Zitat
Original von Steffchen79
... Da hat die Rechtschreibung aber schlechte Chancen weil es heutzutage einfach nicht mehr "cool" ist, gut in irgendeinem schulischen Bereich zu sein. ...
Hallo Steffchen!
Craff ist schon darauf eingegangen und ich ergänze nur:
Wenn man schon während der ersten Schuljahre eine "Kultur des Wissens" pflegt, kann man solche Bezeichnungen wie "Streber" u.ä. vermeiden und wenn man erwähnte "Kultur" auch in weiteren Jahren pflegt, werden die "Streber" als klug angesehen.
Natürlich muss man, wenn ein "Streber" hochmütig wird, diesen auch wieder auf den Teppich holen.
Ein anderes Beispiel, dass auch fast erwachsene Sonderschüler sehr nach Ansehen dürsten UND, dass man diesen "Durst" nutzen kann. Dazu eine kleine Geschichte, die hier aber sehr lang erscheinen kann.
Zwei Jahre lang hatte ich auch Schüler, die mit einem Sonderschul-Abschluss an die Berufsschule gekommen waren. Die Klasse nannte sich selbst „Die Barbaren“.
Diese großen Bengels erhielten später ihren „kleinen Gesellenbrief“ als sogenannter „Metall-Werker“, weil er auf einer etwas vereinfachten Ausbildung beruhte.
Trotzdem forderte ich von ihnen so viel, wie nur möglich war und sie zeigten immer bessere Fortschritte.
Nach ungefähr einem Jahr begannen die Jungs, sich bei mir zu beschweren: Das sei ja alles schön und gut, aber irgendein Meister hätte zu ihnen gesagt, dass man mit dem kleinen Gesellenbrief sowieso nichts anfangen könne.
Man sei also kein richtiger Schlosser und in der Prüfung würde darum auch nicht genau auf den Zehntel-Millimeter hingeschaut. Lernen wäre also für die Katz usw.
Anders ausgedrückt lag die Truppe moralisch am Boden und guter Rat war teuer.
Die Barbaren vertrauten mir und trotzdem half kein verbales Beteuern, dass sich dieser Meister vielleicht geirrt haben könnte oder die Barbaren nur ärgern wollte.
Glücklicherweise war es ein schöner und warmer Tag und einige der jungen Männer hatten schon selbst ein Auto auf dem Schulparkplatz stehen.
So beschloss ich kurzerhand eine vierstündige Exkursion und wir fuhren zuerst zu einer großen alten Eisenbahnbrücke, dann zu einem Baukran und danach zu einem ruhigen Plätzchen an einem großen eisernen Wehr.
Ich ließ die Jungs lange im Unklaren über meine wahren Absichten und wir betrachteten Versteifungen, Hebelverhältnisse, Nieten, alte Gewinde und vieles mehr.
Als wir uns dann aber auf der Wiese neben dem rauschenden Wasser des Wehrs niedersetzten und die Welt, so wie sie war, ganz in Ordnung fanden, begann ich folgenden Dialog.
Ich: „Ist auch mal schön, ... so ein Unterricht.“
Barbaren: „Ja, das müsste immer so sein.“
...
I: „Habt Ihr die riesigen Nieten gesehen und die wahnsinnigen Längen?“
B: „Klar, ... und die sehen ziemlich grob aus.“
I: „Fachfrage: Wie groß sind die Toleranzen im Zehn-Meter-Bereich?“
B: „So um die fünf Millimeter.“
...
I: „Geht Euch ein Licht auf, warum wir uns das alles angeschaut haben? Nur noch eine Frage: Wer soll denn das alles bauen, die Hundertstel-Dreher oder die Edelschlosser?“
Anmerkung: Weil die Dreher und Schlosser den Barbaren gegenüber etwas überheblich waren, hatten die Barbaren Begriffe wie „Die Edelschlosser“ erfunden.
Der Einfall zur Exkursion kam mir, als ich vor langer, langer Zeit bei einem Ferien-Job über die stupide Arbeit einem älteren Kollegen gegenüber Dampf abließ: „Das ist Arbeit für Idioten.“
Ich dachte dabei nicht so weit, dass dieser alte Arbeiter diese Arbeit schon sein ganzes Leben lang machte und sich vielleicht beleidigt fühlen könnte.
Der alte Kollege schaute mich nur etwas seltsam an und sagte sinngemäß: „Aber irgendeiner muss es doch machen. Der Direktor holt die Aufträge herein, weil er das viel besser kann...“
Damals schämte ich mich sehr und wahrscheinlich habe ich es darum nicht vergessen können.