Hallo Nele,
hier ein Versuch, etwas Empathie für die beschriebenen Mittelschichtsimfskeptiker zu wecken. Und nein, ich bin kein Impfgegner.
Die meisten Familien hierzulande haben nur noch ein Kind, vielleicht zwei. Darum ist der Wert dieser "Lebensprojekte" immens hoch. In Deutschland wird sehr früh geimpft im Vergleich zu den europäischen Nachbarn. Und selbstverständlich kann es auch zu Impfreaktionen kommen, gar nicht mal so selten (Ich rede nicht von Impfschäden, aber die gibt es natürlich auch.) Die Impfreaktionen können von kleinen Rötungen bis zu hohem Fieber und Mittelohrentzündungen reichen. Laut vielen Berichten auf einschlägigen Foren passiert hier der Fehler: die besorgten Ersteltern machen sich auf zum Kinderarzt, machen sich Gedanken über einen Zusammenhang mit der Impfung und dieser wird von vielen Kinderärzten rigoros abgelehnt. Das macht die Eltern stutzig. Viele erleben die Impdreaktionen als sehr heftig, das bisher gesunde Kind ist krank. Für die Eltern durch die Impfung. Da viele Erwachsene kaum noch mit Kleinkindern Umgang pflegen, wirken zwei Fiebertage bedrohlich.
Die Argumente, man solle doch an die anderen Kinder denken, ziehen hier nicht. Dafür gibt es auch ein literarisches Vorbild: in Homo Faber denkt Faber nach dem Schlangenbiss bei Sabeth über die statistische Mortalität bei Schlangenbissen nach, seine Exfreundin kontert, sie habe nicht 12 Töchter, sondern eben nur eine.
Die Krux liegt hier in der Betreuung durch die Kinderärzte: Einfühlsame Beratung, die Versicherung, dass das Kind nicht bedrohlich erkrankt ist (ohne die Sorg als lächerlich abzutun) und auch ein Einräumern, dass es sich zwar um eine Impfreaktion handeln könne, diese aber in den Griff zu bekommen ist, würde viel mehr helfen als jede Impdpflicht.
Dazu müssten die Krankenkassen aber Beratungen der Ärzte auch entsprechend bezahlen.
Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass eine bessere Beratung sinniger wäre als eine Impfpflicht. Das ist Aufgabe der Ärzte, die kaum Zeit für so etwas haben.
Ich hatte kürzlich einen Termin beim Gynäkologen, der mich auf eine mögliche HPV-Impfung für meine Söhne ansprach (die seit diesem Jahr von den Kassen bezahlt wird.) Mir war gar nicht klar, dass auch Jungs geimpft werden sollten. Auch nach meinem Impfstatus hat er gefragt. Ich fand toll, dass er sich die Zeit geommen hat - kein anderer Arzt hat das bisher getan.