Beiträge von MeadowSleeper

    Naja, bei Grundsatzfragen gibt's halt kein "ein bisschen gut, wenn die richtigen Leute die richtigen Entscheidungen treffen". Im Politikunterricht wird sehr bewusst Wert darauf gelegt, Jugendliche nicht zu beeinflussen, in keinem Lehrplan fände man die Unterstützung einer konkreten Partei und ihrer Ideologie.

    Darum wird auch die Demokratie und die Rechtstaatlichkeit mit der Monarchie, dem Gottesstaat und der Diktatur gleichberechtigt und ohne Wertung nebeneinander gestellt, rassistische Gesellschaftsmodelle werden mit der Gleichberechtigung ohne Wertung dargestellt und die Schüler dürfen dann auswählen, welche Vorteile die jeweilige Form für sie haben und welches Gesellschaftsmodell sie anstreben können. Moment, warte ... Vielleicht müssen wir ja die Sinnhaftigkeit des Politikunterrichts diskutieren, wenn er keinen Einfluss auf die Schüler haben soll.


    Ich darf doch noch einmal an den Bildungsauftrag erinnern und an diesen müssen sich doch meines Wissens alle Fächer halten ...

    Soll heißen, bei aller potentiellen Diskussionsfreude der Relilehrer*innen (die hier von einigen einfach mal unterstellt wurde...) soll am Ende rauskommen: Abtreibung ist rundheraus abzulehnen, weil...

    Nein. Du kannst nicht einfach Dinge aus dem Lehrplan betonen und andere überlesen, z.B. Gewissen und Gewissenbildung, sprich Vorrang des Gewissens


    Ich zitiere im Bezug auf die Abtreibung aus dem Lehrplan plus Klasse 10 (RS)


    • nehmen die Bedrohung der Menschenwürde in Grenzsituationen zu Beginn und am Ende des Lebens wahr und formulieren unter Berücksichtigung des biblischen Menschenbildes und der christlichen Ethik eigene Standpunkte.


    Religion lässt eben keine persönliche Moralentscheidung nach Abwägen aller Informationen zu, sondern gibt Regeln vor.

    Religion will ein ethischer Orientierungspunkt sein, aber das will die normative Ethik auch. Auch Ethik muss Werte vermitteln und kann nicht beliebig im Raum stehen lassen, ob nun eine Frau weniger wert ist als ein Mann. Ich möchte den Ethiklehrer sehen, der alle moralische Entscheidungen gleichgültig nebeneinander stehen lässt.

    Inwiefern ist das Unsinn? Welcher Aspekt dieser Beobachtung stimmt nicht, ist unklar oder ungenau? Bitte explizieren, sonst muss der Vorwurf der Unsinnigkeit als Ablenkugnsmanöver oder Provokation erscheinen.

    Dazu würde ich gerne ein Zitat von dir verwenden: "Und wenn man nachfragt, kommt dann wieder, dass jemand [k]eine Lust hat, das Quellenmaterial , das er vermutet, auch konkret anzuführen?" Bevor ich also die weitschweifende Begründung liefere, warum Religion kein solches Überbleibsel ist, begründe doch bitte, warum Religion (mehr als zum Beispiel eine atheistische Weltanschauung) ein Überbleibsel misslungener Welterklärungsansätze ist. Denn du hast die Behauptung (die man vielleicht sogar als Provokation ansehen könnte) aufgestellt, ohne sie zu begründen, warum sie wahr und nicht unsinnig ist.


    Ach, jetzt will ich es vielleicht doch versuchen. (Jaja, ich bin inkonsequent.): Natürlich bedarf Religion als Weltdeutung ältere überkommene Weltanschauungen, um eine aktuelle Positionierung zu haben. Sie ist jedoch nicht identisch mit überkommenen Weltdeutungen. Auch mathematische und naturwissenschaftliche Erkenntnisse stehen nicht im luftleeren Raum. Auch sie sind auf misslungene Erkenntnisse der Vergangenheit angewiesen. Von den (anderen) Geisteswissenschaften gar nicht zu sprechen. Deswegen ist doch Mathematik oder Physik kein Überbleibsel misslungener Welterklärungsansätze, sondern deren Einbeziehung und Fortführung. Die Fragen "Wer bin ich?", "Welchen Sinn hat mein Leben?", "Wie soll ich handeln?", "Was darf ich hoffen?", "Gibt es Gott?" sind ja nicht vom Tisch. Und weil diese Fragen uns (und gerade junge Menschen) immer noch beschäftigen, spielt Religion immer noch eine Rolle und ist eben kein Überbleibsel, das bald verschwindet. (Die Säkularisationsthese konnte ja nicht standhalten. Die "Volkskirchen" mögen schwächer werden, aber Religion hat längst andere Formen, ja sogar auch säkulare (!) Formen gefunden.)
    Ja, es sind Weltdeutungsversuche (manchmal vielleicht sogar misslungene), das um ein vernünftiges Weltbild ringt. Das erscheint mir ehrlicher als Menschen, die mir erklären wollen, dass sie zu 100% wüssten, wie die Welt abläuft. (Solche Menschen gibt es übrigens zweifellos auf beiden Seiten!)


