In
der Tat, zum konfessionell gebundenen oder konfessionell übergreifenden Unterricht hatte ich mich noch nicht geäußert, weil das ja auch gar nicht die
Frage war. Im Gegensatz zu Entchen bin ich der Meinung, dass man ruhig konfessionell übergreifenden Reliunterricht anbieten könnte, zumal die meisten Schülerinnen und Schüler sowieso kein besonders ausgeprägtes konfessionelles Bewusstsein haben - einige wenige Schüler bilden da eine Ausnahme, und einige "freikirchlich geprägte" Regionen ebenfalls. Es finden sich bei vielen Schülern noch "konfessionelle Spuren", derer sie sich nicht
bewusst sind, die man als halbwegs sensibler Lehrer aber spürt und für den Unterricht "zu Tage fördern" kann.
Was Entchen schreibt ist die offizielle Begründung für den konfessionell gebundenen Unterricht, und sie hat auch was für sich, denke ich, wenn auch sie
mich nicht ganz überzeugt. Ich hatte mal "höhere Tiere" in der Kirche und (als Student) zwei Professoren auf die Frage des konfessionell gebundenen
Religionsunterrichts angesprochen und ich habe herausgehört, dass der wirkliche Grund scheint, dass man doch ein bisschen um Bestandserhaltung der jeweils eigenen Kirche bemüht ist; man möchte offensichtlich, dass "es" nicht noch weiter einreißt und dass die Schüler nicht mal mehr formal durch die
Aufteilung in ev. Reli und kath. Reli an der Schule von den beiden Konfessionen erfahren... Und das in Zeiten (angeblich) gelebter Ökumene... Naja, mich persönlich stört das nicht, aber ein bisschen komisch ist das schon.
Aber noch zwei Punkte zu kl.gr. Frosch:
1. Es mag ja richtig sein, dass der konfessionell gebundene Reliunterricht in schulorganisatorischer und finanzieller Hinsicht deutlich aufwendiger ist als
allgemein christlicher Religionsunterricht es wäre; ich glaube, das hattest Du schon mal im Forum geschrieben. Aber das ist natürlich kein Argument, denn sonst könnte man ja quasi alles abschaffen, was Geld kostet: z.B. den Sportunterricht, weil die Sportlehrer so teuer bezahlt werden die Kinder lieber nachmittags zum Fußball gehen sollten als Sport in der Schule; dann hätte man auch viel Geld gespart. Argumentieren müsste man also schon mit inhaltlichen Argumenten.
2. Es ist natürlich richtig, dass der schulische Reliunterricht der Kirche hilft: Nicht unbedingt direkt, aber immerhin wird die Religion lebendig
gehalten und somit indirekt dafür gesorgt, dass die Verbindung zwischen Jugendlichen, Christentum und Kirche nicht ganz abreißt. Man muss aber betonen, kl.gr.Frosch, dass das Ziel des Staates eine religiöse Bildung ist in dem anthropologisch-philosophischen Sinn, den ich in meinem letzten Beitrag zu beschreiben versucht hatte; und wenn nun mal die Mehrheit der Schüler christlich ist, ja, dann passiert diese religiöse Bildung vom Christentum aus. Aber es gibt ja auch schon islamischen Unterricht, der ist ja auch vom Staat finanziert: Es gibt einige wenige Unis, die das schon als Lehramtsfach ausbilden, und die Lehrer sind dann auch staatlich bezahlt.
Es ist ein schmaler Grat, aber dennoch kann man sagen, dass der Staat religiös neutral ist trotz des dezidierten Interesses, christlichen / islamischen Religonsunterricht anzubieten.
Und noch zwei Punkte zu philosophus:
1. Ja, das Reichskonkordat, da hast Du schon Recht. Auf evangelischer Seite haben wir als den wichtigsten Staatskirchenvertrag den Loccumer Vertrag von 1955.
2. Ein allgemeiner Werteunterricht oder eine Art "Religionskunde" oder sowas, vieles ist denkbar. Warum ich für Religionsunterricht bin:
Religionsunterricht bedeutet, dass man die gesamte Religion irgendwie zu erfassen und zu verstehen versucht, dass man auch das eine oder andere
religiöse Element im Unterricht mal ausprobiert (wofür es natürlich keine Noten gibt). Religionsunterricht ist nicht Unterricht ÜBER eine Religion, sondern aus einer bestimmten Religion heraus. Das führt dann dazu, dass die Urteile - egal, ob es um das Thema Kirche, Ethik, Menschsein, Aufeinandertreffen von Religionen, Tierschutz, oder was weiß ich, dass diese Urteile irgendwie viel überlegter, tiefgehender, menschlicher und differenzierter sind. Weil man eben nicht schlauschwätzerisch sich ÜBER Christentum und Kirche stellt und sagt: Die sagen das, die sagen das, und ich sage das, sondern dass man das viel mehr nach einer theologischen Beschäftigung mit dem Thema eben umfassender durchdrungen hat. Ich behaupte, dass die religiöse Dimension des Menschen im Religionsunterricht ernster genommen wird – wenn auch eine unreflektierte Religiosität natürlich nicht akzeptiert wird. Deshalb werden eben auch religiöse Argumente ernster genommen, so wie es in Werte und Normen wahrscheinlich nicht der Fall sein kann. Nun könnte man natürlich kommen und sagen: Ja, aber warum das Christentum und nicht die anderen Religionen... ? Ja, weil das Christentum nun mal einen prägenden Einfluss auf unserer Denken (immer noch) hat. Man muss nicht alles toll finden, was von Christentum und Kirche kommt, aber man sollte sich ernsthaft und vertieft damit auseinander setzten; zumindest dann, wenn man Religion gewählt hat und nicht Werte und Normen.
Ich möchte aber nicht hochmütig daherreden, ich möchte nicht sagen, dass deshalb die Leistungen von Schülern, die Religionsunterricht haben, automatisch „intellektueller“ sind, oder sowas. Ich möchte nur sagen, warum ich Reliunterricht wichtig finde, auch zukünftig.
Hamilkar