Ich arbeite in einem Kollegium mit über 150 Kolleginnen und Kollegen. Auf unseren Anfangskonferenzen (und ich nehme an, bei dir handelt es sich ebenfalls um eine solche) stehen die Neuen kurz auf, lächeln freundlich, sagen ihren Namen und ihre Fächerverbindung und nennen gegebenenfalls noch die Schule, an der sie zuvor unterrichtet haben. Für mehr ist gar keine Zeit, die Tagesordnung ist ellenlang, alle wollen nach Hause und man muss noch so viel mit verschiedenen Leuten klären. Das ist wirklich kurz und schmerzlos - und wenn dein Chef schreibt, dass du dich dort kurz vorstellen kannst, würde ich das an deiner Stelle eher so interpretieren, dass er damit sagen will „Komm bitte nicht vorher vorbei, um mit mir ein Kennenlerngespräch zu führen, ich hab so viel zu tun und keine Zeit dafür, mit jedem Neuen solche Gespräche zu führen. Wir klären alles Weitere auf der Konferenz.“
Dass es dich schockt, an deiner ehemaligen Schule zu landen, verstehe ich.
Ich mache den Job mittlerweile schon so lange, dass ich die Situation ebenfalls kenne, dass ehemalige Schülerinnen und Schüler als Referendare oder Kollegen wieder bei uns landen – und kann dir berichten, dass
1. es nie die Streber waren, die Lehramt studiert haben.
2. es einer der wirklich, wirklich schönen Aspekte des Berufs ist, miterleben zu dürfen, wie aus jungen Menschen Erwachsene werden, die ihren Lebensweg gehen, den man sogar ein bisschen mitgestalten durfte, und die sich so toll weiterentwickelt haben und jetzt auf Augenhöhe mit einem zusammenarbeiten. Ich empfinde das als großes Geschenk.
3. man in 15 Jahren so viele Schülerinnen und Schüler hatte, dass man sich zwar noch an viele erinnert, aber die Vergangenheitsverklärung auch bei uns Lehrkräften so massiv zuschlägt, dass selbst die unerträglichsten Nervensägen im Nachhinein ja doch ganz nett waren. (Ich habe nach über 20 Jahren genau einen Schüler, dem ich heute noch etwas übelnehme.)
Kann es sein, dass dein eigentlicher Schock gar nicht von dieser Vorstellungssituation herrührt, sondern eher damit zusammenhängt, dass du Angst davor hast, als erwachsener Mensch wieder in eine Schülerrolle gedrängt zu werden? Mach dir klar, dass diese Angst genauso unbegründet ist, wie die Angst vor der kurzen Vorstellung bei der Anfangskonferenz. Du bist erwachsen. Wenn einzelne Idioten dich so behandeln sollten, als wärst du noch ihre Schülerin, dann ist das deren Problem. Nicht deines. Du musst dich in diese Rolle nicht drängen lassen, du hast Handlungsalternativen, die du damals, als du jünger warst, mangels Lebenserfahrung nicht hattest.
Lache drüber, steigere dich nicht rein. In 5 Jahren wirst du sicherlich über die jetzige Situation lachen. Mach es jetzt schon. Das ist besser für deine Psychohygiene.
Alles Gute!