Beiträge von wolkenstein

    Hm...


    nach meiner bisherigen Erfahrung ist es sinnvoll, sich im Ref mit so vielen Methoden wie möglich vollzusaugen, auszuprobieren, gucken, was geht. Dann kommt die erste feste Stelle und du säufst erst mal ab, im Vordergrund steht das "Was muss ich vermitteln" lauf Lehrplan und schulinternem Plan und überhaupt, für das "Wie" ist die Zeit plötzlich verdammt knapp. Und dann fängst du wieder an, auszuprobieren - sehr viel bescheidener und ruhiger, Methoden, die zu viel "Zirkus" erfordern, fallen wg Zeitknappheit von selbst aus, andere disqualifizieren sich, weil sie (besonders bei "überreferendarisierten" Schülern) nur noch Stöhnen hervorrufen, wieder andere kommen dir spontan in die Finger und erweisen sich als sehr brauchbar, und so nach und nach entwickelst du dein eigenes Methodenrepertoire. Zu sagen, welche Methoden "per se" toll sind, geht nicht - kommt auf Lernziel, Klasse, Fach, Lehrer, Schule usw. an. Generelle Richtüberlegnungen sind für mich inzwischen:


    - je vorbereitungs- und materialärmer, desto besser (ich kann nicht für 150 Schüler Karteikärtchen basteln, mein Rollkoffer ist eh schon kaum noch zu heben)
    - klarer, relativ selbsterklärender Ablauf (wenn ich eine Viertelstunde brauche, um eine Methode zu erklären, muss die schon verdammt gut sein, denn dann hab ich nur noch 30 Minuten, um sie auszuprobieren)
    - deutliches Zeit-Nutzen-Verhältnis (Bei dem neuen Zentralabitur ist es nicht drin, 45 Minuten in eine Schneeball-Diskussion zu stecken, wenn sie keine klaren Ergebnisse bringt)
    - einfache und übersichtliche Ergebniskontrolle (wenn 7 Gruppen vorstellen, ist das meist nicht zeiteffektiv, aber ein Ergänzen des gemeinsamen Ergebnisses ist oft noch nötig)
    - der Effekt der Methode muss auch für die Schüler deutlich erkennbar sein (sonst reagieren die nämlich allergisch oder die "alles ist besser als Unterricht" Haltung stellt sich ein - hat aber meist eher was damit zu tun, dass man von Anfang an die Lernziele klar macht)
    - ein ausgewogenes Mix aus kreativen/ offenen Herangehensweisen und Methodentraining für die üblichen Klassenarbeitsformen zählt ebenfalls (ist ja schön, wenn sie alle ein prima Standbild bauen können, davon haben sie aber nix, wenn sie nicht wissen, wie sie in der Klausur eine Charakterisierung schreiben sollen)


    Mehr fällt mir grad nicht ein - was meinen die anderen?


    w.

    das Mehl, das Brötchen, das Ei, das Pflaumenmus, das Plätzchen, das Brathähnchen, das Schnitzel, das Kotelett, das Rippchen, das Sauerkraut, das Kartoffelpürree, das Forellenfilet, das Fischstäbchen, das Kompott, das Sahnehäubchen.


    Jetzt hab ich Hunger.


    w.

    Hm, es hat zwar wunderbar funktioniert, aber bei näherem Hinsehen weiß ich nicht so genau, ob das in dein Thema so passt, weil es an einer ernsthaften Beschäftigung mit Märchen eher vorbei geht. In Kürze: Ich hab ihnen das Handlungsgerüst zu Faust gegeben, sie haben alles herausgestrichen/ umgeschrieben, was nicht in die heile Disneywelt passt (Mephisto wurde zum "fuzzy ball of fun", Mord am Brunde und uneheliches Kind mussten weg, am Ende Happy End usw.), teilweise Figuren entworfen, nachher ziemlich intensiv über Konventionen und Menschheitserfahrungen diskutiert. Aber: Es geht glaub ich wirklich an deinem Thema vorbei.


    w.

    Geht es um eine Stunde oder eine Reihe? Sollst du allgemeine Aspekte aufzeigen oder wirklich ein Unterrichtsvorhaben planen? Soll die Reihe Formen neu einführen oder zur Wiederholung dienen? In welcher Jahrgangsstufe (Einführung in die Oberstufe in der 11 oder Wiederholung zur Abivorbereitung in der 13)?


