Ich glaube, dass hier keine neue Spaltung entsteht, sondern sich nur der Graben zeigt, der schon seit Jahren immer tiefer wird. Die Reaktion auf die Pandemie ist quasi nur ein neuer „Anwendungsbereich“ . Zuvor war es die Flüchtlingskrise.
Ich kenne nicht so viele Leute, die deutlich gegen die Maßnahmen sind oder Verschwörungstheorien verbreiten. Natürlich habe auch ich Bekannte, die die Maßnahmen kritisieren und für überzogen halte, aber kaum jemanden, der auf Anti-Corona-Demos geht oder dergleichen.
Aber die wenigen, die ich kenne und die mir in dem Zusammenhang mit ihren Ansichten besonders auffallen, sind allesamt Menschen, die grundsätzlich Autoritäten und die Legitimation der Regierung massiv in Frage stellen und zwar sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite des Spektrums.
Letztlich zeigt sich hier m.E. eine zunehmende allgemeine Unzufriedenheit mit der Politik und dem eigenen Leben bei vielen Menschen, die sich nun eben wieder ein neues Ventil sucht.
Den Ursprung des Konfliktes sehe ich in der zunehmenden sozioökonomischen Ungleichheit, mangelnde Chancengleichheit, unsichere Zukunftsperspektiven. Viele Menschen fühlen sich abgehängt und nicht repräsentiert von „denen da oben“. Gegen Präventionsmaßnahmen zu demonstrieren ist da nur logisch - nach dem Motto: „Jetzt wollen die da oben uns schon wieder kontrollieren, uns ausnehmen, uns unsere Grundrechte wegnehmen“.
Bei manchen schlägt es nach rechts aus, bei manchen nach links, wieder andere beschuldigen die Weltverschwörung. Allen gemeinsam ist, dass sie der Meinung sind, dass die Politik ihnen grundsätzlich nicht zuhört und ihnen eh nur Böses will.
Daher kann es aus meiner Sicht auch keine schnelle Lösung geben. Wir bräuchten ein stärkeres Zugehen auf die Menschen, bessere Bildungschancen für alle, bessere Sozialpolitik, sozioökonomische Maßnahmen, die die Schere nicht immer weiter öffnen.
Von heute auf morgen lässt sich das nicht ändern.
Akut hilft nur, das Gespräch zu suchen, den Leuten zuzuhören, ihre Ansichten nicht nur zu verurteilen, mit Fakten argumentieren. Ihre Meinung werden viele trotzdem nicht ändern, aber vielleicht fühlen sie sich dann zumindest gesehen und gehört.