Obwohl ich eine Frau bin, finde auch ich, dass die Mütter bzw. die Eltern der vorangegangenen Generation ihren Anteil daran tragen.
Meine eigenen Eltern haben bis zu meinem 6. Lebensjahr auch nach eher traditionellem Rollenbild gelebt. Obwohl meine Eltern beide Studiert haben, ist meine Eltern nach der Geburt meines großen Bruders zu Hause geblieben. Dann sind meine Eltern wegen dem Beruf meines Vaters von Westberlin nach Frankfurt gezogen. Nun hat mein Vater dort als Flugingenieur und später Pilot bei einer sehr großen Firma gearbeitet und viel Geld verdient. Meine Mutter war Lehrerin und ihre Versetzung von Westberlin nach Hessen wurde 9 Jahre (!) lang abgelehnt. Erst als sie genehmigt werden musste laut Gesetzt, hat man ihrem Wunsch stattgegeben.
Dann haben sich meine Eltern relativ gleichberechtigt um uns Kinder gekümmert. Meine Mutter hat sich jedoch immer verstärkt um die "typisch weiblichen" Themen wie Schule, Verabredungen, Kinderkleidung, Verabredungen, Geschenke etc. gekümmert. Mein Vater hat eher die männlichen Tätigkeiten übernommen, also Renovieren, Auto reparieren usw. Putzen haben die beiden immer gehasst und um Ehekrach zu vermeiden gab's eine Putzfrau.
Bei meinem Bruder ist das sehr interessant. Er erzieht und betreut die Kinder soweit es geht gleichberechtigt und gerne. Da er aber unter der Woche oft weg ist, ist es ein bisschen so wie bei meinem Papa. Entweder ganz weg oder ganz da und dann wird sich auch richtig intensiv gekümmert. Bei den sonstigen familiären Tätigkeiten übernimmt mein Bruder auch vermehrt die "männlichen Tätigkeiten". Mit den oben genannten "weiblichen Tätigkeiten" kann er irgendwie nicht so richtig etwas anfangen. Im Notfall macht er es aber dann doch. Auch hier gibt es eine Putzfrau.
Ich als Tochter habe Spaß an den "typisch weiblichen Tätigkeiten" und es stört mich nicht. Da ich jedoch alleinerziehend bin, übe ich mich zunehmend auch an männlichen Tugenden. Man muss halt selbst ran. Eine Putzfrau habe ich dann aber auch. Ist wohl genetisch bedingt ;-).
Ich finde, dass meine Eltern meinen Bruder also schon zu einem guten Mann und Vater erzogen haben. Und auch mir haben sie beigebracht, dass man als Frau mehr kann, als die klassischen Tätigkeiten. Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar. Denn ich bin alles andere als abhängig und darauf sehr stolz.
Mein Ex-Mann wurde sehr sehr klassisch erzogen. Der Vater war Arzt und hat viel Geld verdient. Die Mutter war Hausfrau und hatte keine Arbeit. In dieser Familie war der Vater eine Art Patriarch, der zusätzlich bei der Kindererziehung und im Haushalt keine Pflichten hatte. Die Mutter hat in diesem Bereich jegliche Verantwortung übernommen. Mein Ex-Mann hat sich das Leben genauso vorgestellt und nie geschafft, Verantwortung zu übernehmen. Alles blieb an mir hängen. Ordnung und Haushalt sind ihm bis heute zum Teil ein Fremdwort. Auch die Betreuung seines Kindes nach der Scheidung ist nicht wirklich überragend. Er kümmert sich nach Aufforderung. Ansonsten lebt er wieder ein nettes Singleleben ohne Verantwortung. Hin und wieder fällt ihm sein Kind ein, dann meldet er sich auch mal telefonisch. Seine Freizeitgestaltung hat aber mehr Priorität als sein Sohn. Leider hat er nie soviel Geld mit nach Hause gebracht, dass er sich hätte als Familienpatriarch aufspielen können. Er wäre es aber gerne gewesen. Ich glaube, das Bild, dass er von seinem Vater hat, gefällt ihm eigentlich sehr gut, da es sein Leben einfacher und angenehmer gemacht hätte. Leider funktionieren diese traditionellen Vorstellungen aber nicht mehr, wenn die Frau auch arbeiten gehen soll, damit mehr Geld da ist und man sich mehr leisten kann. Denn genau an diesem Punkt kommt dann die Überlastung der Frauen ins Spiel.
Ich bin mir also sehr sicher, dass die Erziehung einen großen Anteil am heutigen Verhalten von Männern und Frauen in Bezug auf die Rollenverteilung hat. Die Verantwortung tragen jedoch nicht alleine die Mütter, sondern auch die Väter. Aber ist eben schwierig, sich von erlernten Verhaltensweisen zu verabschieden, vor allem, wenn sie eigentlich sehr bequem sind. Und genau deswegen wird es noch viele Jahrzehnte dauern, bis sich wirklich etwas ändert.
Trotzdem glaube ich, dass es da auch noch eine gewisse genetische Komponente gibt. Denn ich könnte mich innerlich nie so von meinem Kind lösen, wie mein Ex-Mann es getan hat und es offensichtlich viele (nicht alle!) Männer können.