Häufig wird übertrieben und ganz normales Schauen als angaffen interpretiert. Was weibliche Freunde schon alles in das Verhalten anderer Männer hineininterpretiert haben, wäre witzig, wenn es nicht so beängstigend wäre. [...]
Ja, es gibt beide Versionen. Die sind aber so selten, dass ich die generelle Hysterie nicht nachvollziehen kann. Weder von Männern, die jede Frau/jedes Mädchen für einen Lügner halten, noch von Frauen, die jeden Mann für einen Vergewaltiger halten. Die meisten Männer gaffen nicht ständig Frauen an und vergewaltigen sie auch nicht. Die meisten Frauen beschuldigen Männer nicht der Vergewaltigung (die Tendenz, des Überdramatisierens ist bei vielen Frauen in meinem Umfeld zwar recht stark ausgeprägt, auch durch regen Austausch, der dazu führt, dass sich die Damen in Kleinigkeiten hinein steigern, aber dadurch entsteht ja erst mal kein Schaden, auch, wenn es nervt).
Ich kann tatsächlich sogar nachvollziehen, was du meinst, Schmidt. Und ich würde dir gern zustimmen. Leider kann ich aber diese "generelle Hysterie" (schreckliches Wort aufgrund seiner ursprünglichen Prägung!) durchaus nachvollziehen. Dass du das nicht kannst liegt vielleicht daran, dass du einen Faktor nicht beachtest, nämlich die potenzielle Schadenshöhe.
Analogbeispiel: Wenn ich mich im Urlaub dem Rand einer steilen Klippe mit hohem Gefälle dahinter annähere, dann tue ich das seeeehr, sehr vorsichtig, gehe mitunter garnicht bis direkt an den Rand und halte vllt. jemandes Hand, der hinter mir steht und mir zusätzliche Sicherheit gibt. Wenn ich hingegen nach Schulschluss hinter eine Truppe Trödelschülern, die noch nen Eis schlecken oder im Gehen irgendwelche Sammelkarten tauschen laufe, dann überhole ich die ggf., indem ich auf dem Bordstein entlangtänzle. Obwohl die Situation da eigentlich ein höheres Risiko birgt, dass ich vom Bordstein runterfalle (es ist eng, ich habe nen Rucksack auf und bin schnell unterwegs) tue ich das trotzdem nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich von der Klippe falle, ist ungefähr genauso groß (oder kleiner!) wie die, dass ich vom Bordstein falle, sodass man sagen könnte ich sei doch echt hysterisch, wenn ich nicht in Vollkaracho auf die Klippe zulaufe und am Rand entlangspaziere. Aber nein, es ist nicht hysterisch, sondern vernünftig. Grund: Wenn ich da runter falle, dann ist der Schaden für mich ganz beträchtlich - das weiß ich i.A. aus Berichten bzw. gesundem Menschenverstand. Wenn ich vom Bordstein falle, ist das mehr oder minder egal.
So eben auch im Falle von Situationen, die eine erhöhte Gefahr sexueller Übergriffe auf mich bergen, z.B. eben der Gang durch die Stadt im Dunkeln mit einem Mann hinter mir. Ich weiß absolut, dass bei weitem nicht jeder Mann ein Sexualstraftäter und objektiv die Wahrscheinlichkeit einer Vergewaltigung gering ist. Aber der potenzielle Schaden für mich ist dermaßen hoch, dass ich das Risiko als Frau einfach nicht eingehen kann/möchte. Also bin ich erhöht aufmerksam bzw. vorsichtig, was sich darin ausdrücken mag, dass ich die Straßenseite wechsle oder aber, wie du es erlebt hast, den "Verfolger" direkt anspreche. Du (als nicht sexuell übergriffiger Mann) magst das "hysterisch" und vorverurteilend finden, ich halte es leider für vernünftig nachvollziehbar - mir als Frau ist sehr bewusst, was auf dem Spiel steht.
Ich (als nicht erpresserische Frau) finde es tatsächlich auch völlig unnötig, wenn ein Lehrer meint nicht mit einer Schülerin in einem geschlossenen Raum bleiben zu können. Aber leider kann ich zugleich, wenn ich eben mal den Rollenwechsel vornehme, nachvollziehen, dass auch diese Situation aus Sicht des Mannes eine seltene, dafür aber sehr große Gefahr birgt, und ich kann verstehen, dass man sich ihr nicht aussetzen möchte.
Also: Beide Richtungen der Vorverurteilung sind wirklich blöd für die Betroffenen, leider aber durchaus nachvollziehbar, wenn man in seine Bewertung der Situation nicht nur die Wahrscheinlichkeit eines Übergriffs, sondern auch die potenzielle Schadenshöhe einberechnet.
Mein Rat daher zur Ausgangssituation: Wenn du dich sonst unwohl fühlst, lass erstmal die Tür offen. Nach ein paar Sitzungen wirst du ja sicherlich ein Gespür dafür entwickeln, wer dir da gegenübersitzt und kannst dann ja nochmal überlegen, ob du mit ihr doch in einem Raum bleiben kannst - was mit dem Großteil der Schülerinnen schließlich ganz problemlos möglich sein sollte (so wie ich mit dem Großteil der Männer nachts spazieren kann, aber im Einzelfall erstmal wissen möchte, ob das Exemplar hinter mir diesem Großteil angehört).