Schon mehrfach habe ich auf die katastrophalen Bedingungen bei den hilflosen Umsetzungsversuchen der Spar- und Mogelpaketes zum Thema Inklusion in diesem Forum aufmerksam gemacht. Ich habe erfolglos versucht, Kolleginnen und Kollegen mit ins Boot zu bekommen, um den Medien gegenüber die Augen zu öffnen. Nun stelle ich fest, dass diese Problematik im Regelschulsystem angekommen ist. Ich denke, dass es politisch gewollt und nur noch eine Frage der Zeit ist, bis alle Schulformen davon betroffen sein werden. Auch mich hat es erwartungsgemäß nun getroffen. Meine 10- er, die ich bis zu den Sommerferien noch in unserer Förderschule bis zur Entlassung begleiten durfte, sind nun entlassen. Übrigens verließen 1/3 "meiner Kinder" die Schule mir einem Lehrvertrag in der Tasche. Eine Schülerin wird Altenpflegehelferin, 3 gehen weiter zur Schule und die anderen, die wollten, besuchen einen Förderlehrgang und werden erfahrungsgemäß im nächsten Jahr eine Lehre beginnen. Auch ist es uns gelungen, eine Schülerin in einem Internat mit Berufsausbildung unter zu bringen. So viel zur Chancenlosigkeit von Förderschülern. Der Abschied war tränenreich auf allen Seiten. Ich kann mit Sicherheit die Behauptung aufstellen, dass sich meine Kinder bei uns bestens aufgehoben und gefördert fühlten. Nun kommt für mich der Paradigmenwechsel. Ungeachtet meines Engegements, den ich jahrelang, gerne und erfolgreich zum Wohl meiner Schule an den Tag gelegt habe, werde ich im kommenden Schuljahr keine Klasse mehr haben, zwischen zwei Schulen pendeln und versuchen den Mangel zu verwalten. Begründung: Jeder ist mal dran.
Das sind Tatsachen an den noch bestehenden Förderschulen:
1. Es gibt keine ausgebildeten Förderschullehrer auf dem Markt.
2. Es werden nur noch Seiteneinsteiger eingestellt, weil es keine anderen gibt.
3. Die wenigen verbleibenden Förderschullehrer werden abgeordnet. Die Seiteneinsteiger dürfen sich an unseren Kindern in den Förderschulen versuchen.
4. Alle pendeln mit mangelnder Versicherung mit dem eigenen PKW obwohl sie es nicht müssten. Das wäre ein geeignetes Mittel der Politik gegenüber endlich Klarheit zu schaffen.
5. Die Förderstunden werden immer mehr zurück gefahren ( 2Std/ Kind mit Lernbehinderung)
6. Wir müssen auch die Kinder mit geistigen Behinderungen fördern ( in der HS, aber wie? Ohne die notwendigen Rahmenbedingungen. Gerlnt haben wir das auch nicht.
7. Es gibt ein unglaubliches Gerangel um die Abordnungen, weil es an keiner Förderschule genügend Kolleginnen und Kollegen gibt.
8. Die "Förderung" im Sek. 1 Bereich findet völlig strukturlos statt und ist sehr personenabhängig.
Ich für meinen Teil bin davon überzeugt, dass sich die Rahmenbedingungen nicht verbessern werden. Kurz vor den Ferien haben ich an meinem zukünfigten Arbeitsort hospitiert. Nun weiß ich was mich erwarten wird. Ich werde wohl als best bezahlte Nachhilfelehrerin eingesetzt. Ich fühle mich abgeschoben und degradiert. Ích bin weiterhin davon überzeugt, dass alle unsere Förderkinder durchs Netz fallen werden. Ich habe am Donnerstag, also einen Tag vor den Ferien, in der Regelschule mal nachgefragt, wie viele Kinder in den GU kommen, welche Behinderungen sie haben, mit wem ich zusammen arbeiten werde. Leider konnte mir die Schulleitung keine Auskünfte geben. Ich gehe also in die Sommerferien ohne auch nur im geringsten zu wissen, was mich erwarten wird. Nach den Sommerferien werde ich also dort erscheinen, um zu sagen " Hier bin ich! Ich habe überhaupt keine Ahnung wie ich diese "Förderung" organisieren soll. Habe mir erst einmal ein "mobiles Inklusionsbüro" eingerichtet. Im Förderraum gibt es kenie Materialien. Also werde ich mir einen fahrbaren Lehrerkoffer zulegen und versuchen hier irgendetwas zu bewirken. Leider haben die Herrn Politiker außer Acht gelassen, dass Förderschularbeit zu großen Teilen Beziehungs- und Erziehungsarbeit ist. Wie soll ich bitte schön mit 9 Wochenstunden in verschiedenen Klassen irgendwas bewirken? Mit hat man dermaßen die Flügel beschnitten, dass ich im Moment am liebsten alles hinwerfen würde und ganz was anderen versuchen möchte. Aber was, mit 58?. Wenn Inklusion überhaupt gelingen soll, dann nur, wenn wir Sondeschullehrer fest als Kollegiumsmitglieder an einer Schule, in einer Klasse arbeiten könnten. Ich fühle mit zerrissen und weiß nicht wo ich hingehöre. Ich werde an doppelten Konferenzen, Elternsprechtagen, Ausflügen usw. teilnehmen. Ich werde nichts mehr mitbekommen, was in meiner Stammschule gerade angesagt ist. Ich werde in meinen Pausen die Schulorte wechseln. Ich werde die Materialien aus unserer Schule mitnehmen ohne dass wir dafür mehr Geld bekommen. Ich werde den Bezug zu den Schülerinnen und Schülern in meiner Stammschule verlieren. Ich verabschiede mich momentan von meinem gelebten Beruf. Ich werde zum "Förderplan-und Konzepteschreiber und Evaluierer", Besserwisser, Vermittlier, Netzwerkknüpfer. Eine grauenhafte Vorstellung. Was ich kann, ist Schüler motivieren, für eine Sache begeistern, mit Schülern zusammen was auf die Beine stellen, an die Kinder glauben, ihnen was beibringen, komplexe Unterrichtinhalte vereinfachen, veranschaulichen, Medien erstellen. Ich will Verantwortung übernehmen. Das alles hat man mir genommen. Ach nein, die Sachen, die unserer Außenwirkung dienlich sind darf ich zwischendurch an der Stammschule noch machen: Das Schülercafé betreiben, mit der Schulband für positve Rückmeldung mit verschiedenen Auftritten sorgen und die Website fortführen( auch wenn ich gar nicht mehr weiß, was an der Stammschule los ist) Ich habe in 10 Jahren Arbeit an unserer Förderschule vielleicht 3 Tage gefehlt, mich mit dem Kopf unterm Arm zur Schule geschleppt, weil ich wusste wofür. Ich kann die Kolleginnen und Kollegen verstehehen die 60 Tage fehlen. Das kann man psychisch kaum verkraften, wenn man seinen Beruf liebt. Das schlimmste dabei aber ist, dass den größten Teil der Probleme die Regelschullehrer tragen werden.