Grundsätzlich muss ich dir (leider) Recht geben, auch wenn meine Erfahrungen nicht ganz so extrem waren wie deine. Ich antworte erst Mal auf deine Einzelpunkte:
zu 1:
Wie gesagt waren meine Erfahrungen nicht ganz so extrem, aber im Grundsatz gilt wohl, dass jeder nur das Referendariat mitmacht, um anschließend in seinem Traumjob arbeiten zu können. Ich bin mir sehr sicher, dass es in Baden-Württemberg (mein Bundesland, Lehramt Realschule) keinen einzigen Lehrer gibt, der sagen kann: "Das Seminar hat mich in meiner Ausbildung wirklich weitergebracht und mich im Beruf unterstützt". Nein, ausnahmslos alle sagen, dass man da eben durch muss, um in den Beruf rein zu kommen.
Hauptfokus bei mir war das erarbeiten von "Zauberstunden" für die Lehrproben. Ein Seminarbeauftragter sah es explizit als seinen Job an, uns für die "Zauberstunden" vorzubereiten, dann das sei nun mal das, worauf es in der Prüfung ankäme. Ergebnis: Dieser Seminarbeauftragte hatte in seiner Gruppe die allerbesten Prüfungsergebnisse. Ich bin diesem Mann noch heute sehr dankbar für seine Arbeitsauffassung, und das ist nicht ironisch gemeint! Er hat das System so ausgenutzt, wie es ausgenutzt werden wollte.
zu 2:
Im Allgemeinen gibt es an Seminaren einen großen Teil an Lehrbeauftragten, die den Job nur machen, weil sie dafür weniger unterrichten wollen oder weil sie diese Phase brauchen, um sich für Rektorenstellen bewerben zu können. Das ist meiner subjektiven Einschätzung nach nicht zu bestreiten. Mehr gibt es nicht zu sagen...
zu 3:
Ich gebe es ungern zu, aber das wurde mir leider erst spät bewusst. Vielen Dank für den Artikel. Das Wenige, an das ich mich aus meiner Pädagogik-Zeit an der PH Heidelberg noch erinnern kann ist, dass Schule drei Funktionen habe:
Selektion (die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in Kröpfchen, sprich an die Hauptschule).
Legitimation (der Staat trichtert den Schülern im Unterricht so lang ein, dass die vorhandene Staats- und Wirtschaftsform die beste sei, bis sie es alle glauben. Da jeder die Schule durchläuft, glaubt es im Laufe der Zeit einfach fast jeder.)
Qualifikation (die Schüler werden für die Anforderungen der Wirtschaft qualifiziert)
Tja, wie gesasgt, ich gebe es ungern zu, aber zu Studienzeiten habe ich das gar nicht mal als falsch empfunden. Erst nachdem ich eigene Kinder hatte und gelernt habe, jedem Zeit für seine eigene Entwicklung zu lassen und nachdem ich im Schuldienst feststellen musste, wie Schüler von Rektoren gezielt durch eine Prüfung "geprügelt" wurden, damit sie keine Chance haben, die Abschlussklasse zu wiederholen (man wollte sie loshaben), habe ich einiges anders gesehen.
Inzwischen bin ich nicht mehr im Schuldienst, sondern nach Entlassung auf eigenen Wunsch nach 5 Jahren in der freien Wirtschaft tätig. Aber hier stellt sich die Sinnfrage im Beruf noch schneller...
Soweit alles Gute für dich in der Zukunft.