Eigentlich wollte ich in's Bett gehen, aber Bolzbolds Fragen ließen sofort eine Erinnerung bei mir aufsteigen.
Eines Tages, wir hatten wieder einen neuen Lehrgang "kaputter" Schüler begonnen, traf ich einen Kurden (damals 23 Jahre alt) auf dem Gang. Der junge Mann war eigentlich nicht der übelste, hatte aber eine vorlaute Art.
Dieses Vorlaute ließ ihn allzu oft im Unterricht dazwischenreden, was besonders störte, wenn sich gerade ein anderer Schüler bemühte, ein Ergebnis zu finden.
Also, und das ist meine Art, ging ich auf den Mann zu, tippte ihn auf die Brust und sagte ungefähr: "So, Alter, nun mal unter uns! Wenn Du noch einmal..."
Weiter kam ich gar nicht, denn mein Gegenüber fing sofort an zu schreien: "Seht ihr? Der hat mich angefasst, der hat mich angefasst!"
Ich hob beide Hände halb hoch und sagte gar nichts und das war wohl ein Fehler, denn nun packte er mich am Kragen und schrie: "Jetzt darf ich Sie auch anfassen!"
Was ich nun tat, war genauso instinktiv. Ich sagte einfach: "Bitte, bitte! Macht's Dir Spaß?"
Im nächsten Moment kamen aber zwei andere kurdische Schüler und rissen ihren Kameraden zurück. Dann tuschelten sie miteinander und die Sache war für diesen Tag erledigt. Der 23jährige mied mich in der nächsten Zeit und ich ließ ihn im Unterricht in Ruhe. Er war auch nicht mehr so vorlaut.
Es musste aber erst zwei Wochen lang dauern, dass er kam und um Entschuldigung bat: "Es tut mir leid. Aber kurdische Männer lassen sich nicht gern so antippen. Das ist erniedrigend. Da bin ich eben durchgedreht."
Ab diesem Tag waren wir "beste Freunde" und er riss sich fast ein Bein heraus für mich.
Wie es mir an diesem bewussten Tage ging? Im Moment des Angriffs war ich zwar ruhig, hatte ich doch instinktiv beide Hände in Bereitschaft gehoben. Aber ich war noch eine Weile danach ziemlich aufgeregt wegen des Adrenalin-Schubs, hätte es doch sein können, dass ich mich auch körperlich hätte verteidigen müssen.
Auch glaube ich, richtig gehandelt zu haben, denn das Heben beider Hände sollte nach außen hin zeigen, dass ich "die Hände hebe."
Allerdings habe ich einen Fehler begangen und den hatte mir mein späterer kurdischer Freund erklärt. Die gleiche Erklärung erhielt ich auch von anderen Kurden, die ich unabhängig und später fragte.
Man lernt eben nie aus.