Das bedeutet, wenn ein Schüler während meines Unterrichts Stühle wirft rufe ich erstmal schnell die Kollegen, die Schulleitung und den Schulsozialarbeiter herbei, entscheide dann mit denen, ob ich den Schüler für den Rest der Stunde aus dem Klassenzimmer ausschließe, weil er die anderen Schüler stört und sogar gefährdet, und führe dann den verbleibenden Unterricht weiter fort?
Nein, das bedeutet, dass eine Schule, an der gehäuft derartige Ereignisse auftreten (singuläre Fälle brauchen immer mehr Zeit) einen Automatismus entwickeln muss, wie man damit umgeht, um die Reibungsverluste möglichst gering zu halten. Eins ist z.B. der von einem Sozpäd besetzte TimeOut-Raum, der natürlich in ein stimmiges Konzept zur nachhaltigen Verhaltensänderung eingebettet sein muss. Das ist auch gar nicht so teuer, wie es zunächst scheint; vor allem volkswirtschaftlich betrachtet.
Zitat
Wenn die Ansage klar gemacht ist, dann wird halt im Unterricht ermahnt, vllt. ein 2. Mal, und dann heißt es Konsequenz. Alles andere kostet einfach zu viel Unterrichtszeit. Nach ein paar Mal sollte der Schüler merken, dass er einfach nicht durchkommt mit seinem Verhalten. Wenn sich das trotzdem nicht bessert, kann man ja immer noch Schulleitung und Sozialarbeiter auffahren. Aber nicht während meines Unterrichts!
Siehst du und genau mit diesem praxisfernen Unsinn kegelst du dich selbst aus der Diskussion. Was ist denn dann deine "Konsequenz"? Ah, ins Sekretariat schicken. Was soll denn die arme Sekretärin mit dem Knaben anfangen? Na dann halt zum Schulleiter. Der hat ja sonst auch nix zu tun. Aber wer beaufsichtigt den Schüler auf dem Weg dahin? Und wer in dieser Zeit die Klasse. Na, dann lieber einen Verweis. Nur blöd, dann kann der Schüler sich bald seine Wände damit tapezieren. Der Schulausschluss? Kannst du gar nicht entscheiden. Nacharbeit? Manche Schüler sind froh, wenn sie nachmittags nicht zu Hause sein müssen. Was abschreiben? Macht er halt - oder auch nicht.
Und dann sollte jetzt auch noch der Hinweis erfolgen, dass es zwischen "Schwätzen" und "Mit Stühlen werfen" gefühlt noch 3789 verschiedene Intensitätsstufen gibt, auf denen Schüler Unterricht stören können. Und jede erfordert eine andere Reaktion: verbal, nonverbal, Konsequenzen androhen und selbige verhängen, selbstverständlich immer in Abstimmung mit den Kollegen, etc. pp. Der Stühlewerfer ist der einfachste Fall. Beim ersten Mal einen verschärften Verweis, dann die Androhung der Entlassung und schließlich die Entlassung. Viel schwieriger sind die Schüler, die einfach nie den Mund halten können, eine gefühlte Aufmerksamkeitsspanne im Nanosekundenbereich aufweisen, dafür aber umso mehr Zeit investieren, um mit ihrem Fehlverhalten immer haarscharf unterhalb der Grenze zur Ordnungsmaßnahme zu bleiben.
Es hat schon seinen Grund, dass sich pädagogische Konferenzen darüber nachmittageweise den Kopf zermartern, wie das Einhalten einfacher Regeln in den 7.-9. Klassen gemeinsam durchgesetzt werden kann...
Und der nächste Aspekt wäre dann noch die Lehrerpersönlichkeit: Ich habe an meiner Schule eine Handvoll Lehrkräfte, bei denen die Kinder viel lernen, die sehr beliebt sind und die keinerlei Disziplinprobleme haben. In allen drei Bereichen gibt's jetzt Varianten: Sehr beliebt, Schüler benehmen sich wie ein Sack Flöhe und gelernt wird - naja. Und so geht das weiter. Und jede dieser Lehrkräfte wird ihren eigenen Weg finden müssen, authentisch mit Unterrichtsstörungen umzugehen und das sollte dann möglichst noch ein schulweites Konzept eingebettet sein, damit am Ende des Tages sich alle fair behandelt fühlen.
Gar nicht so einfach, dieses Schulding, auch wenn du es dir anders vorstellen magst...