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Tut euch das nicht an, wenn Deutschland meint, es sei gut junge, motivierte Lehrer im Ref. menschenunwürdig fertig zu machen, dann kann das Schulsystem auch auf euch verzichten!
Kopf hoch, macht euch nicht kaputt!!!!
Angie
Hallo Angie,
ich kann dir nur beipflichten. Aber nicht nur junge Lehrer werden menschenunwürdig fertig gemacht.
Eigentlich bin ich Diplomlehrer für Mathe-Physik seit 1982. Von 2001 bis 2003 habe ich dann mein Referendariat (2. Staatsexamen) wiederholt, um in Berlin eine Anstellung zu bekommen, weil das Berliner Schulamt unsere "Ost"-Ausbildung nur als 1. Staatsexamen anerkannt hat. Aber das ist eine andere Geschichte. Was ich hier im Forum gelesen habe kann ich nur bestätigen. Das Referendariat war für mich die Hölle. Es war für mich so schon schwer genug, mit über 40 Jahren nochmal ein Studium zu absolvieren. Ca. 5000 Euro hat mich der "Spaß" gekostet, denn ich hatte einen eigenen Hausstand hatte und alleinerziehend war. Da ich aus dem Förderungsalter raus war, musste ich u.a. ca. 200€ Krankenversicherung zahlen von den ca. 1000 € Besoldung während des Referendariats. Dann kamen noch 600€ für die Miete. Von den Kosten für die Seminar-Lektüren, die gefordert wurden, und den Fahrkosten ganz zu schweigen. Jedenfalls blieben nach Abzug aller Unkosten "minus" 50 € am Monatsende. Und da waren noch keine Lebensmittel enthalten.
Aber zurück zum Thema. Die menschenunwürdige Behandlung während des Referendariats kann ich nur bestätigen. Da ich bereits viele Jahre als Lehrer tätig gewesen bin, viel es mir schwer den ganzen theoretischen Kram, der fernab der Realität war, in meinen Kopf zu bekommen. Man wollte keine Erfahrungen aus der Praxis in den Seminaren hören. Als Mathe-Seminarleiter hatte ich einen Grundschullehrer, der mir erklären wollte, wie ich im Sekundarbereich zu unterrichten habe. In unserer Seminargruppe waren 21 zukünftige Grundschullehrer und 5 zukünftige Sekundarschullehrer. Da kannst du dir ja vorstellen, wieviel wertvolle Infos ich für den Sek I Bereich erhalten habe. Die sogenannten Vorführstunden waren die reinste Schikane. Nicht genug, dass im Unterricht 13 Referendare (Mathe-Seminar 14 Referendare) im Unterrichtsraum zusätzlich saßen. Den Schülern untersagt man das "Quatschen" im Unterricht und der Seminarleiter redet während des Unterrichts mit den Referendaren. Dann laufen die 13 Leute auch noch bei einer Übungsaufgabe im Raum herum unter dem Vorwand, dass man sehen will, wie die Schüler arbeiten, um dann auch noch mit den Schülern zu reden. Wie soll bei so einer Unruhe ein Schüler in Ruhe arbeiten können. Die anschließende Auswertung war dann die reinste Schikane. Vorallem durfte man dann noch die Leute bewirten mit Kuchen oder belegten Brötchen und Getränken wie Kaffee, Saft und Wasser. Was das für 13 bzw. 14 Leute gekostet hat, kannst du dir sicher vorstellen.
Meine Examensarbeit habe ich in Physik geschrieben. Ich hatte einen Seminar-Leiter, der so eklig war. Nicht nur das er fettige Haare und eine Menge Haarschuppen auf den Schultern hatte, auch seine Unterrichtsstunden, in denen er uns zeigen wollte, wie es richtig geht, waren unterste Schublade. Seine Rechtschreibung ließ auch sehr zu wünschen übrig. Da meine Rechtschreibung nach der Reform auch nicht die Beste war, hatte ich meine Arbeit von jemandem Korrigieren lassen, der selbst mehrere Jahre Schulrat war, einen Doktor-Titel hatte und ehemaliger Deutsch-Lehrer war. Außerdem hat ein zweiter, noch amtierender Schulrat, der Ma-Ph-Lehrer war, meine Arbeit durchgesehen. Beide kommen aus einem anderen Bundesland und sind befreundet). Meine Arbeit dürfte also keine Rechtschreib- oder Grammatikfehler gehabt haben und beide habe meine Arbeit als gut bis sehr gut eingeschätzt. Bei der Bekanntgabe meiner Prüfungsergebnisse bin ich dann vom Glauben abgefallen. Er hatte meine Arbeit mit 5 bewertet und nur durch die anderen Prüfungen habe ich das Referendariat bestanden. Ich habe mein recht wahrgenommen und mir die Begründung vorlesen lassen, was wohl eigentlich nicht üblich ist. Die Begründung waren "massive Rechtschreib- und Grammatikfehler" und das der Theorieteil zu praktisch und der Praxisteil zu theoretisch war. So eine schwachsinnige Begründung. Naja, der knallrote Kopf und das Gestottere beim Vorlesen der Begründung von dem Physik-Seminarleiter sagt wohl alles. Obwohl ich damals die Rückgabe der Examensarbeit-Kopien vom Senat angefordert habe, denn nur das Original bleibt im Archiv, habe ich diese bis heute nicht erhalten. Warum wohl nicht. Aber ich habe für mich auch ein Exemplar anfertigen lassen, denn es musste ja alles beim Buchbinder in Form gebracht werden (hohe Kosten). Der Physik-Seminarleiter war nur sauer, weil ich seinen Lieblingautor in meiner Arbeit kritisiert habe und andere Autoren ihm vorzog. Sein Lieblingsautor behauptete nämlich, dass man ein Arbeitsblatt nimmt und seinen Unterricht dazu aufbaut. Ich bin aber der meinung, dass ich die Besonderheiten der Schüler beachten muss und darauf meine Unterrichtsvorbereitung ausrichte. Und erst wenn der Unterrichtsverlauf und die Inhalte feststehen, erstelle ich mein eigenes Arbeitsblatt, welches meinen Vorbereitungen angepasst wird, und nicht umgekehrt.
