Während der Ausbildung und zu Beginn meines ersten „richtigen“ Dienstjahres hatten meine Unterrichtsvorbereitungen einen Umfang von mehreren A4-Seiten. Das war immer so von uns verlangt worden (einschließlich ellenlanger Nachbereitungen) und deshalb konnte ich es gar nicht anders.
Eines Tages passierte mir folgendes: Ich hatte Deutschunterricht im Chemiezimmer. Dort gab es so ein riesiges Pult, wie sie halt in Chemie- und Physikzimmern üblich sind. Auf ebendiesem Pult lag meine Unterrichtsvorbereitung. Ich stand vor der Klasse, das Pult also hinter mir. Da ich so fürchterlich viel aufgeschrieben hatte und man sich das alles eben nicht merken kann, hatte ich plötzlich restlos den Faden verloren und wusste nicht weiter. Ich musste also um das Pult herumlaufen (was ja ein Weilchen dauerte) und in meiner Vorbereitung die Stelle finden, die ich brauchte. Ich fand sie aber ewig nicht, weil die Zettel alle so vollgeschrieben waren. Die grinsenden Gesichter der Schüler sehe ich heute noch vor mir.
An jenem Tage habe ich aufgehört, solche Mammutvorbereitungen anzufertigen.
Heute benutze ich für eine Stunde ein A4-Blatt, auf dem aber nicht allzu viel draufsteht.
Ich notiere nur die Schwerpunkte und einige wenige Stichwörter dazu. Auch „kompliziertere Gedankengänge“ erscheinen nur in Stichwortform – aus o.g. Gründen. Man lernt im Laufe der Zeit, damit umzugehen, das kommt von ganz allein, wie meine Vorposter schon sagten.
Man muss auch einfach das Risiko eingehen, dass man mal einen Sachverhalt nicht so glänzend dargelegt hat, wie man es eigentlich wollte oder dass man mal eine Kleinigkeit vergisst. Wirklich wichtige Dinge vergisst man in der Regel nicht.
Nach jedem Schwerpunkt lasse ich zwei Zeilen frei – wegen der Übersichtlichkeit. Da sehe ich dann auf einen Blick, mit welchem Schwerpunkt es weitergeht. Aufgabenstellungen für schriftliche Arbeit schreibe ich meist wörtlich auf, denn die müssen absolut eindeutig sein.
Unterrichtsgespräche kann man, glaube ich, nicht so richtig planen. Die entwickeln immer so eine Art Eigendynamik.
Wichtig ist, (scheinbare) Widersprüche zu setzen oder zu provozieren (siehe Meikes Beitrag).
Dazu ein Beispiel aus dem Physikunterricht eines meiner Kollegen:
Er zeigte unseren Zwölfern ein Video, in dem es um irgendwelche Experimente von Wissenschaftlern ging. Das Ergebnis der Experimente wurde am Schluss als These formuliert.
Mein Kollege fragte die Klasse: „Ist diese These richtig? Was meint ihr?“ Die Schüler riefen alle: „Ja, na klar!“ Mein Kollege fragte: „Warum?“ – Antwort der Schüler: „Na, das haben doch Wissenschaftler gesagt. Die müssen es doch wissen!“ Darauf mein Kollege: „Wissenschaftler können sich also eurer Meinung nach nie irren!???“
An diesem Punkt hatte er die Diskussion, die er haben wollte, der Rest ging von ganz allein.
In meinem Deutschunterricht gibt es häufig auch Diskussionen, die überhaupt nicht geplant sind. Vor ein paar Tagen erzählte z.B. ein Schüler etwas von einem Buch, das er gelesen hatte, und es entwickelte sich spontan eine hochinteressante Diskussion. Die habe ich einfach laufen lassen. Das echte Interesse, das ich deutlich spürte, war mir wichtiger als das eigentliche Stundenthema. In dieser Stunde haben alle etwas gelernt (mich selbst einbegriffen).
So, ich hoffe, ich habe jetzt keine Eulen nach Athen getragen.
Gruß
Animagus