Mir ist noch immer schleierhaft, wie jemand ohne Taschenrechner Noten bilden kann. Selbstverständlich brauche ich eine objektiv nachvollziehbare, auch vor Gericht darlegbare Berechnungs- und Begründungsgrundlage für meine Notenfindung.
Dies beinhaltet auch, dass ich eventuell einen Test stärker oder geringer gewichte als einen anderen. Es beinhaltet auch, dass ich eine Leistungstendenz mit in die Ermittlung der Note einfließen lasse oder eine durch Krankheit beeinflusste Note geringer werte.
Wer seine Noten jedoch nicht auf einer mathematisch sauberen und nachvollziehbaren Art ermittelt, darf sich über unerquickliche Elterngespräche nicht beklagen.
Du widersprichst dir doch selbst. Objektiv nachvollziehbare Berechnungsgrundlage?
Wenn Du einen Test stärker oder geringer gewichtest als einen anderen, dann kannst Du genausogut sagen ich entscheide mich für die eine oder andere Note aus pädagogischen Gründen. Die Gewichtung, die Du vornimmst, ist auch ein subjektiver Vorgang.
Auch die Gewichtung einer Beobachtungsnote der Mitarbeit über einen Zeitraum von 2 Monaten gegenüber einer 5 minüten Abfrage zu Beginn des Unterrichts. Was wäre hier der objektive Gewichtungsschlüssel, denn wir sind uns ja wohl einig, dass man nicht automatisch 50:50 wählt.
Wie genau ändert sich denn eigentlich objektiv die Gewichtung, wenn ein Schüler die Noten in der zeitlichen Reihenfolge 2,3,5,5 schreibt gegenüber einem Schüler, der nacheinander die Noten 5,5,3,2 schreibt?
Welche Gewichtung ist denn objektiv, wenn ein Schüler in der Hälfte des Halbjahres einen Schicksalsschlag hat? Werden die dann kommenden Noten sagen wir nur noch halb so stark gewichtet? Oder doch zwei Drittel?
Wie gewichtet man eigentlich den Einfluss fehlender Hausaufgaben bei einem Schüler, der nachmittags auf seine Geschwister aufpassen muss, weil die Eltern dazu nicht in der Lage sind? Zählen bei ihm die Hausaufgaben dann 10% weniger oder gönnt man im objektiverweise 85% geringere Gewichtung der Hausaufgaben an der Gesamtnote?
Mir würde es übrigens überhaupt nicht schwer fallen mit Hilfe einer Excel Tabelle Gewichtungen dergestalt vorzunehmen, dass ich auch wieder auf meine pädagogische Entscheidung komme.
Wie teilst Du Deinen Schülern und Eltern das mit, wenn Du die Gewichtung änderst? Sagst Du dann um die Transparenz zu erhalten: "Also Frau Müller, ihr Sohne hat wegen seiner Krankheit nun eine um 20% geringere Gewichtung seiner schwachen Beiträge in den letzten zwei Unterrichtswochen. Deshalb verschiebt sich die Durchschnittsnote von X auf Y?"
Das fände ich befremdlich.
Ich habe in meinen Elterngesprächen, in denen es in wenigen um Notenbeschwerden, eher um Nachfragen ging, einfach meine Gründe ausführlich dargestellt, in dem ich genau beschreibe, was der Schüler leistet, was ich erwarte und wo es nicht stimmt. Dabei habe ich aber keine Gewichtungen in den Mund genommen und nehmen müssen, sondern den Schüler in seinen Beiträgen, die Tendenz seiner Entwicklung usw. dargestellt.
Ich bleibe dabei, wer mit berechneten, von mir aus mit gewichtet berechneten Noten, eine Gesamtnote begründet hat genausowenig Recht seine Note als objektiv nachvollziehbar zu beschreiben, als jemand, der aus seiner Expertise als Lehrer heraus die einzelnen Leistungen des Schülers anschaut und dann eine pädagogische Entscheidung trifft.
Übrigens, selbst jemand der akribisch rechnet kann sich immer noch höllisch irren, indem er zu leichte / zu schwere Aufgaben in der Klassenarbeit wählt, oder eine Klassenarbeit hart (sehr pingelig) oder sehr weich (sehr großzügig) korrigiert, oder mündliche Mitarbeit falsch bewertet (was ist denn da eigentlich objektiv richtig, wann ist etwas gut?). Und das unabhängig von der Problematik wie man eigentlich was gewichten sollte, die im Abschnitt oben beschrieben wurde ovn mir.
In Wirklichkeit verlassen wir uns alle beim Einschätzen von Leistungen auf unsere Expertise! Das ist eine Mischung aus Fachwissen und pädagogischem Gespür. Und das kann man sich auch bei der Endnote zutrauen. Da braucht es keinen Taschenrechner und keine Nachkommazahlen und Notenrundungen.
Dass man aus "Vertrauen auf die Expertise" aus lauter geschriebenen 3en und mündlichen 2en eine 4 als Endnote macht ist natürlich quatsch. Das würde man, wenn man die Leistungen des Schülers anschaut, ja auch nicht machen, gibt ja keinen Grund dazu und das könnte ich in einem Elterngespräch auch nicht begründen. Wenn jemand wie oben 2,3,5,5 schreibt ist es rechnerisch eine ausreichende Note. Bei 5,5,3,2 rechnerisch auch.
Für mich ist durchaus begründbar im zweiten Fall eine drei zu geben. Da brauch ich nichts gewichten oder den Eltern was vorrechnen. Da sage ich:"Ihr Sohn hat gezeigt, dass er die Wissenslücken geschlossen hat und mittlerweile gut mitkommt. Ich sehe eine positive Tendenz und seinen momentanen Stand im befriedigenden Bereich. Wenn er so weiter macht, sehe ich allerdings auch, dass es noch deutlich besser werden kann!"
Es wäre mir peinlich zu sagen "Der Schnitt ergibt genau 3,75, das wird auf 4 gerundet, deshalb gibt es eine 4".