Entschuldige, ich bin vom Thema abgewichen.
Wer im Referendariat schon psychische Probleme hat, sollte den Beruf lieber nicht ergreifen. Ich habe es bitter bereut. Ich war sehr selbstbewusst und über viele Jahre ein guter Lehrer, denn die Schüler mochten mich, obwohl ich streng war, was Ordnung und Disziplin betraf. Doch während des Referendariats haben es die Seminar-Leiter, die selbst nicht viel besser als wir waren, geschafft, dass ich 15 kg abgenommen habe und zu einem seelischen Frack geworden bin. Mit meiner Gesundheit ging es immer mehr den Bach runter. Schikanen und Mobbing an den Schulen sind in meinen Augen an der Tagesordnung. Es wird immer nur über die "armen" Schüler geredet, die ja oft "kein schönes Elternhaus" haben. Man kann doch nicht alles mit schlechter Kindheit oder schlechtem Elternhaus entschuldigen. Mittlerweile haben Schüler und Eltern mehr Rechte als Lehrer. Die neue ISS (Integrierte Sekundarschule) in Berlin macht die Lehrer kaputt. Schüler, die etwas lernen möchten, was immer weniger werden, schwimmen dann irgendwann mit dem Strom und verbauen sich ihre Zukunft, weil die "Chaoten" mittlerweile das Schulleben der Schüler und Lehrer bestimmen. Mittlerweile bin ich zu 50% Schwerbeschädigt und die Schikanen an der Schule (z.B. wird es von der Schulleitung als "dummer Jungenstreich" abgetan, wenn ein Schüler mich an den Galgen malt, meinen Namen dazu schreibt und in der Klasse rumgehen lässt; ständige Beleidigungen von Schülern werden so hingestellt, dass man es selber provozieren würde; Vertretungsstunden bekommt man in Klassen, in denen man sonst keinen Unterricht hat usw.) haben mich in den Suizid getrieben. Nur durch einen Zufall (wurde leider zu früh gefunden) bin ich heute noch am Leben und seit dem Vorfall krankgeschrieben. So etwas wünsche ich keinen Menschen. Wo ist da die Einhaltung des §1 des Grundgesetze, "die Würde des Menschen ist unantastbar", wenn die Würde eines Lehrers täglich "mit Füßen getreten wird"?
Daher könnt ihr mir glauben, wenn ich sage, dass man den Beruf nicht ergreifen soll, wenn man im Referendariat bereits Probleme hat. Ihr werdet nicht froh in eurem Leben.
Das heutige Schulsystem in Deutschland ist in meinen Augen von sogenannten Fachleuten entwickelt worden, die selbst nie mit der täglichen Realität an den Schulen in den letzten Jahren zu tun hatten. Wenn ich dann höre, "wir waren selbst jahrelang Lehrer und wissen, wovon wir sprechen", könnte ich "an die Decke" gehen. Wahrscheinlich waren die das letzte mal vor 10 oder 15 Jahren im Unterricht.
Wenn sich nicht schnellstens etwas ändert im Schulsystem (mehr Rechte für Lehrer, mehr Fürsorgepflichtverhalten der Schulleitung gegenüber Lehrern, weg von der Binnendifferenzierung und zurück zur Außendifferenzierung usw.) werden alle noch ihr "blaues Wunder" erleben, denn dann werden zukünftig Eltern und Schüler bestimmen, was und wie in der Schule unterrichtet wird. "ARMES DEUTSCHLAND".
Die Politiker sollten sich mal fragen, warum wir kaum noch eigene Fachkräfte haben und so viele Schüler die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Da wird dann ganz einfach die Schuld auf die "dummen Lehrer" geschoben.
Ich kann doch auch nicht einen kranken Baum heilen, indem ich seine Krone behandle oder vielleicht noch einen Teil des Stammes. Ich muss die Wurzel heilen und nur so kan der Baum wieder gesund werden.