Was für mich alleine zählt ist, ob die Schüler den Stoff verstanden haben und ihn beherrschen. Das ist für mich entscheidend und das bewerte ich auch. Und wenn ein Schüler mir in den Klassenarbeiten oder Tests mehrfach beweist, dass er den im Unterricht behandelten Stoff absolut verstanden hat und sehr gut beherrscht, dann bekommt er dafür von mir auch im Zeugnis die entsprechende Note. Ob er im Unterricht sich tausend mal gemeldet oder oder nie ist mir da doch vollkommen egal.
Und was tust du, wenn ein Schüler im Unterricht mündlich top ist, immer aufmerksam, kontinuierliche und qualitativ hochwertige mündliche Beiträge, aber in den Klausuren regelmäßig versagt, weil er vllt. Prüfungsangst hat? Also mündlich 1, schriftlich 5? Gibst du ihm dann auch eine 1, oder doch die 5? Ich finde es aus mehreren Gründen sehr problematisch, dass du dir einzelne Leistungsmerkmale rauspickst, die du bei einzelnen Schülern nicht oder verstärkt zählst.
Der erste ist: Du verstößt gegen die Erlasse zur Leistungsbewertung. Und obwohl ich es befürworte, wenn man diese Erlasse mit einem "pädagogischen Blick" liest und deutet, sollte man ihre Grundstruktur doch nicht ignorieren.
Der zweite ist: Fairness. Kinder, die auch introvertiert sind, aber trotzdem versuchen mündlich mitzuarbeiten und dann vllt. 3 oder 4 stehen werden gegenüber denen, die es garnicht erst versuchen, bestraft. Denn ihre Leistung zählt als mäßige Leistung, während die Nichtleistung der anderen keinerlei Gewicht bekommt.
Der dritte ist: Du erweist deinen introvertierten Schülern einen Bärendienst. Ich selbst war als auch Kind sehr introvertiert, aber immer eine sehr gute Schülern (mindestens nach deinen Bewertungsmaßstäben). Aber natürlich zählte meine mündliche Mitarbeit, und ich habe mir in der fünften Klasse einen Zettel ins Federmäppchen gelegt: "Mindestens 1x die Stunde melden! Tu es für Frau *NameMeinerGrundschullehrerin*" - letztere hatte mir nämlich bei der Verabschiedung das Versprechen abgenommen, mich auch mal freiwillig zu melden, das würde man am Gymnasium brauchen. Ich habe mich also überwunden, und irgendwann habe ich gemerkt, dass das gar nicht so schlimm ist. Die Nervosität hat nachgelassen, ich habe den Zettel durch "Mindestens 2x die Stunde melden!" ersetzt, und bin im Laufe der Zeit im Mündlichen genauso stark geworden wie im Schriftlichen. Hätte ich gewusst, dass das Mündliche letztlich egal ist, solange ich schriftlich gut bin, hätte ich mich niemals überwunden und hätte noch in der Oberstufe Herzrasen, Hitze und Bibberbeine bekommen, wenn ich mich maaaal gemeldet habe. Ich bin meiner Grundschullehrerin und auch meinen Lehrern in der 5 sehr dankbar, dass sie mich bestärkt haben, mich immer noch ein wenig mehr zu trauen und mir über die Noten gezeigt haben, dass sie meine Anstrengung (denn das war es am Anfang!) bemerken und honorieren.