Ich habe darüber auch schon lange und intensiv nachgedacht.
Ich unterrichte seit 16 Jahren am Gymnasium, habe alle meinen alten Klausuren auf dem PC. Natürlich schaut man da nach Wiederverwertbarkeit. Auch ich stelle fest: Meine alten Klausuren sind für meine aktuellen Leistungskurse zu schwer. Teilweise sogar die alten Grundkursklausuren (das hat mich schon geschockt...).
Aber sind daran die Schüler schuld? Oder deren Eltern?
Die Absenkung des Niveaus in Mathematik hat teilweise überhaupt nichts zu tun mit der sich ändernden Sozialisierung der Schüler. In den letzten Jahrzehnten hat man:
- Teilweise massiv Themen hinzugenommen. Im Bereich Geometrie kamen zur klassischen Geometrie verstärkt Sachen wie "Parkettierung" hinzu
- der ganze Bereich "Stochastik" tauchte früher, wenn überhaupt, erst in der Oberstufe auf
Der Taschenrechner: Hier in Niedersachsen ist der GTR noch Pflicht, üblich ist sogar ein GTR mit CAS (im KC steht drin, dass die Schüler auch mit einem CAS arbeiten sollen, was die meisten Schule so umsetzen, dass sie einen GTR mit CAS nehmen, was natürlich auch am einfachsten ist. Man könnte aber auch CAS am Computer machen an geeigneten Stellen). Selbst dann, wenn man sehr diszipliniert vorgeht und auch das händische Rechnen nicht zu kurz kommen lässt, so kostet doch die Einführung in die Verwendung eines solchen hochkomplexen Gerätes viel Zeit. Einführen muss man, denn ohne kompetenten TR-Einsatz sind die Abituraufgaben nicht lösbar. Das ist Zeit, die vom "normalen" Unterricht abgeht.
Die Stundentafel: Die meisten Schulen haben, aus Profilbildungsgründen, hier in NDS die Stundentafel mit mehr Wahlpflichtunterricht. Das geht ab von Mathe.
G8: EIn Jahr weniger, macht vielleicht auch was aus (wurde ja nun zurückgenommen, die aktuellen Abijahrgänge sind aber alle G8).
Drei statt vier Leistungskurse, die dafür 4 statt 5stündig: Auch das sorgt natürlich für ein sinkendes Niveau. Nicht nur, dass man weniger Zeit hat und mehr Hausaufgaben bei drei als bei 2 LKs, man muss ja auch noch seine drei besten statt seiner 2 besten Fächer zum LK machen. Da ist Mathe vielleicht nur eine Notlösung.
Zusammenfassend: Man macht also mit einer eventuell heterogeneren Schülerschaft mehr Themen in weniger Zeit. Da müsste es doch sehr wundern, wenn das Niveau nicht massiv sinken würde!
Hinzu kommen aber noch andere Dinge. In unserer schnellebigen Zeit wollen viele Kinder schnelle Erfolgserlebnisse. Fächer wie Mathe, wo man teilweise seine Kompetenzen über Jahre hinweg aufbauen muss, bis man mal etwas interessantes damit anfangen kann, sind da "out". Der Trend hin zur "Eventschule", wo man tolle Großprojekte macht, schadet Fächern wie Mathematik, wo man einen langen Atem braucht.
Ich habe schon Klassen gehabt, wo wegen der wenigen Zeit, die ohnehin zur Verfügung steht (teilweise nur 3 Std. Mathe pro Woche), den vielen ausfallenden Stunden (wegen diverser Extra-Aktivitäten) und der heterogenen Schülerschaft, wo auch am Gymnasium viele Schüler individuelle Hilfen benötigen, alles zusammenbricht.
Ich beschränke mich mal auf Mathe, auch wenn es noch mehr zu sagen gäbe.