    Eben doch. Die Frage, ob es Religionsunterricht an staatlichen Schulen geben soll, ist sehr wohl in dem Kontext dessen, was Religion ist, was sie ausmacht, welcher Erscheinungen sie hervorbringen, wie sie sich in die Gesellschaft einbringen zu beantworten.

    Bitte lies dir die Ausgangssituation nochmal durch: Es ging eigentlich um die Frage um konfessionellen RU oder Religionswissenschaften. Die Frage nach Religion überhaupt war nicht Bestandteil der Diskussion.


    Vielleicht nur ganz kurz: Bereits unsere Diskussion zeigt ja, dass Religion die Gemüter sehr erhitzen kann, sie trotz der These in den 60iger/70iger des 20. Jahrhunderts, dass Religion "verschwindet", sie noch da ist und eher momentan wieder an Bedeutung gewinnt (im Unterschied zu den "Volkskirchen"). Das heißt, dass du damit den folgenden Einwand:


    Da Religionen inhaltlich keinerlei Erkenntnisse zu bieten haben, sehe ich eben auch nicht, dass sie etwas zu leifern, was des Unterrichtens wert ist.

    selbst beantwortet hast.
    Etwas allgemeiner: Vielleicht grenzt du den Begriff "Erkenntnis" zu stark ein. Könnte das sein? Ich finde ja, dass auch Fächer wie Kunst, Musik und Sport eigentlich viel zu kurz kommen.

    Ein Problem das Islamunterrichts ist der Ansprechpartner bzw. die Ansprechpartner. Leider gibt es keinen einheitlichen Verband, der analog zur katholischen und evangelischen Kirche oder zu den jüdischen Gemeinden eine gemeinsame Linie verfolgt. Die muslimischen Gemeinschaften sind sich ja leider intern nicht sehr einig und das ist ein Problem, wenn es darum geht, welche Inhalte im Islamunterricht vermittelt werden. In Bayern ist daher der Islamunterricht immer noch Modellversuch (obwohl es viele positive Rückmeldungen gibt) weil eben der Lehrplan und die Aufsicht nur vom Staat ohne Mitwirkung der muslimischen Religionsgemeinschaften gemacht wird.

    Klar darfst du. Persönliche Erfahrung, und das mehrfach (also der einzelne, der nicht so war, war die löbliche Ausnahme).
    Natürlich ist das subjektiv.
    Aber deshalb mMn durchaus nicht falsch.

    Solche Erfahrungen tun mir wirklich (!) leid und das darf eigentlich nicht in einem Religionsunterricht heutzutage vorkommen. Das ist dann einfach schlechter RU und dann kann ich die Abneigung tatsächlich verstehen. Die Ausbildung von Religionslehrern (leider nicht immer von Priestern im Schuldienst) und der RU an sich zielt nicht darauf ab, dass man den Schülern die alles erklärende Heilslehre eintrichtert. Mir ist das in der Ausbildung von Religionslehrern sowohl an der Universität, als auch dann im Referendariat sehr wichtig.

    Und schon gar nicht von übereifrigem "Bodenpersonal", das dann mal wieder den eigenen Sermon als den "einzig wahren" darstellt, und, sorry, das passiert leider doch allzu oft...

    Darf ich nach der Quelle dieser Behauptung fragen? Nun muss ich berufsbedingt relativ viel (gerade bei jungen Religionslehrer*innen) hospitieren und kann diese Erfahrung nicht bestätigen.

    Es ging um "religiöse Rituale" Und Leute, die Kindern vorleben, wie man "vernünftig glaubt". Du ziehst hier Parallelen zu Musik und Sport, wo es keine Parallelen gibt. Musik und Sport sind im Gegensatz zu Religion Wissenschaften. Genauso wie es Religionswissenschaften gibt.

    Musikwissenschaft ist Wissenschaft. Musik ist mehr. Sportwissenschaft ist Wissenschaft. Sport ist mehr. Und in der Schule wird mehr als Musikwissenschaft und Sportwissenschaft vermittelt. Der Vergleich mit Religion ist daher sehr passend! (Man könnte nun auch wissenschaftstheoretisch auch gut begründen, warum Theologie eine Wissenschaft ist, aber das Fass machen wir mal lieber nicht auf.) Übrigens sind in Bayern Musik und Sport nichtwissenschaftliche Fächer und Religion ein wissenschaftliches Fach an der Schule. ;) Sorry, aber das konnte ich mir nicht verkneifen.