    Wenn du alle Kurzformen abdecken musst, bietet sich eigentlich Stationenlernen an. An jeder Station findet sich eine Übericht über die wichtigsten Merkmale der Gattung bzw. ein typisches Merkmal der Gattung, an dem die wichtigsten Merkmale erarbeitet werden können. "Roter Faden" der Übung könnte z.B. sein, eine kurze "Handlungsvorgabe" (Ein junger Mann will eine Frau erobern) in die verschiedenen Formen umzusetzen.


    Schreib mal mehr.
    w.

    Du bist auf Märchen festgelegt? Sonst böten sich z.B. Fabeln (-> Kafka) an, was typischer ist für die Sek II. An Märchen fällt mir spontan ein:


    - Vergleich "Sterntaler" mit dem im Woyzeck erzählten Märchen
    - Kritische Lesart von Märchen, ausgehend von dem Kunert-Dornröschen (hängt an). Hier könnte man z.B. andere Märchen umgestalten lassen.
    - Erstellung eines Märchens/ einer Disneyverfilmung aus einer literarischen Vorlage (ich habe einmal mit einem Seminar Faust I "disneyfiziert", wobei man sich wunderbar über Konventionen und Klischees unterhalten kann)
    - Vergleich Märchenerwartungen und das erste Kapitel von "Irrungen, Wirrungen" (Womit du direkt den Bezug zum Zentralabitur hättest)
    - Märchen als Nationalmythos - ein Forschungsprojekt zu den Brüdern Grimm und dem Zeitalter der Romantik
    - Einübung textexterner Interpretationsverfahren - märchen aus psychologischer, sozialkritischer, kommunistischer usw. SIcht (Dazu gibt's ein hübsches Buch, "Wer hat Dornröschen wachgeküsst".


    Ich weiß nicht genau, wie das bei euch an der Uni gehandhabt wird - in NRW ist es im Moment so, dass die Vorgaben für's Zentralabitur kaum Platz lassen für eine "freie Reihe", die nicht in irgendeiner Form an die Leseliste angebunden sind. Kann aber gut sein, dass das beim 1. Examen noch nicht so recht mit einbezogen wird.


    Schreib mal mehr!
    w.



    Dornröschen
    Günter Kunert


    Generationen von Kindern faszinierte gerade dieses Märchen, weil es ihre Phantasie erregte: wie da Jahr um Jahr eine gewaltige Hecke aufwächst, über alle Maßen hoch, ein vertikaler Dschungel, erfüllt von Blühen und Welken, von Amseln und Düften, aber weglos, undurchdringlich und labyrinthisch. Die Mutigen, die sie zu bewältigen sich immer wieder einfinden, bleiben insgesamt auf der Strecke: von Dornen erspießt; hinter Verhau verfangen, gefangen, gefesselt; von giftigem Ungeziefer befallen und vom plötzlichen Zweifel gelähmt, ob es diese begehrenswerte Königstochter überhaupt gäbe. Bis eines Tages endlich der Sieger kommt: ihm gelingt, was den Vorläufern mißlungen: er betritt das Schloß, läuft die Treppe empor, betritt die Kammer, wo die Schlafende ruht, den zahnlosen Mund halb geöffnet, sabbernd, eingesunkene Lider, den haararmen Schädel an den Schläfen von blauen wurmigen Adern bekräuselt, fleckig, schmutzig, eine schnarchende Vettel.


    Oh, selig alle, die, von Dornröschen träumend, in der Hecke starben und im Glauben, daß hinter dieser eine Zeit endlich einmal fest und sicher stände.

    Arme Maya! Ich kann verstehen, dass dich dieser Schüler in den Wahnsinn treibt. Trotzdem: Lass dich davon nicht fertig machen, damit hilfst du weder dir noch ihm. Wie du schreibst, du hast 28 Kinder da sitzen, wenn du dich für eins total aufreibst, kippen die anderen hintenüber. Also erst mal: Druck rausnehmen. Es liegt ja nicht an dir, du hast ja auch schon mit der Mutter gesprochen, es hat wirklich was mit dem Schüler zu tun. Vorschläge ins Blaue hinein:


    - Er schafft es nicht, sich zu organisieren, was bei einem Zweitklässler ja noch ok ist, aber seine Mutter kann ihn ja anscheinend auch nicht unterstützen - sonst sähen die Hausis nicht so aus und der Tornister wäre vernünftig gepackt. Wir haben schon ein paar Mal über "Grundstrukturzettel" - Tornisterpacklisten zum Abhaken usw. - gesprochen, vielleicht wäre das etwas, was man der Mutter an die Hand geben könnte?


