Ich finde einige der Beispiele gar nicht so ungewöhnlich und auch nicht zwingend auf ein asoziales Verhalten hinweisend.
Einige Dinge habe ich selbst erlebt. Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie, aufgewachsen in den 70ern.
- Meine Eltern haben mich im Alter von 12 Jahren (zum ersten Mal) 4 Wochen lang zu Hause gelassen, als sie in den Urlaub fahren wollten. Es war zwar noch meine ältere Schwester da, die befand sich mit 16 aber in Ausbildung und war wenig daheim. Ich fand das damals in Ordnung - meine Eltern konnten beruflich im Sommer keinen Urlaub machen.
- Meine Eltern haben in einen Urlaub nur die große Schwester mitgenommen - meine Mutter war frisch in ihren neuen Mann verliebt und ich musste mit der Begründung, ich würde nur stören, bei meiner Oma bleiben.
- Im Umfeld meiner Kinder feiern eine ganze Menge Kinder ihren Kindergeburtstag nicht - aus Glaubensgründen, Desinteresse oder Weltsicht. Das muss man wohl akzeptieren. schlimm finde ich es nicht, halt schade für die Kinder.
- Mein 12-jähriger passt öfter auf seinen kleinen Bruder auf - wenn ich länger in der Arbeit bleiben muss, Elternabende habe etc und der Papa auch nicht da ist. Einen neuen Babysitter (der ehemalige ist jetzt im Studium) haben beide heftig abgelehnt, also haben wir mehrere kleine Probeläufe gemacht. Es klappt.
Meiner Meinung nach hat das Pendel seit den 60er Jahren, in denen man viele Kinder hatte, die einfach mitliefen, bis heute in die Gegenrichtung ausgeschlagen: Kinder (1oder max 2 davon) sind ein Projekt ihrer Eltern, sie werden hoffnungslos verwöhnt, müssen praktisch (Mithilfe zu Hause) wenig selbst machen, aber schulisch/sportlich die überhöhten Ansprüche ihrer Eltern erfüllen.
Meiner Meinung nach patten wir unsere Kinder viel zu sehr und schubsen sie mit dem abi aus dem Nest - und stellen fest, dass wir nie daran gearbeitet haben, dass sie flügge werden. Wir wollen ihnen schon mit 6 Monaten die Welt zeigen, darum schleppt meine Generation schon ihre Säuglinge mit auf Festivals und Fernflüge (wobei sie andere Leute belästigen, von denen wir dann viel Verständnis erwarten). Jede Kleinigkeit führt zu Besuchen bei Kinderärzten, Ergotherapeuten und Logopäden. Man braucht sich nicht wundern, wenn die Eltern das mit der Schule nicht wuppen - es gibt so viele Termine, Zettel und Infos, dass ich es kaum schaffe, unsere Familientermine ohne Sekretärin zu verwalten. Für meine Generation sind die Kinder das Wichtigste, für die Generation meiner Eltern war noch das Wichtigste, dass es den Eltern gut geht.
Und deshalb muss ich hier ganz deutlich zwischen echtem Leid der Kinder und Kleinigkeiten unterscheiden. Wir sollten dringend an unserer Wahrnehmung arbeiten und vielleicht versuchen, die goldene Mitte zu finden.