Ich verstehe deine Bedenken sehr gut. Ich habe dieses Jahr Eltern, die wirklich jeden Rahmen sprengen. Sie sind nur unsachlich, es prasselt nur Vorwürfe, es wird ALLES schlecht gemacht und natürlich sind die Noten das allerletzte und überhaupt wäre das Kind mindestens 2 Noten besser, wenn ich eine gute Lehrerin wäre und guten Unterricht machen würde! Basta. Jeder zweite Vorwurf ist zudem nicht wahr und könnte leicht widerlegt werden und an dieser Stelle habe ich bisher im "Gespräch" mit diesen Eltern meine größten Fehler gemacht. Ich dachte bei ihnen funktioniert, was in 95% der Fälle auch funktioniert: Man erklärt grob den Ablauf des Unterrichts (Einführung/ Übung/ Vertiefung) und zeigt die (begrenzten) Möglichkeiten auf, die sich im Rahmen des Unterrichts bieten, um schwächere Schüler aufzufangen. Aber weißt du was? Das kannst du bei dieser Art von Eltern einfach nur vergessen! Sie lassen nichts gelten. Das allerschlimmste, was man tun kann, ist auf Unverschämtheiten und Beleidigungen ("Wenn sie eine bessere Lehrerin wären, hätte mein Kind keine 5!") einzugehen und zu versuchen, sie durch sachliche Argumente zu entkräften. Diese Eltern setzen immer wieder einen drauf und jeder einzelne meiner erklärenden Versuche ist kaum ausgespochen Schall und Rauch, weil die nächste Unterstellung/ Lüge/ Beleidigung schon darauf wartet platziert zu werden.
Ich gehe inzwischen folgendermaßen vor: Ein konstruktives Gespräch ist nicht möglich - also lasse ich es. Meine Gesprächsführung nenne ich nur noch "Gandhimethode": Ich sitze ruhig da, lasse Beleidigungen kommen und gehen und sage kein Wort dazu. Zwischendurch gibt es ein "Ich nehme es zur Kenntnis". Durch diese ruhige äußere Haltung schaffe ich es, auch innerlich total ruhig zu bleiben, was die Eltern natürlich völlig irritiert, wenn auch nicht Schatt Matt setzt.
Nachdem das letzte "Gespäch" seitens der Eltern verbal wieder völlig entgleist ist, nehme ich meinen Schulleiter bei den nächsten "Gesprächen" mit dazu. Ich weiß, dass die Eltern gehofft haben, durch ihr massives Verhalten etwas "rauholen" zu können. Das Kind ist nun in der 9.Klasse und ist in allen Hauptfächern sehr schwach. Da nächstes Jahr Prüfung ist, stehen Kind = Eltern mit dem Rücken zur Wand. Das Auftreten der Eltern wird noch massiver - Gandhi in allen Ehren, aber ALLES will ich mir dann auch nicht bieten lassen. (Trotzdem feile ich weiter an meiner Gandhimethode! )
So realitätsferne Eltern habe ich in 10 Jahren noch nicht erlebt. Ob sie jemals wissen, welchen Schaden sie mit ihrem Verhalten anrichten? Sie wollen das Beste, das weiß ich, machen aber wirklich alles falsch, was man als Erziehungsberechtigter falsch machen kann. Auch die Beziehung zwischen mir und dem Kind konnte sich bisher kaum normal entwickeln. Denn das Kind muss seine schwache Leistungen zu Hause täglich rechtfertigen. So füttert es die Eltern mit entsprechenden Horrorgeschichten, die die Eltern dankbar annehmen, da die Schuldfrage wieder einmal beatwortet wurde. Das wiederum verhindert, dass das Kind sich mit den eigenen Möglichkeiten realistisch auseinandersetzen muss, denn die Eltern suggerieren ihm ständig: Du wärst überall spitze, wenn deine Lehrer nicht so dumm wären! Inzwischen hat das Kind so falsche Vorstellungen von seinen Möglichkeiten, dass es nächstes Jahr nach Klasse 10 auf jeden Fall auf das Gymnasium wechseln möchte. Jetzt ist der Druck sowohl für das Kind als auch für die Eltern ins Unermessliche gestiegen und wer sind diejenigen, die diesen Plan mutwillig zerstören? Der Quell allen Übels? Genau! Es ist eine sehr vertrakte Situation.
Dabei gäbe es für dieses Kind alle Möglichkeiten der Welt, aber die Eltern wollen von nichts anderem hören. Ich bin mal gespannt, wie es nächstes Jahr weitergeht, denn das Kind, wird dieses Ziel des "Übertritts" mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreichen.
Grüße
Mara