Gerade, wenn ein wenig Zeitdruck herrscht, würde ich davon abraten, es auf eigene Faust zu versuchen. Die gängigen Lehrbücher (Kantharos, Hellas, Kairos, Xenia) sind nicht für eine autodidaktische Bearbeitung ausgelegt und auch eher weniger dafür geeignet. Am ehesten geht es wohl mit Hellas, da die Begleitgrammatik sehr umfangreich und für Lateiner auch einigermaßen verständlich ist.
Es gibt in den meisten Universitätsstädten Anbieter von kostenpflichtigen Graecumscrashkursen, die in kurzer Zeit (meist den Semesterferien oder etwas mehr) den Stoff so "durchprügeln", dass wirklich keine Zeit mehr für Nebenbeschäftigungen bleibt, evtl. wäre so ein Kurs etwas für dich, wenn dir der normale Weg (2-3 Semester Unikurs) zu lange dauert. Da beim Griechischlernen v.a. in der Grammatik immer wieder kleinere und größere Verständnisprobleme auftauchen, ist es auf jeden Fall anzuraten, einen Ansprechpartner zu haben, der sich auskennt und weiß, was wirklich wichtig ist.
Meine persönliche Erfahrung: Ich habe - wie die meisten Lateinstudenten, die das Graecum nicht aus der Schule mitbringen - die Unikurse neben dem normalen Studium belegt und dann irgendwann im zweiten Semester gemerkt, dass das nicht der richtige Weg ist, weil hier trotz des schon angezogenen Tempos irgendwie der Zug fehlte, ist wahrscheinlich auch eine Typfrage, wie diszipliniert man dranbleibt. Habe dann so einen Crashkurs belegt, mich da wirklich durchgequält bzw. quälen lassen, mehrere Wochen lang täglich ca. 10 Stunden für Sitzung, Nach- und Vorbereitung investiert und es im Endeffekt locker durch die Prüfungen geschafft.
Mittlerweile sitze ich, nachdem ich hinterher dann tatsächlich auch noch Griechisch studiert habe (Man sieht: Das Griechische kann so schlimm nicht sein!), bei den staatlichen Prüfungen häufiger als Prüfer auf der anderen Seite, korrigiere Graecumsklausuren und nehme die mündlichen Prüfungen ab, und sehe leider viele Studenten, die teilweise kläglich scheitern, weil sie m.E. das Ganze zu sehr auf die leichte Schulter nehmen. Den meisten fehlt zwar nicht das grammatische Grundwissen, das klappt meistens recht gut, aber definitiv die Lektüreerfahrung und der Durchblick bei den zu übersetzenden Texten. Ein Problem der Crashkurse ist häufig, dass die Zeit für die Lektüre der Platon-Texte recht kurz ist, und man dann nicht genug Zeit hat, den anfänglichen "Lektüreschock" (die Lateiner kennen den aus der Schule, wenn von der Lehrbuchphase plötzlich auf Originaltexte umgeschwenkt wird) zu verdauen. Da v.a. in der schriftlichen Prüfung die Texte durchaus anspruchsvoll sein können (und ich würde sagen: deutlich anspruchsvoller als die entsprechenden Latinumstexte), sind neben den grammatischen dann auch Probleme mit dem Verständnis vorprogrammiert. Viele scheitern dann schon in der schriftlichen Prüfung und werden gar nicht erst für die mündliche zugelassen, andere bringen aus der schriftlichen Prüfung Noten mit dem 5 vor dem Komma mit und schaffen es dann, auch wenn alle Prüfungen, bei denen ich dabei war, sehr fair waren, einfach nicht, die erforderliche Note zum Bestehen zu erreichen.
Soll heißen: Finde den für dich persönlich richtigen Weg, nimm dir aber unbedingt Zeit; ob es auf dem ganz schnellen Weg funktioniert, hängt stark von den persönlichen Umständen (Arbeitsweise, Begabung ...) ab. Wichtig: erst zur Prüfung anmelden, wenn du dir ganz sicher bist, dass du auch bestehst. Viele Übungstexte, evtl. auch einfach ein, zwei Dialoge komplett lesen und übersetzen (Standard: Apologie, Kriton, Phaidon). In BW ist es m.W. tatsächlich so, dass man an einer Universität eingeschrieben sein muss, man hat einen Freiversuch, der zweite muss sitzen, lieber gleich den ersten bestehen.
Allgemein: Wie Friesin schon schrieb, ist, wenn man es mal ganz platt formulieren will, die klassische lateinische Literatur ein Echo auf die griechischen Vorläufer, zu fast jedem lateinischen Autor bzw. Werk lassen sich griechische Vorbilder finden, die lateinischen Autoren gehen sehr virtuos mit den Vorlagen um, ein tiefes Verständnis der lateinischen Kultur ist ohne fundierte Kenntnisse auch in der griechischen kaum möglich. Das Graecum soll den Lateinern die Möglichkeit geben, auch sprachlich in die griechische Welt einzutauchen, es reicht aber nicht aus, um das dann tatsächlich auch zu tun, da man ja eben "nur" Prosatexte in der Sprache des klassischen Athens lesen kann. Bei vertiefter Beschäftigung mit dem griechischen Epos, der Tragödie, der Geschichtsschreibung etc. treten dann noch ganz andere sprachliche Eigenheiten auf.
Insgesamt ist das Griechische, wie schon angesprochen wurde, von seinem Formenreichtum deutlich komplizierter als das Lateinische, v.a. bei den Verben, wo das lateinische 3 Partizipien kennt, sind es im Griechischen 10, neben dem Aorist, gibt es tempusübergreifend neben Aktiv und Passiv auch noch das Medium, neben Indikativ und Konjunktiv den Optativ, bei den Substantiven den Dual, mehr Typen von Adjektiven und Verben, die Lautlehre spielt eine viel größere Rolle etc. pp. Auf einem guten Lateinfundament (Und auch ohne! Ich habe mittlerweile ungefähr gleich viele Schüler mit und ohne Lateinkenntnissen, die ähnlich erfolgreich sind) ist das aber machbar, der Zugang ist sehr entscheidend und das Dranbleiben. Gute Nachrichten: Der Ablativ entfällt und insbesondere sorgt der im Lateinischen fehlende, aber im Griechischen vorhandene Artikel dafür, dass Zusammengehöriges leichter erkennbar ist und die Übersetzung vielen Schülern grundsätzlich leichter fällt als im Lateinischen.