    - Was macht er denn eigentlich, wenn er nicht das macht, was er machen soll? Schwatzen? Träumen? Malen? Was denn? Wär vielleicht eine Möglichkeit herauszubekommen, ob er sich unter-/ überfordert fühlt, keinen Zugang zum Thema findet oder wirklich grundlegendere Lernschwierigkeiten hat.


    - Wäremeine nächste Überlegung: Hat schon mal ein Kinderarzt draufgeguckt, ob es einen Verdacht auf besondere Lernstörungen gibt? Gleichzeitig könnte ein Lerntherapeut vielleicht einen Teil der Elternberatung übernehmen, denn allein wird das verdammt viel für dich.


    Lass dich nicht einsperren in den Frustzirkel, in dem Sohn und Mutter ja anscheinend schon drin sind - bei dir hat der Junge eine neue Chance.


    Viel Erfolg
    w.

    Ich halte beides für VIEL ZU FRÜH!!! Das Maus-Comic ist frühestens ab Klasse 9 einsetzbar, eigentlich was für Erwachsene, Anne Frank im Allgemeinen ab Klasse 6/7 - wo sollen die Kinder das denn hintun? Das einzige, was man damit erreicht, ist, dass sie spätestens in der 8 abwinken, och nö, nich schon wieder Drittes Reich, ohne jemals was anderes als wissenfreie Betroffenheit erworben zu haben. Wenn's unbedingt sein muss: Es gibt ein Bilderbuch, Rosa Weiss [Anzeige], das meine Mutter in der dritten Klasse der Grundschule schon mal mit Erfolg eingesetzt hat. Aber ich find's wirklich zu früh.


    w.

    Zitat


    Nur im konkreten Fall gibst du Tipps von Außen, ohne die Belastung des Kollegen zu kennen, noch die konkrete Situation. Außerdem befürchte ich, dass solch vollkommen (fast über-)korrektes Verhalten schnell ins Burnout führen kann.


    Wenn ich dich richtig verstehe, meinst du also schon, dass die von mir beschriebene Reaktion die sinnvolle gewesen wäre - ob sie in einer konkreten Situation machbar ist oder nicht, ist eine andere Frage. Ich hatte aber Heffalumps Frage durchaus so verstanden, dass er/sie eine Wertung wollte - dass man unter dem Druck des Alltags nie perfekt reagiert, ist schon klar. Inwieweit das zu Burnout führt, weil's anstrengend ist, oder Burnout vermeidet, weil es ein sehr gutes Eltern-Schüler-Lehrer-Verhältnis herstellt, ist eine andere Debatte.


    Zitat


    Alle möglichen, eher abseitig liegenden, aber bestimmt existierenden Fälle zu bedenken, hieße, das Heft des Handelns aus Hand zu geben.
    Ich wollte keineswegs sagen, diese Fälle seien alle erfunden.


    Dann streiten wir uns hier um eine Frage des Grades der Erfahrung - Dinge, die mir vor zwei Jahren als völlig abseitig vorgekommen wären, gehören für mich mittlerweile zum Alltag. Es kann aber doch nicht falsch sein, seine Erfahrungen zu erweitern und diese mit einzubeziehen? Natürlich geht man im konkreten Einzelfall immer noch von dem aus, was in der Situation machbar ist; ich meine jedoch nicht, dass man das "Heft des Handelns" aus der Hand gibt, wenn man mehr als eine Alternative für möglich hält.


    Zitat


    Im Übrigen kannst du meine Reaktionen schlecht antizipieren. Etwas weniger Schablonendenken hätte ich erwartet; bei den Schülern funktioniert es wohl besser als bei mir.


    Ich bitte um Entschuldigung - ich hatte die Richtung deiner Provokation nicht richtig gedeutet, deshalb war die Gegenprovokation daneben.


    Zitat


    Ich denke, im Gegensatz zu manchen meiner Vorredner bin ich eher vorsichtig an den konkreten Fall gegangen (=Schüler im Unterricht), denn ich habe mir im Gegensatz zu anderen, keine detaillierte Bewertung von heffalumps Reaktion zugetraut, ohne weiteres Basiswissen zu haben.


    Mein Argument ist, dass die abstrakte Diskussion (sollen wir wegen unseren muslimischen Schülern Schweine aus dem Unterricht verbannen - natürlich nicht) und Heffalumps konkrete Frage (muss ich darauf Rücksicht nehmen, wenn ein - scheinbar noch junger - Schüler mit Berufung auf ein religiöses Tabu ausflippt - ich meine schon) nicht zusammen passen, weshalb ich versucht habe, einen zweiten Thread aufzumachen. Das eine ist eine gesellschaftliche Frage, das andere eine pädagogische, das Problem ist, dass die Antworten notwendigerweise konträr sind. Alles weitere im anderen Thread?


    w.

