Bei meiner Schwiegermutter habe ich gesehen, was zwei Korrekturfächer bedeuten. Die hat bis auf die Sommerferien quasi alle Ferien durchkorrigiert. Als Lehrer ohne Korrekturfach kann man die Belastung unter Umständen nicht nachvollziehen.Un
Also, als jemand, der Deutsch und Englisch unterrichtet und beinahe ausschließlich in der Oberstufe eingesetzt ist, kann ich das jetzt nicht ganz so unterschreiben. Ja, der Korrekturaufwand ist enorm und für mich - persönlich - sind die Korrekturen auch die mit Abstand größte Belastung im Job. Nicht nur durch die schiere Anzahl, sondern auch durch die stupide und montone Art der Tätigkeit. Oder vielmehr: stupide und monoton einerseits, andererseits aber auch nicht so stupide und monoton, dass man einfach den Kopf dabei ausschalten könnte. Man muss sich trotzdem konzentrieren und ist dadurch gezwungen, sich voll Konzentriert auf diese eintönige Tätigkeit einzulassen.
Trotzdem: Diese Aussage, die man öfter mal hört und liest, dass Kolleginnen oder Kollegen alle Ferien (außer die Sommerferien) durchkorrigieren, verwundern mich immer wieder. Ich korrigieren nie die kompletten Ferien durch. Und ich bin durchaus jemand, der seine Korrekturen so prokrastiniert, dass sie sich zu Ferienbeginn stapeln. Trotzdem gelingt es mir immer, auch mehrere Tage, in der Regel mehr als die Hälfte der Ferien, freizuschaufeln und Freizeit zu haben.
Ich will nicht leugnen, dass es vereinzelt Kollegen so geht, wie deiner Schwiegermutter. Ich will das auch für sie bzw. für deine Beobachtungen nicht anzweifeln. Dafür mag es verschiedene Gründe geben, von Arbeitsorganisation und Perfektionismus bis hin zu persönlichen Dispositionen, die das gar nicht anders möglich machen. Trotzdem halte ich das auch mit zwei Korrekturfächern nicht für den Normalfall.
Ich schreibe das, weil ich glaube, dass wir uns als Lehrer mit eher zweifelhaftem Ruf in der Gesellschaft keinen Gefallen tun, wenn wir ignoranten Stammtischweisheiten ("vormittags recht, nachmittags frei"; "12 Wochen Urlaub im Jahr") mit überzogenen Darstellungen oder Einzelfällen ("alle Ferien durchkorrigiert"; "jeden Tag Unterrichtsvorbereitung bis spät in die Nacht") begegnen. Eine differenzierte Darstellung der tatsächlichen Belastung unter Berücksichtung der besonderen empfundenen Belastung in Einzelfällen ist hier dem Diskurs sicherlich dienlicher.
Gerade auch, wenn es darum geht, Kollegen zu helfen, die aktuell mit Burnout und Überlastung kämpfen. Deren Einzelschicksale sind eben gerade als Einzelschicksale ernstzunehmen und man erweist ihnen einen Bärendienst, wenn man dieses Gefühl der Belastung normalisiert, indem es so darstellt, als müsse es allen Korrekturfachlehrern so gehen. Die Message im Subtext ist nämlich, auch wenn das nicht die eigentliche Aussageintention ist: "Das ist halt so. Die anderen kommen ja auch irgendwie klar, warum brichst du darunter zusammen? Das muss wohl an dir liegen."
Und das kann ja nun wirklich nicht die Message sein.
Nochmal: Ich weiß, so war das nicht gemeint. Aber es ist eine Konnotation, die leicht ungewollt mitschwingen kann.
Ergänzung: Zu dem unsäglichen Spruch, Korrekturfächer seien das Paradies auf Erden, sag ich jetzt lieber mal nichts. Der ist, insbesondere im Kontext des Threadthemas, sowas von unterirdisch, dass er mehr über die Person, die das äußert, aussagt als über Korrekturfachlehrer und deren Belastung.