Warum gleich so grob von allen Seiten? Hab ich irgendeinen Vorlauf verpasst? Aktenklammer fängt damit an, sich unspezifisch über Besserwisserei aufzuregen, und dann wird brav von beiden Seiten in die etablierten Löcher nachgekeilt. Spannender finde ich die Überlegungen, was man denn nun wirklich an der Lehrerausbildung verbessern sollte. Mal zum Träumen:
- Robischons Vorschlag des "Lernens über das Lernen" möchte ich aufgreifen, weil das zumindest bei der Gymnasialausbildung (bei den Lehrern und Refis, mit denen ich mich darüber unterhalten habe) maximal in einer relativ abstrakten Form von Lernversuchen an Mäusen und Ähnlichem eine Rolle spielt - die Vorträge über moderne Erkenntnisse der Lernforschung haben unsere Studienseminarleiter uns überlassen, weil sie sich da nicht auskannten. Das wäre etwas, das man als festen Teil des Studiums/ der Seminarausbildung genauso verbindlich machen müsste wie das Fachwissen. (Weiterhin wünschenswert wäre ein Ausbau der empirischen Unterrichtsforschung, aber das ist ein anderes Thema).
- Ein weiterer Zweig wäre Training der Kommunikationskompetenz - und damit meine ich nicht die abstrakten Kommunikationstheorien, sondern konkretes, handlungsorientiertes Training zu Schüler-, Eltern- und Lehrergesprächen. Jeder Psychologe, jeder Sozialarbeiter, jeder Mitarbeiter aus dem Personalbereich, jeder halbwegs hochwertige Verkäufer (na gut, jedenfalls die meisten) bekommt ein solches Training, warum Lehrer nicht? Sie kommunizieren den ganzen Tag, teilweise mit sehr ungeklärten Rollenvorstellungen; hier sehe ich einen Ansatzpunkt.
- Zum Zankapfel Lernstörungen: Kein Elternteil kann erwarten (und die meisten, die mir bislang über den Weg gelaufen sind, tun es auch nicht), dass ein Lehrer für ein in irgendeiner Form lernbehindertes oder auch nur lerneingeschränktes Kind ein komplettes Sonderprogramm fährt - bei Unterrichtsverantwortung für 150 - 300 Kinder (volle Stelle Gymi, je nach Fach), die jede Woche halbwegs guten Unterricht sehen wollen, geht das nicht. Aber ein Verfahren nach dem Hausarztprinzip (ich sehe Symptome, die auf eine Einschränkung hindeuten könnten, und verweise an den "Facharzt") sollte drin sein. Soooo schwierig scheint mir das nicht zu sein - ich würde im Nachhinein gern mein EWS-Seminar über das sokratische Gespräch gegen ein Überblicksseminar zu typischen Lernstörungen eintauschen, gab's nur leider an unserer Uni nicht. Der "Facharzt" könnte sinnvoll diagnostizieren, mit den Eltern ein Lernprogramm ausarbeiten und in einer Mitteilung den Lehrer informieren; soweit sich das Sonderprogramm im Rahmen hält und in den normalen Unterricht integrierbar ist (z.B. Nachsicht bei schlechter Handschrift, verbesserter Sitzplatz wegen Sehschwierigkeiten etc.), müsste das gehen. Und da die Lehrer ja dann ein Kommunikationstraining hinter sich haben, fühlen sie sich auch nicht mehr auf den Schlips getreten.
Was all das leider nicht ändert, sind die Krankheiten des Schulsystems selbst. Das Thema Überforderung wurde schon angesprochen - es ist ein offenes Geheimnis, dass mittlerweile quasi ALLE Junglehrer Stunden reduzieren; hat viel mit dem fehlenden Materialfundus, aber auch viel mit den gestiegenen Anforderungen zu tun, die die älteren Kollegen (zum Teil weise) ignorieren. In NRW hat die Kombi aus Stundenerhöhung, einer Vielzahl neuer Überprüfungen (Lernstandserhebungen, Förderinfos, Zentralabi, zentrale Abschlussprüfung - alles "draufgesattelt" ohne Nachlass an irgend einer anderen Stelle) und neuen Lehrplänen, die nichts, aber auch gar nichts klarer machen und irgendwie alles erwarten, den meisten endgültig das Genick gebrochen. Ergo der Frust über ständige Vorwürfe von außen, ergo Verteidigungshaltung, ergo geht gar nichts mehr.
Im Moment scheint mir die Politik sehr glücklich dabei zu sein, Lehrer und Eltern gegeneinander auszuspielen, um zu verdecken, dass zu wenig Geld und Kompetenz im System Schule ist - solange die ihre Wut aneinander abarbeiten, Lehrer an der Mangelverwaltung scheitern und daraufhin von den Eltern verklagt werden, anstatt gemeinsam gegen die Bildungspolitik Sturm zu laufen, sitzt man noch halbwegs wohlig im Ministerium. Aber wem sag ich das...
Der Windmühlenstreitereien müde,
w.