Das halte ich für sehr fragwürdig! Zum einen haben wir auch am Gymnasium immer eine ganze Reihe Schüler, die nach der Mittelstufe die Schule mit Mittlerer Reife verlassen oder z.B. auf ein berufliches Gymnasium wechseln. Zum anderen ist es eine falsche Vorstellung, man könnte deutliche Defizite aus der Mittelstufe in der Oberstufe problemlos aufholen. Die Oberstufe setzt gerade das Wissen der Mittelstufe voraus und meiner Erfahrung nach ist es spätestens nach der E-Phase sehr schwer, parallel zur Masse an Lernstoff auch noch Altlasten aus der Mittelstufe aufzuarbeiten. Gerade in Zeiten des Landesabiturs stehen die Oberstufenkurse unter einem großen Druck, den Stoff "zu schaffen". Und nach dem Motto vorzugehen "Dann holen wir eben wieder auf, wenn die Inklusionsphase beendet ist." halte ich für unverantwortlich und nicht im Sinne der Kinder - und nebenbei eigentlich auch nicht im Sinne einer gelingenden Inklusion! Außerdem ist die intellektuelle Kluft zwischen dem, was die "Regelkinder" und die Inklusionskinder bearbeiten können und sollen am erheblichsten. Und ob es nicht auf Dauer massiv am Selbstbild eines Kindes nagt, wenn alle anderen z.B. einen Text intensiv interpretieren, während es selbst vll. nur ein Bild malen kann, das sich ansatzweise mit dem Thema befasst, oder einen Lückentext ausfüllt, ist auch dahingestellt.
Als Lehrerin an einer inklusiven Gesamtschule, an der deutlich mehr als die Hälfte aller Schüler in die gymnasiale Oberstufe wechselt, kann ich Euch guten Gewissens beruhigen. Die Inklusionskinder bremsen die Regelkinder nicht aus. Im Gegenteil: Der Anteil an Regelschülern, die die Qualifikation für die Oberstufe erlangen, ist in den Inklusionsklassen tatsächlich meist höher als in den Regelklassen ohne I-Kinder. Die Voraussetzung ist natürlich eine entsprechende personelle Ausstattung.