Dalyna
Zitat
Kannst Du das mal etwas genauer erklären, wie Du in Einzelstunden dann arbeitest und wie sich das von stärkerer Differenzierung unterscheidet? Mich würde auch die Leistungsüberprüfung interessieren, da wir zwar mal eine Fortbildung dazu hatten, aber Differenzierung in dem Maß, wie es in der Grundschule stattfindet, am Gymnasium nicht findbar ist.
Diese Woche war etwas turbulent bei mir, daher erst heute meine Antwort.
Ein aktuelles Beispiel, wie ich in einer Klasse arbeite, wo ich nur eine Stunde in der Woche eingesetzt bin: Hier gebe ich immer ein Rahmenthema vor. Neulich war es die Aufgabe: "Schreibe ein Buch." (im 3./4. Schuljahr) Gemeinsam haben wir überlegt, worüber man alles schreiben könnte, Themen wurden gesammelt. Anschließend machten sich die Kinder an die Arbeit. Natürlich habe ich nicht erwartet, dass sie ein druckreifes Buch erstellen mit hunderten von Seiten. Die meisten Kinder schrieben im Laufe von 4 Wochen etwa 10-15 Seiten voll. Zwei besonders leistungsschwache und -verweigernde Schüler, die auch in nach 2 Stunden nichts zu Papier gebracht hatten, gab ich dann ein dünnes Heftchen mit Text, das sie abschreiben sollten.
Ich hatte in den 4 Wochen wenig zu tun, keine Vorbereitung. Ich habe immer mal wieder reingeschaut in die Texte und mir überlegt, woran könnte jedes Kind in Sachen Rechtschreibung, Ausdruck und Grammatik anschließend weiterarbeiten? Meine Erfahrung ist, dass, wenn ich die Arbeitsergebnisse der Schüler als Quelle für deren Weiterarbeit nutze, erkennen sie auch viel eher den Sinn in dem, was sie tun (sollen), als wenn ich sie alle gleichzeitig beschule. Die Motivation zum Lernen ist eine andere.
Ich habe also zu jedem Kind ein paar Notizen und kann dann Kinder zu Gruppen zuteilen, z.B. Gruppe "wörtliche Rede", Gruppe "Großschreibung von Nomen" etc. Ich bereite dann einen Materialfundus vor, mit dem sich die Kinder nun beschäftigen. Meine Aufgabe ist es dann, einzelne Gruppen zu leiten, gerade bei den etwas kniffligeren Themen, wie z.B. wann ist ein Satz zu Ende. Einige Kinder hören das einfach noch nicht, wenn sie sich das selbst vorsprechen.
Diese Arbeit in Einzelstunden unterscheidet sich von einer noch stärkeren Differenzierung in meiner eigenen Klasse darin, dass ich den Kindern ganz überlasse, wann sie was wie und mit wem bearbeiten. Hier biete ich einen Aufgabenpool für Deutsch/Mathe/Sachunterricht an, aus dem sie sich bis zum Halbjahresende einige aussuchen. Zudem steht ihnen frei, eigene Ideen, die mich inhaltlich überzeugen, gegen Aufgaben aus dem Pool auszutauschen. Auch ich lerne gern hinzu.
Klassenarbeiten können bei dieser Form der Differenzierung ein Problem werden, dem ich mit verschiedenen Maßnahmen begegne. Das zu erläutern, würde jetzt hier aber den Rahmen sprengen. Es sei nur so viel gesagt, dass ich "ganz normale" Klassenarbeiten schreiben lasse. Ich versuche dabei aber die Arbeiten immer so zu gestalten, dass sie eine Diagnosefunktion auf thematisch breiter Grundlage bereitstellen. Beispiel in Mathe: Oft sehe ich in Klassenarbeiten von Kolleginnen, dass sie 5 Aufgaben zur schriftlichen Multiplikation stellen. Das halte ich für überflüssig, weil mein Blick ein anderer ist. Mich interessiert es nicht, ob ein Kind 5 mal die schriftliche Multiplikation kann oder 5 mal eben nicht. Mich interessiert, kann es das überhaupt?! Dazu reichen mir je nach Perspektive und Scherpunkt eine bis zwei Aufgaben zur schriftlichen Multiplikation.
Du unterrichtest Biologie auf dem Gymnasium, wenn ich das richtig lese. Dort könnte ich mir beispielsweise vorstellen, dass du den Kindern vor einer Unterrichtsreihe Schlagwörter nennst, die wichtig, zentral, entscheidend sind. Damit die Schüler wissen, worauf es ankommt. Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich auch Klassenarbeiten von vergangenen Schulljahren am Anfang einer Einheit anschauen. Ich meine, die sind ja nicht blöd, sie wissen mittlerweile, wo der Sinn schulischen "Lernens" liegt, nämlich in der Note. Anschließend könnten sie sich mit Hilfe von Büchern, Impulsreferaten von dir, Internet etc. selbst das zu den von dir vorgegebenen Wörtern nötige Wissen erarbeiten. Dabei sind immer wieder Reflexions- und Sammelrunden notwendig! Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass Schüler, die ein Schulleben lang erlernt haben, dass sie meist nur das tun sollen, was ihnen jemand sagt, dass sie mit dieser Freiheit zunächst überfordert sein werden. Mit Freiräumen umzugehen, muss auch gelernt werden und erfordert Kompetenzen, die die Kinder ja bislang kaum erworben haben.
Bisschen was zum Weiterdenken: http://www.youtube.com/watch?v=IH73kKBZcU4 (sehr praxisnah)