Vielen Dank für eure zahlreichen Antworten. Nach einem Familienwochenende ist mein Frust mal wieder für kurze Zeit etwas besser geworden. Bis dann die Ferien zu Ende sind...
Ich habe mich in den letzten Tagen viel informiert, wie behinderte (oder wie auch immer genannte) Schüler in anderen Ländern beschult werden. Wenn man einmal die polemischen ersten Google-Seiten hinter sich gelassen hat, findet man da sehr erhellende Informationen. Nach und nach habe ich nun einzelne Ideen im Kopf, was in Zukunft nach meiner Meinung als Sonderschullehrerin umgesetzt werden KÖNNTE.
Fakt ist, die totale Integration aller Schüler gibt es nirgendwo auf der Welt. Länder die gar keine Sonderschulen mehr haben (z.B. Italien), haben in der Regel keine Schulpflicht (Italien!) und können schwer behinderte (sowohl geistig wie auch im Verhalten) Kinder einfach ausschulen. Schöne heile Welt ohne Sonderschulen... Dieses Modell ist für mich NICHT nachahmungswürdig und ist auch keine ehrliche Inklusion. Zumal die Förderung in Italien in den Regelschulen überwiegend als desaströs bezeichnet wird.
Andere europäische Länder (Frankreich, Schweden, Finnland) beschulen zwar fast alle Kinder unter einem Dach, aber nicht ausschließlich in einer Klasse. Und genau dieses Modell scheint für mich ein möglicher Weg sein. Hinzu kommt in Finnland z.B. die sofortige intensive Einzel- und Kleingruppenförderung durch Sonderpädagogen ab dem Vorschulalter bzw. der 1. Klasse.
Folglich halte ich ein System in Form von Schulzentren für realistisch. D.h. Schwer mehrfach behinderte und geistig behinderte Schüler werden an Schwerpunktschulen in sogenannten Kooperationsklassen unterrichtet. Soziale Inklusion findet auf dem Pausenhof, in der Mittagspause und durch gemeinsame Projekte und Vorhaben statt. Gleiches gilt für Schüler mit massiven Verhaltensauffälligkeiten.
Ich kann mir jedoch durchaus vorstellen dass vor allem Grundschulen mit ausreichend Sonderpädagogen versorgt werden und Kinder mit L-, V- und S-Bedarf erst mal regulär ein erstes Schuljahr besuchen. Der Förderschullehrer beobachtet von Anfang an intensiv ALLE Schüler und interveniert sofort bei auftauchenden Lern-, Verhaltens- und Sprachproblemen. Diese Intensivmaßnahme kann dann innerhalb des Klassenraums, als Einzel- oder auch als Gruppenförderung in äußerer Differenzierung stattfinden. Sobald ein betroffener Schüler seine Lücken geschlossen hat, geht er im betroffenen Fach wieder in den normalen Unterricht zurück. Diese Form von kurzzeitiger Intensivförderung steht allen Kindern offen. So können sich m.M.n. viele "Lernbehinderungen" verhindert werden. Schüler bei denen diese kurzzeitigen Maßnahmen nicht zum erfolg führen, werden weiterhin sonderpädagogisch überprüft. Bei Zuweisung eines Förderbedarfs erfolgt ggf. zieldifferenter Unterricht, der z.T. im Klassenverband aber auch in kleinen Förderklassen parallel stattfinden kann. Durch die ggf. notwendige Bildung von Förderklassen können dann auch die Regelschüler ungestört von v.a. verhaltensgestörten Kinder gut und konzentriert lernen. Dem Förderlehrer kommt dann die Aufgabe zu, in Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe und Psychologen bei diesen Kindern evtl. ein Verhaltenstraining durchzuführen. Durch diese extrem frühe und sehr intensive Förderung könnten wahrscheinlich einige "behinderte" Schüler im Laufe der Grundschulzeit wieder ihre normale Klasse besuchen. Die Kosten für die Sonderpädagogen in den Grundschulen sollten sich auf Dauer gesehen dann rechnen.
Sekundarschulen (hier v.a. integrierte Gesamtschulen) sollten jedoch ebenfalls Förderstunden erhalten, aber vielleicht nicht mehr im ganzen Umfang der Grundschulen. Schwer mehrfach behinderte, geistig behinderte und stark lern- und verhaltensbehinderte sollten jedoch auch hier weiterhin an Schwerpunktschulen wenigstens z.T. in Förderklassen unterrichtet werden. Inklusion sollte wiederum durch gemeinsame Aktivitäten geschehen.
Wenn Förderschulen in Schulzentren integriert werden, aber weiterhin "separierend" arbeiten dürfen, wäre allen Kindern geholfen.
Dieses System von Inklusion halte ich für praktizierbar, da die behinderten Kinder sozial in einer Gemeinschaft integriert werden, aber auch individuell nach ihren Bedürfnissen lernen können. Geschützte Räume bleiben vorhanden, aber es wäre mehr Durchlässigkeit gegeben. Ob man mit einem reinen Schwerpunktschulsystem arbeitet oder auch mit Einzelinklusion an jeder noch so kleinen Schule, bleibt letztendlich eine Frage der Finanzierbarkeit.
Ach ja, Gymnasien und gymnasiale Zweite sollten weiterhin Gymnasiasten und leistungsfähigen Schülern mit Beeinträchtigungen vorbehalten bleiben. Alles andere wäre eine Farce, bei der letztendlich auch noch die Haupt- und Realschüler diskriminiert würden.