Ganz so provokant hatte ich das nicht gemeint, aber mir schäumt zur Zeit so einiges an Wut hoch und wenn ich dann lese, das Bildungssystem solle alles Schuld sein, frage ich mich, welche Erziehungspflichten die Eltern denn überhaupt noch ernst nehmen. Es entspricht - leider, leider - den Tatsachen, dass ein Kind aus sozial- und/oder bildungsschwachen Verhältnissen ohne Unterstützung und Engagement keine Chance auf eine gymnasiale Karriere hat. Die momentane Diskussion darüber, dass unsere Empfehlungen für die weiterführende Schule genau diese Prägung hat, lässt einen wichtigen Punkt außer Acht:
ein Kind mit normaler Intelligenz und Leistung aus einem solchen familiären Hintergrund (ich möchte betonen, dass es auch wohl situierte Familien gibt, die sich nicht um ihre Kinder kümmern und diese bildungsmäßig verhungern lassen) bekommt nätürlich sehr viel schwerer eine entsprechende Empfehlung fürs Gymnasium, weil der Grundschullehrer ja schon vier Jahre die Erfahrung gemacht hat, dass dieses Kind auf sich allein gestellt ist! Also erspare ich diesem Kind doch lieber den Misserfolg und empfehle es für eine andere Schulform, in der es auch ohne häusliche Hilfe zu Recht kommt. Immer mit dem Wissen, dass es MIT Hilfe durchaus mehr leisten könnte.
- war das irgendwie verständlich? ich sitze hier nämlich mit grippekopf und versuche mich ein bisschen von meinem fieber abzulenken -
Ich plane die Mithilfe des Elternhauses nur noch beschränkt ein, weil ich es als selbstverständlich ansehe, dass sich Eltern wenigstens rudimentär für das Schulleben ihrer Kinder interessieren. (Anmerkung: Ich arbeite NICHT in einem sozialen Brennpunkt und habe KEINE Kinder in der Klasse, die der deutschen Sprache NICHT mächtig sind!!!)
D.h. ich erwarte die Kontrolle der Vollständigkeit (nicht der Richtigkeit) der Hausaufgaben. Das schafft ungefähr die Hälfte. Die andere Hälfte der Kinder hat dann auch regelmäßig keine HA, bringt verabredete Dinge nicht mit, zahlt erst nach langem Ermahnen Beträge für Ausflüge usw. Also findet für mich zu Hause auch keine Erziehung zu Pflichterfüllung und Verlässlichkeit statt. Das erwarte ich allerdings!
Ich gehe oft von dem Bild aus, das ich von meiner Mutter (nicht berufstätig) habe, die es auch ohne große Paukerei geschafft hat, dass ich so langweilige Dinge wie Rechtschreibung gelernt habe. Bei uns wurde viel gespielt, gesprochen und gelesen. TV durfte ich nur wenig gucken. Vielleicht liegt es doch daran?
Doch auch die leistungsstarken Kinder in meiner Klasse mit bis abends beruftätigen Eltern müssen das ja irgendwie geregelt bekommen. Die machen am WE auch Ausflüge und haben Oma und Opa zu Besuch, spielen nachmittags mit Freunden etc. Ich weiß immer nur, was in den anderen Familien auffällig falsch läuft, was aber machen die anderen - so augenscheinlich nebenbei - richtiger?
Aufgrund dieses Mangels an sozialer Kompetenz und Arbeitshaltung, habe ich viel weniger Zeit für meine 'Bildungsvermittlung'. Einen Großteil des Schulmorgens brauche ich für die Erziehungsarbeit. Deshalb müssen die Eltern schwieriger Schüler die erklärten Lerninhalte auch schon mal aufarbeiten. Ein ewiger Diskussionsstoff, denn die Eltern sind genauso uneinsichtig wie ihre Kinder ...
Die jetztige Elterngeneration ist leider mein Jahrgang und frage mich oft, ob ich nicht auch manchmal überfordert wäre. Hatten unsere Eltern mehr Disziplin? Wir sind ja doch freier erzogen worden, vielleicht ist das jetzt der Nachteil, dass wir unseren Kindern die notwendige Strenge und Ordnung (Orientierung) nicht mehr weiter geben können.
sehr nachdenklich
strucki