    Zu Schlauby:


    Die Überwindung der katholischen Kirche war ein "kulturintrinsischer" Prozess der Aufklärung, der bis heute keineswegs abgeschlossen ist - wobei ich mich frage, ob du damit alle christlich-religiösen Vorstellungen meinst oder nur bestimmte Dogmen, aber das gehört nicht hierher. Die Reformation des Islam ist etwas, was innerhalb des Islam stattfindet, bei dem wir aber Zaungäste sind. Wir können helfen, sie zu vereinfachen, indem wir den fortschrittlichen Islam unterstützen und versuchen, Fluchtbewegungen und Trotzidentitäten des Islamismus entgegenzuwirken. Mehr nicht.


    Das jammrige Argument "Auf mich nimmt auch keiner Rücksicht" hätt ich dir nicht zugetraut. Bist du in der gleichen Situation wie ein Kind mit Migrationshintergrund? Oder ist Demokratie, wenn alle gleich behandelt werden, egal, welche Voraussetzungen sie mitbringen? Wir sind Lehrer, wir sind der Meinung, uns in anderer Leute Leben einmischen zu dürfen und ihnen sagen zu können, was richtig oder falsch ist - dass von uns dabei mehr Verständnis und Sensibilität erwartet wird als von Leuten, die hauptsächlich ihr eigenes Leben leben wollen, halte ich für selbstverständlich. Immerhin, in dem Punkt, dass man zuerst mit den Eltern reden muss, sind wir uns ja einig.


    Darüber, ob man meinen Satz falsch lesen muss, müssen wir uns nicht streiten, du weißt ja, was gemeint war.


    Zu Timm:
    Mit deinem ersten Absatz bin ich ja völlig einverstanden - wir können nur so viel machen, wie in der unvollkommenen Schulwelt möglich. Trotzdem meine ich, dass die "unverhandelbaren Grenzen" von einer Erklärung begleitet sein müssen, so weit es eben möglich ist. Dabei ist deine Situation als Berufsschullehrer, der mit weitgehend erwachsenen Menschen zu tun hat, eine andere als die von jemandem, der Probleme mit einem Kind in der "Eingangsstufe" hat - hier sind die Eltern sehr wohl noch ein Faktor.


    Dass mein Lieblingsklingone dann mal wieder mit der Gutmenschenkeule um sich haut und mir sowohl Unwissen als auch Untätigkeit unterstellt, ist zwar der Diskussion nicht förderlich, sei ihm aber zur Triebabfuhr gegönnt. Dass du aber alle existierenden Interpretationsmöglichkeiten außer der, die in deinem Quadratschädel als erste nach oben springt, als "konstruiert" abkanzelst, hätte ich von einem Berufsschullehrer, der das schöne bunte Leben kennt, nicht erwartet. Bestimmt schreibt er jetzt bald wieder böse Emails über die mangelnde Diskussionskultur...


    Jetzt aber wirklich rüber in den anderen Thread, sonst flieg ich aus diesem Forum noch raus.


    w.

    Anknüpfung: Im vorhergegangenen Thread ging's um eine bestimmte Situation, in der ein Kind sich daneben benahm und auf religiöse Gründe verwies, da liefen aber mehrere Probleme zusammen. Dehalb noch einmal losgelöst:


    Wie viel religiöse Toleranz ist angebracht?


    Im Thread wurden mehrere Meinung geäußert, die für mich in die Richtung "Die (selten benannt: Muslime) sollen sich gefälligst an uns anpassen, bei dem Frauen-/ Menschenbild sollten wir (Westler) unsere eigenen Werte durchsetzen und fertig". (Ich überspitze hier bewusst, aber nicht sehr).


