Ich schildere mal zwei meiner Schülerinnen, die mit fünf Jahren eingeschult wurden. Die eine ist nun im vierten Schuljahr und erbringt gute bis sehr gute Leistungen. Das ist aber nur möglich, weil sie zu Hause zu äußerster Disziplin angehalten wird und augenscheinlich über eine erstaunliche Auffassungsgabe verfügt. Im Kindergarten-/Vorschulalter haben die Eltern ihre Musikalität gefördert, was meines Erachtens zu einem strukturierten Lernen beiträgt. Ihre einzigen 'Defizite' sehe ich in ihrer sozialen und körperlichen Entwicklung. Sie wirkt in ihrer Motorik (nicht beim Schreiben!) wie eine Erstklässlerin, weil sie zudem auch noch sehr klein ist. Nun haben die Eltern Probleme, sie - trotz hervorragender Noten - am (kirchlich/privaten) Wunschgymnasium anzumelden, weil der Schulleiter Angst hat, die Kleine könnte aufgrund der Anforderungen dem Druck nicht gewachsen sein! Das versuche ich gerade in Gesprächen zu entkräften.
Die andere Schülerin erlebe ich gerade im ersten Schuljahr. Sie ist sehr wissbegierig, kann auch schon so Einiges, das im KiGa sicher entsprechend aufgefallen ist. Aber es fehlen ihr grundsätzliche Dinge, die meiner Meinung nach einfach zur Schulreife gehören. So schreibt sie z.B. Hausaufgaben ins Mathebuch nicht mit Bleistift, sondern - weil sie Lust dazu hat - mit Filzstift. Sie arbeitet auch vor, kann mir aber nicht erklären, was sie gerechnet hat. Vermutlich glaubte sie, diese Aufgaben machen zu müssen (HA nicht notiert ...) und die Eltern haben sie mit ihr gerechnet. Mitten in der Stunde holt sie ihr Brot raus. Frage ich ruhig nach, bekomme ich die - verständliche - Antwort, dass sie Hunger hat. Aber wir haben nun mal Regeln, die gelernt werden müssen. Sie vergisst auch häufig Hausaufgaben oder Material und hat unter ihrem Tisch eine komplette Spielesammlung inclusive Chaos. Stifthaltung und Ausschneidetechnik lassen mich regelmäßig verzweifeln. Mittlerweile sehen auch die Eltern (von sich aus), dass ein Jahr im KiGa die fehlenden Kompetenzen und Fertigkeiten hätte hervorbringen können.
Was dieses Kind nun erlebt ist Schulfrust. Das tut mir in der Seele weh und war bei der Anmeldung nicht absehbar. Ich hoffe nur, dass diesem Kind ab August in der Flex besser entgegen gekommen werden kann. Sie wird aller Wahrscheinlichkeit nach dort noch zwei Jahre verbleiben müssen.
Ich wünsche mir, dass die Kindergärten wieder Vorschulförderung betreiben müssen. Ich selbst bekam eine Mappe mit Übungen und hatte fast jeden Tag zusammen mit den anderen 5-6jährigen eine Gruppenstunde. Da ich im Sommer geboren bin, 'durfte' ich erst mit sieben Jahren in die Schule. Es hat mir nicht geschadet schon lesen zu können. In meiner Klasse ist auch ein solches Kind und ich empfinde sie in allen Bereichen einfach als 'reifer' und sicher.
Es wurde weiter oben vom Montessori-KiGa gesprochen. Ich kann das nur unterstützen. Dort wird auf die sensiblen Phasen des Kindes eingegangen. Diese können aber auch sehr kurz sein! Wenn zu Hause ansprechendes Material liegt, mit dem sich das Kind beschäftigen möchte, erkläre es ihm. Es entscheidet dann schon selbst, ob es damit 'arbeiten' möchte oder nicht.
Hier gibt es eine umfassende Linksammlung zum Thema Montessori: http://www.lrz-muenchen.de/~montessori/
Für interessierte Eltern bieten Volkshochschulen und Montessorischulen auch immer Infoveranstaltungen und Übungsabende mit dem Material an.
LG
Talida