Hallo,
an vielen Stellen in diesem Forum fallen mir zwei Gruppen auf:
Auf der einen Seite die Primarstufler. Sie übernehmen die Kinder aus dem Kindergarten und geben ihnen wärend der ein- bis dreijährigen Schuleingangsphase das Rüstzeug mit, die Kompetenzen der folgenden Jahre erwerben zu können. Dabei unterstützen sie konstruktivistisch, flexibel, binnendifferenziert, unter Nutzung unterschiedlichster Methoden die Entwicklung der jungen Gehirne und leisten Erstaunliches, indem sie das spielerisch-entdeckende Lernvermögen behutsam ergänzen und strukturieren. Die restlichen Jahre der Grundschule erledigen sich fast wie von selbst.
Andererseits gibt es die Sekundarkollegen. Sie haben den Abschluss vor Augen: das Abitur oder zumindest die mittlere Reife. Auf dem Weg zu diesen Abschlüssen müssen bestimmte Lehrpläne eingehalten werden, wobei die zeitlichen und räumlichen Möglichkeiten streng schematisiert sind. Eine große Anzahl an fachlichen Kompetenzen muss an bestimmten Inhalten erworben werden. Und wenn diese Vorgaben nicht erfüllt werden, ist der entsprechende Abschluss schlicht und einfach nicht möglich. Die Lehrkräfte können sich zwar auf wenige Fächer spezialisieren, haben dafür aber eine hohe Anzahl an großen Lerngruppen, die in teilweise notdürftig ausgestatteten Fachräumen lernen dürfen. Nicht selten findet der Fachunterricht in einer einzelnen Stunde pro Woche statt.
Diese beiden Gruppen stoßen nun im Forum aufeinander und können sich nicht vorstellen, dass bei der jeweils anderen eine funktionierende Lernsituation stattfinden kann. Und dann wird aber auf keinen Fall der Versuch unternommen, dass beide Gruppen im Grunde das gleiche wollen, und so vielleicht in einer Annäherung eine sinnvolle Kombination beider Herangehensweisen geschaffen werden könnte. Nein, beide Gruppen wehren den Kontakt wehement ab und drängen sich sogar gegenseitig tiefer in ihre Ecken als sie vorher standen.
Natürlich ist es nicht möglich, dass ein Schüler, der acht Jahre lang Unterricht nach Art der Feuerzangenbowle erleben durfte, innerhalb von 45 Minuten in einer selbstentdeckenden Lernsituation sein Verhalten umstellt und so zum begeisterten, eigenständigen Selbstlerner wird (ob mit oder ohne Disziplinierung, Sanktion, Strafe, ...).
Und wahrscheinlich dürfte es auch nicht einfach sein, in einer achten Klasse, die nur spielerisch-entdeckend selbständig lernen durfte, jeden Schüler in drei Fächern innerhalb kurzer Zeit auf die zentralen Lernstandserhebungen vorzubereiten.
Vielleicht besinnen sich beide Gruppen mal auf den Übergang zwischen dem offenen Eingangslernen hin zum vorgeschriebenen Abschlussschema, anstatt beides unvorbereitet zu kombinieren, dass die Kombination nur scheitern kann.
Sommerliche Grüße
Noch das Kleingedruckte: a) Der vorstehende Text basiert auf der Situation in Nordrhein-Westfalen. Lehrkräfte anderer Bundesländer mögen die betreffenden Passagen entsprechend anpassen. b) Die Bezeichnung Schüler schließt selbstverständlich das andere Geschlecht mit ein.