    Die Behauptung, die (sanfte, tolerante) Integration sei in Deutschland gescheitert, ist unsinnig, weil es in Deutschland nie eine Integration im eigentlichen Sinne gegeben hat. Bei der ersten Generation Gastarbeiter wurde davon ausgegangen, dass sie möglichst bald wieder nach Hause sollten, deshalb wurde auf Integrationsanstrengungen bewusst verzichtet: Familienzusammenführungen waren schwierig, nachkommende Frauen und Kinder wurden irgendwo geparkt, die Kinder meist auf der Hauptschule, unabhängig von ihrem tatsächlichen Potential. Der zweiten Generation ging's begrenzt besser, sie wurden zwar zu Aushängeschildern eines naiven "Was ist die Welt schön bunt, nun erzähl uns doch mal von deiner Heimat" (welche Heimat?) Multikulti genommen, meist bestand die Integration aber eher in einem mit Toleranz verwechselten Ignorieren der Probleme. Jetzt, wo uns das Ganze in der dritten Generation um die Ohren fliegt, wird behauptet, die Integration habe versagt, nun müssten wieder harte Grenzen her. Dabei wird übersehen:


    Erfreulicherweise hat sich trotz des Fehlens staatlicher Unterstützung in Deutschland inzwischen ein muslimisches Bürgertum gebildet, etwa vergleichbar mit den jüdischen Deutschen der Weimarer Republik, mit kulturell "gemischten" Identitäten, die es zu respektieren gilt. Islam als Teil der deutschen Religions- und Kulturlandschaft ist da und nicht mehr auszulöschen, mögen die Fundis noch so sehr nach einer Rückbesinnung auf christliche Werte schreien. Die muslimische Mittelschicht ist unsere einzige Chance auf einen aufgeklärten Islam in Deutschland, deshalb sollten wir aus schierem Selbstinteresse nach Möglichkeiten eines gemeinsamen Lebens suchen.


    Die fanatisch-konservativen islamistischen Spitzen entstehen gerade dort, wo der Zugang zu Bildung und besseren Lebensmöglichkeiten verwehrt wird, unter anderem durch Zwangsaufklärung per Ordre de Mufti - denn Entzugsmöglichkeiten gibt es immer. Natürlich ist es richtig, Grundwerte festzulegen: Verpflichtende Deutschkenntnisse, verpflichtende sexuelle und staatsbürgerliche Aufklärung, Gleichbehandlung der Geschlechter usw. Wenn das aber nicht von echter Aufklärung begleitet, sondern nur angeordnet wird, führt es zu stärkerer Abgrenzung, nicht zu Integration.


    Beispiel Deutschpflicht auf dem Schulhof. Die Berliner Realschule hat vorexerziert, wie man es machen soll: Im gemeinsamen Gespräch zwischen Lehrern, Eltern und Schülern, als Regel, an die sich gehalten wird, weil man in vernünftigem Gespräch überein gekommen ist, dass alle etwas von dieser Regel haben. Meine identitätsgemischten Schüler haben heftig und lang über dieses Thema gestritten, heraus kam: Als Übereinkunft ja, als Verordnung von Oben nein, weil sie zuviel ihrer eigenen Identität verlieren würden. Ich denke, das kann man verallgemeinern.

    Die meisten von uns sind Lehrer, also Leute, die glauben, etwas zu vermitteln zu haben, und sich mit Begeisterung in das Leben anderer Leute einmischen. Uns sollte als goldene Regel ins Herz gebrannt sein, dass all unsere Bemühungen nur dann etwas bringen, wenn wir unsere Schüler da abholen, wo sie sind - auch kulturell. Das ist anstrengend, denn es heißt, sich zu informieren, was eigentlich in der besonderen Spielart des Islam, mit der ich es konkret zu tun habe, welche Wertigkeit hat. Es ist mühsam, weil immer wieder Grundsätze an Einzelfälle angeglichen werden müssen. Und es verunsichert, weil man immer wieder improvisieren und die eigenen Wertigkeiten in Frage stellen muss (wo wir uns doch so schon um sooo viele Lernschwächen, Allergien und all diese anderen lästigen Dinge, die es in der guten alten Zeit NIEEEE gab, kümmern müssen...). Ich glaube nur, dass es erstens nicht anders geht und sich zweitens lohnt. In den Bereichen Literatur und Film führt der Migranteneinfluss bereits jetzt zu einer Revitalisierung und Bereicherung, die bei reiner Deutschtümelei nie zu erreichen gewesen wäre - bei anderen Bereichen kenne ich mich nciht so aus, habe aber den Eindruck, dass das durchaus vergleichbar ist. Deshalb tut echte Integration not - für beide Kulturen.


    w.

    Danke, Bablin,


    du machst noch einmal klar, was ich meine (ich krieg hier grad den Koller). Es ist WURSCHT um welche Art von Tabu oder Phobie es geht, ob religiös, ethisch, moralisch, klinisch oder was auch immer, das ist hier nicht das Problem. Das Problem ist, dass man erst einmal wissen muss, wo's herkommt, bevor man es sinnvoll angehen kann, und dazu muss man mit den Eltern reden - vielleicht kommt dabei genau so etwas wie in deinem Fall heraus.