    Wen wegen was wie korrigieren? Ob die eine Religion richtiger ist als die andere? Oder ob du was Falsches erzählt hast?

    Weil es in unserer Welt nunmal unterschiedliche Weltanschauungen gibt und die Schüler auch das Recht haben, andere Religionen authentisch dargestellt zu bekommen. Und ja, ich als Nichtbuddhist kann den Buddhismus nicht völlig darstellen. Indem ich mich nur auf die theoretische Seite konzentriere, verfälsche ich die Religion möglicherweise (natürlich unbeabsichtigt). Hier muss ich von einem Buddhisten korrigiert werden.



    ööööhm, diesen Vergleich wolltest du vermutlich nicht wirklich ziehen

    Doch wollte ich unbedingt. Denk mal darüber nach!



    Jepp, und auch dazu braucht es keine Kirchgänge, spirituelle Erfahrungen und Glaubensgefühle in der Schule.

    Dann bleibt jedes religiöses Urteil von Schüler*innen oberflächlich. Schade, dass meine anderen Argumente keine Beachtung gefunden haben.


    Den missionarischen Eifer gegen den Religionsunterricht finde ich schon erstaunlich. Wie gesagt, da werden wir uns nicht gegenseitig überzeugen und das muss auch nicht sein. Ich wollte nur mal darauf hinweisen, dass es auch Argumente für den konfessionellen oder konfessionsgebundenen Religionsunterricht gibt.

    Es käme aber auch niemand auf die Idee, "Homöopathie" als Schulfach zu etablieren, weil nur von jemandem, der Globuli als hilfreich erlebt hat, diese Gefühle "vernünftig" weitergeben werden können.

    Ist das wirklich so? Und wenn, macht man derlei Erfahrungen im Religionsunterricht?
    Sachsen bietet jetzt jüdischen Religionsunterricht an, der natürlich auch von nichtjüdischen Kindern besucht werden könnte. Ich bin gespannt, wie viele nichtjüdische Familien davon Gebrauch machen werden und wie viele sich weiterhin für Ethik entscheiden. Interessant fänd ich auch zu erfahren, was muslimische Familien davon halten, dass es nach wie vor keinen Islamunterricht gibt.


    Schule sollte ein Ort der Wissensvermittlung sein, an Erkenntnissen der Menschheit orientiert, ohne religiöse Trennung schon ab Klasse 1. Dazu gehören durchaus kulturelle Erfahrungen und z.B. sowas Unfassbares wie die Ästhetik von Musik und von mir aus gerne sowas wie ein Fach "Glück" in dem möglicherweise auch meditiert wird. Dazu gehören meiner Meinung nach aber keine trennenden Rituale, trennende Gottheiten und schon gar nicht das Warmhalten längst überholter Gesetze und Moralvorstellungen.

    Ich bin etwas erstaunt, denn das Beispiel mit der Homöopathie passt so gar nicht. Es ging hier um die Frage nach einem konfessionellen RU oder um Religionswissenschaften, nicht um die Religion allgemein. (Ich vermute mal, der Vergleich mit der Homöopathie ist einfach ein Versuch Religion zum vermeintlichen Aberglauben zu erklären. Aber diese Diskussion wollte ich gar nicht eröffnen. Übrigens: Wenn Homöopathie und Religion gleichgesetzt wird, sagt das zwar vieles aus, aber nichts, was zur Diskussion passt.)
    Vielleicht nochmal zur Verdeutlichung: Religionsunterricht sieht nicht so aus, dass ich den Schüler*innen von "tollen Gefühlen" berichte, wenn ich den Gottesdienst besuche, sondern dass ich authentisch gemeinsam mit ihnen religiöse Erfahrungen machen und religiöse Handlungen vollziehen und darüber sprechen, diskutieren und dies kritisieren kann. Und solche Dinge müssen authentisch von einem Mitglied der Glaubensgemeinschaft gemacht werden und können eben nicht geschauspielert werden oder theoretisch gezeigt werden. Auch deswegen lädt ein guter Religionsunterricht auch immer Vertreter anderer Religionen ein um den Schülern authentische Glaubensbiographien zu zeigen. Ich kann ihnen viel über den Buddhismus erzählen: Einen wirklichen Mehrwert haben sie dann, wenn sie einen Buddhisten treffen und er ihnen das theoretische Wissen (dass ich ihnen vermittelt habe) auslegt, aufzeigt und evtl. mich sogar korrigiert.


