass, der mir vorschreibt, wie oft ich eine Klausur lesen muss.
Ich hab das auch schon gemacht, wenn ich wirklich viele, viele Abiklausuren hatte - wobei das immer noch deutlich weniger als 57 waren. Es ist eine einfache Rechnung. Bei 41 Stunden Wochenarbeitszeit, meinetwegen 48 Stunden oder so ferienbereinigt, und nur wenig Unterrichtsentlastung durch wegfall des Abijahrgangs, kann ich bei kurzen Korrekturzeiten gar nicht die Zeit für zwei Durchgänge aufbringen. Und schon gar keine 57 Stunden. Wer dir da ein Problem machen möchte, soll erstmal aufzeigen, wie das im Rahmen deiner Arbeitszeit gehen soll - womit wir dann doch wieder bei Korrketurtagen wären.
Es bleibt dann der Grund, dass man es respektlos findet, dem Zweitkorrektor einen Satz Arbeiten zu geben, die noch mehrere Fehler enthalten, die er dann anstreichen muss. Das wäre eine Frage des Respekts vor der Arbeitszeit des Kollegen. Das kann ich tatsächlich nachvollziehen, Auch hier hilft ein ehrliches Wort vielleicht.
Ja, ich meine das ernst. Wir verbringen am meisten Zeit mit Korrketuren einer Arbeit, die die Schüler so gut wie nie überhaupt auch nur zu Gesicht bekommen und aus denen sie nichts mehr für spätere Arbeiten lernen können, weil sie gerade ihre Schullaufbahn abgeschlossen haben. Das ist absurd und arbeitszeitökonomisch, pädagogisch und persönlich eigentlich eine Bankrotterklärung.