    Auf die Gefahr hin, den Thread zu kapern... ne, ne, schon gut, ich mache einen eigenen Thread auf.


    w.
    (tief Lufthol)

    Hallo Schlauby,


    ich habe einen Vergleich gezogen, der den emotionalen Gehalt deutlich machen sollte; darum, dass es für dich etwas anderes ist (für manche Moslems aber eben nicht), ging es ja gerade. Was bitte ist der "objektive" Unterschied? Im einen Fall handelt es sich um ein menschliches Körperteil, das durch die christlich-patriarchalische Entwicklung des Abendlandes mächtig tabuisiert wurde und bei dem eine bestimmte Bezeichung (vermutl. aus dem Mittelalter und auch damals nicht positiv gemeint) als anstößig empfunden wird. Im anderen Fall handelt es sich um ein Tier, das in der muslimischen Religion tabuisiert wurde und deshalb in Bild und Name als anstößig empfunden wird. So schlecht finde ich den Vergleich nicht.


    Auch wenn es wieder schick ist, "gegenzuhalten", kann man immer nur beim Machbaren ansetzen; ich halte eine Integration, bei der erst mal miteinander geredet wird, für machbarer als die oberlehrerhafte Verordnung einer anderen Moral. Keine Sorge, wenn's um die freiheitlich-demokratischen Grundrechte geht, bin ich nicht bereit, auf die Rechte des Kindes zu verzichten. Aber auhc in dem Fall halte ich es für sinnvoll, erst mal mit den Eltern zu reden.


    w.

    *g* Nee, nee, die Verträge zum Warmarbeiten sind ein ganz anderes Ding - das Problem sind ja nie die Sachen an sich, sondern eben, dass es so wahnsinnig viel Verschiedenes auf einmal ist. Aber wenn bis vor zwei Wochen alles in Ordnung war ... jehminee, wir gehen doch im Moment alle auf dem Zahnfleisch, weil die Zeit zwischen Weihnachten und Ostern so lang/ so blöd aufgeteilt/ so dunkel ist. Is halt so. Irgendein schlauer Mensch hat mal geschrieben, solang man noch Probleme hat, lebt man noch, das Chaos hört erst auf, wenn man stirbt. Na toll, was für eine Alternative. ALso hör auf, dich wegen deiner Fehler so zu verhackstücken, und überleg noch mal ganz genau, was du am Anfang für Dinger gebracht hast (mir kräuseln sich jedenfalls bei der Betrachtung meiner ersten Unterrichtsreihen die Fußnägel). Man wird besser, merkt man aber nicht, weil man immer mehr lernt, wie man's noch besser machen könnte. MAchst du eben beim nächsten Mal, und bis dahin werden die Mängel verwaltet. Alles. Wird. Gut.


    w.

    Hallo Hermine,


    ich glaube, wir sind in einer ähnlichen Situation - ich bin auch im ersten "voll+fest"-Jahr (hab schon den Reduktionsantrag für nach den Sommerferien abgegeben) und weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Privatleben gibt es nicht mehr. Ständig hab ich irgendwas vergessen/ mache halbgaren Unterricht/ Fehler/ Frust... und wenn alles läuft, kann ich trotzdem nicht schlafen, weil ich irgendwie der festen Überzeugung bin, das dann nächsten Monat alles schief geht. Hab auch schon Absprunggedanken gehegt. Aber ich glaube tatsächlich, dass das so noch nicht entschieden werden kann. Das erste Jahr ist in jedem Job die Hölle (war zumindest meiner Erfahrung nach so), bei uns wird's angeblich ab dem dritten dann wirklich gut. Das heißt nicht, dass du so lang warten musst, aber jetzt ist es wirklich zu früh für die Entscheidung. Sattdessen Soforthilfe:


    - Unterricht so weit als möglich auf gekaufte "Reihen" abstellen, gnadenlos Kollegen anschnorren, was die gerade machen, nach Lehrbuch arbeiten usw. - das nimmt dir zumindest das Gefühl, den Schülern nicht gerecht zu werden. Sahnehäubchen kommen später wieder.


    - Eine Organisationskladde anlegen - wir hatten hier schon Diskussionen zu verschiedenen Zettelsystemen, obwohl von Natur aus unordentlich, hab ich mittlerweile den großen Klett-Lehrerkalender, da steht alles drin, und alles, woran ich denken muss, kommt ber Post-It innen auf den Deckel.