    Natürlich muss man religiöse Erfahrungen machen um mitreden und um positiv oder negativ darüber urteilen zu können. Ansonsten bleibt es bei Vorurteilen und Oberflächlichkeiten. Ob das ein Religionsunterricht macht und schafft, ist eine ganze andere Frage. Aber es muss das zentrale Anliegen eines modernen Religionsunterrichtes sein. Und so versteht er sich inzwischen auch, eben nicht als Indoktrierung, sondern dass Schüler und Schülerinnen mit ihrer und anderer Religiösität umgehen lernen.


    Das Beispiel mit dem jüdischen Religionsunterricht verstehe ich ebenso nicht. Was soll daran falsch sein? Im übrigen gibt es bereits Modellversuche für Islamunterricht, nur scheitert der oftmals nicht am Staat und am politischen Willen. Er wäre aber definitiv wichtig.


    Es soll keine trennenden Rituale geben? (In welcher Schule ist denn das möglich? Schade übrigens dann um die ganzen Fußballvereine, denn deren "trennenden Rituale" füllen vor jedem Fußballspiel die Stadien.) Es darf keine trennenden Gottesbilder geben? Dann sind sie aber, sobald sie sich außerhalb der Schule befinden, in unserer Gesellschaft aufgeschmissen.


    Wäre es nicht einfacher und erstrebenswerter, wenn wir versuchen würden, Schüler und Schülerinnen darin kompetent zu machen, eine gewisse Vielfalt und Unterschiedlichkeit auch aushalten zu können? (Übrigens ist die Zusammenarbeit an meiner Schule zwischen den drei Fachschaften KR, ER und Ethik sehr gut und wir haben viele gemeinsame Projekte. Die Trennung steht also sicherlich nicht im Mittelpunkt.)

    Von persönlichen Erfahrungen mit Lehrkräften auf die Sinnhaftigkeit eines ganzes Faches zu schließen, mutet mir ein bisschen seltsam und oberflächlich an. Auch das Philosophie und Religion gegeneinander ausgespielt werden, finde ich fragwürdig.


    Ich möchte nur mal auf zwei Aspekte hinweisen:


    1. Religionsunterricht ist schon mehr als die reine kognitive Vermittlung der Inhalte der Religionsgemeinschaften. Niemand käme auf die Idee im Musikunterricht nur Musiktheorie oder in Sport nur Sporttheorie zu unterrichten. Religionsunterricht vermittelt auch religiöse Rituale und Handlungen und zeigt deren Bedeutungen und Auswirkungen auf das menschliche Leben auf. Das kann aber nicht in der Theorie geschehen.
    Das heißt man kann durchaus begründen, warum ein Fach "Religionswissenschaft" vielleicht nicht genügt. Empirisch kann man das durchaus auch nachweisen mit Studien, die in Skandinavien gemacht wurden. (z.B. Ilona Nord, Hanna Zipernovszky (Hg.), Religionspädagogik in einer mediatisierten Welt) Es ist also durchaus sinnvoll, wenn Menschen das Fach Religion unterrichten, die eben auch zeigen können, wie man vernünftig glauben kann und diesen Glauben vernünftig leben kann. Dieses "Glauben leben" kann eben jemand, der von "außen" diese Religion vermittelt, nicht in diesem Maße authentisch zeigen. Das muss übrigens meiner Meinung nach nicht in einem konfessionellen Religionsunterricht geschehen, sondern kann auch in einen konfessionell-kooperativen RU geschehen. Religionswissenschaft dagegen finde ich problematisch.


    2. Religion scheint eine anthropologische Konstante zu sein, wenn man es rein soziologisch betrachtet (vgl. Hans Joas). Auch wenn die Zugehörigkeit in Westeuropa zu den Volkskirchen abnimmt, hat sich ja die Säkularisierungsthese nicht bestätigt. Religion und Glaube verlagert sich hierzulande nur in andere Bereiche. Der Religionsunterricht nimmt (wenn er gut ist) diese Entwicklung ernst und verschafft jungen Menschen erst die Fähigkeit über religiöse Dinge vernünftig reden zu können und diese auch zu kritisieren. Darüber "reden zu können" schließt mitein, dass man religiöse Erfahrungen gemacht hat. Dies ist aber bedeutend für die Frage des interreligiösen Dialogs bzw. des Dialogs zwischen Atheisten und Theisten in einer Gesellschaft. Wenn eine Gruppe keine Achtung vor oder Verständnis für die religiöse Kultur einer anderen Gruppe hat, dann führt dies unweigerlich zu Problemen. Wir stehen heute vor einer großen Sprach- und Verständnislosigkeit zwischen unterschiedlichen kulturellen und religiösen Gruppen. Dies zu verhindern ist wohl schon auch ein wesentliches Interesse des Staates.

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