    - Organisatorisch konsequenter werden - ich mache mittlerweile meist nur eine sehr kurze Mittagspause, dann wird nach/vorbereitet, zwischen sechs und sieben fällt der Griffel, nur noch in Ausnahmefällen nach dem Abendessen eine Runde. Der Samstag ist bei mir damit zwar auch Arbeitstag, aber irgendwann muss Schluss sein.


    - Der weise Spruch eines (überigens bereits mehrjährig erfahrenen) Kollegen: "Ich gestatte es mir, Fehler zu machen". Fehler sind bei einem so komplizierten und schlecht organisierten System wie Schule unvermeidlich. Solange davon niemand stirbt, sind sie zu verschmerzen. Wenn Chef meckert, lass ihn meckern, wahrscheinlich lässt er gerade einen Druck, den er von woanders her hat, an dir aus. Tief durchatmen, freundlich lächeln, Besserung geloben, mehr geht nicht.


    - Sport oder anderen Ausgleich schaffen, um den Kopf ein bisschen frei zu kriegen. Einen freien Tag in die Woche boxen, egal wie.


    - Wenn gar nichts mehr geht - krank schreiben lassen. Die Kinder haben 9-13 Jahre ihres Lebens Schule - glaubst du im Ernst, ihr Lebensentwurf scheitert dadurch, dass du eine Woche davon nicht da bist? Durchatmen, Organisation besser aufsetzen, neu anfangen.


    - Sich klar machen, dass du aus einer miesen Situation das Bestmögliche machst. Wir wissen, dass wir schlecht ausgebildet sind, wir wissen, dass die Schulen überlastet sind - Fehler sind nicht zu vermeiden. Wenn du jetzt laufen gehst, bleiben nur die an den Schulen, denen ihre Fehler egal sind bzw. die sie noch nicht einmal merken. Das kann's auch nicht sein.


    So, und jetzt les ich mir das alles noch mal durch und nehm es mir selber zu Herzen...


    Kopf hoch
    w.

    Ich schließe aus dem Thema messerscharf, dass das Kind Moslem ist? Aus welchem Land?


    Ich bin kein Experte, aber soweit ich weiß, ist das Schweinetabu in einigen muslimischen Regionen tatsächlich sehr aufgeladen... zum Vergleich wäre wahrscheinlich bei uns ein Kärtchen mit "Fotze" plus Abbildung angebracht. Zwei Möglichkeiten


    - das Kind kommt aus einer Familie, wo Schweine tatsächlich so gesehen werden
    - das Kind wollt's mal ausprobieren, wie sehr es die Kulturkarte spielen kann


    In beiden Fällen halte ich eine pragmatische Lösung für angebracht: Kind beruhigen, Karte austauschen, Kind (und evt. Eltern) nachher zum Gespräch bitten. Dann klären: Geht es hier tatsächlich um ein emotional-religiöses Tabu, dann sollte man zunächst mit den Eltern besprechen, dass sich dieses Tabu an der Schule so nicht aufrecht erhalten lässt (Gedankenspiel: Weil die Eltern dafür sorgen wollen, dass das Kind auch unbeobachtet kein Schweinefleisch ist, wurden vielleicht besondere Tabugrenzen aufgebaut), denn gegen die Eltern kannst du nicht arbeiten. Ging's um Provokation, werden die Eltern umso lieber mit dir an einem Strang ziehen. In keinem Fall würde ich eine Grundsatzfrage draus machen, im Sinne von "Was müssen wir eigentlich tolerieren etc." und den Kulturkampf erst recht nicht auf dem Rücken des Kindes austragen. Schweine gehören zum Lehrplan, wenn's Alternativen gibt, kann das Kind sie wahrnehmen, wenn nicht, dann nicht, Schluss. Aber ohne die Rückendeckung der Eltern kann das Kind das nicht begreifen.


    Wenn ich mir deine sonstige Beschreibung durchlese - ständiges Zuspätkommen, "Austicken" etc - scheint mir da aber auch sonst einiges im Argen zu liegen; umso eher würde ich das Gespräch mit den Eltern suchen. Es ist sinnvoll, recht früh klarzustellen, dass man über alles reden kann, solang das Problem freundlich und vernünftig vorgetragen wird, dass aber solche dramatischen Reaktionen nicht toleriert werden. Wenn die Eltern einen ähnlich dramatischen Gesprächsstil gewöhnt sind, weißt du wenigstens, wo's herkommt.


    Ist das jetzt zu multikultitoleranti? Klar hat das Kind überzogen reagiert, es muss aber auch mit Dingen herumoperieren, die eigentlich eine Nummer zu groß für es sind. Vielleicht ist die knappe "Bei uns ist das so und fertig" Lösung einfacher - trotzdem, das Problem hängt in der Art der Reaktion, nicht nur in der Frage Schwein oder nicht Schwein. Drum.


    w.

    Die Geschichte mit dem Hammer
    aus: Paul Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein


    Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich borgte es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“

    Oh Mann, Catha... das ist wirklich hart. Schwer, was dazu zu sagen, es bleibt nun mal nicht in den Kleidern hängen. Vielleicht lohnt es sich, mit Kollegen eine Supervisionsgruppe zu gründen - man lässt sich 2-3 mal anleiten und macht dann allein weiter, das ist relativ preiswert. Zu deinen Prüfungssorgen - die meisten Fachleiter sind in der Lage, das soziale Umfeld einer Schule mit einzubeziehen. Sie wissen, dass man in schwierigen Klassen keine perfekten Stunden machen kann, und wollen eher sehen, wie du denn mit solchen Problemen umgehst. Schreib eine ausführliche Sozialanalyse in deine Entwürfe und reagiere in Krisensituationen sinnvoll, das wird mindestens so hoch angerechnet wie eine "Sternstunde". (Nichts von deinem Kaliber, aber nach einer heftigen Auseinandersetzung mit einem Schüler in der LP murmelte einer meiner Fachleiter mal ganz angetan "Endlich mal das wahre Leben...")


    Halt durch,
    w.

    Ich fürchte, du legst den Finger auf die Wunde - das genau ist das Problem (einiger) Hauptschüler, dass sie weder eine Arbeitshaltung haben noch wissen, wie sie mit sich und anderen umgehen sollen. Also wird Rabatz gemacht auf Teufel komm raus, damit man sich nicht langweilt. Respekt kann man sich nur unendlich mühsam erarbeiten, Arbeitsklima ist erst nach langer Zeit herzustellen. Gedanken ins Blaue:


    Wie ist die Situation? Siehst du die Kinder nur zur HA-Erarbeitungszeit (hast also selber kaum pädagogischen Input)? Wie groß ist die Gruppe? Wie alt sind die Schüler? Kannst du in dieser Zeit auch "Entwicklung von Arbeitshaltung" mit ihnen üben oder gibt es ein festes Programm? (Wenn ja, fällt mir erst mal nix ein, weil du ja keine Zeit hast, was zu bewegen...)


    Wenn du doch was machen kannst:
    - Erst einmal rauskriegen, wer sie eigentlich sind. Was interessiert sie? Worauf sind sie stolz? Was würden sie tatsächlich gern können? Wenn sie noch nicht in der ultracoolen Phase sind, könntest du mit ihnen z.B. eine Collage anfertigen (selbst malen klappt meistens nicht) oder sie ein Fotoplakat gestalten lassen.


    - Ich hab's schon ein paarmal erzählt, ich habe solche Kinder zu konzentrierten Arbeitern mutieren sehen, als sie aus Sperrholz ein batteriebetriebenes Rennauto basteln sollten. Wichtig war: Sie wollten (und konnten) dieses Auto bauen; sie arbeiteten völlig selbstständig, Fragen wurden vom Lehrer sanft an sie selbst oder die Gruppe zurückgegeben; der Lehrer war unglaublich wortkarg, Zeigen war viel wichtiger als Erklären; die konkrete, weitgehend selbsterklärende Arbeit führte zu unglaublicher Konzentration. Gibt es Möglichkeiten, das auf deine Klasse zu übertragen? Ein konkretes Projekt, an dem erst einmal jeder allein arbeiten kann?


    - Überhaupt nicht böse gemeint: Ich frage mich, ob sie von deinen differenzierten Methoden nicht etwas überfordert sind. Grundannahme: Sie kennen "Arbeiten" nur als Misserfolgserlebnis, sind meist überfordert und schon oft gescheitert. Wie sollen sie eine schöne Zusatzaufgabe als Anreiz erleben?


    Meine vage Theorie ist, dass erst mal Ergebnisse für sie her müssen, klar, greifbar, konkret (also nichts Schriftliches). Wie man das machen kann, liegt sehr an deiner Gruppe und dem, was du mit ihnen anstellen kannst. Kannst du erst mal mehr Info geben?


    w.

Werbung