Als ich mein BWL-Studium begann, war der Nachweis eines sechsmonatigen Betriebspraktikums vor Studienbeginn noch eine der Eingangsvoraussetzungen. Nachdrücklich empfohlen wurde jedoch eine kaufmännische Lehre. Kurz danach wurde das Pflichtpraktikum als Eingangsvoraussetzung abgeschafft. Hauptgründe waren:
Es wurden häufig fingierte Gefälligkeitsbescheinigungen vorgelegt.
Es wurden nur stumpfsinnige Hilfsarbeiten (z. B. Registratur von Belegen) ausgeführt.
Wurde der Praktikant wirklich in ein interessantes Projekt eingebunden, bekam der dadurch noch lange nicht den Blick auf die Vielfalt und Zusammenhänge betrieblicher Abläufe und auf andere Betriebsarten.
Daran dürfte sich bis heute nichts geändert haben. Wo sollten denn diese Praktika für Lehrer stattfinden? Bei ALDI an der Kasse, in der Vorstandsetage einer Bank, beim Friedhofsgärter mit 10.000 Mann ‚unter sich‘, in der Massentierhaltung oder an Bord einer Lufthansamaschine?
Neulich beim Frisör kam ich mit einer Schülerin ins Gespräch, die dort ein Berufsfindungspraktikum absolvierte, und erkundigte mich, ob es da ein Programm gebe, welche Arbeiten (z. B. Haare waschen) sie ausführen müsse. Da schaltete sich der Chef ein: ‚Nein, die lasse ich den ganzen Tag nur stehen. Wer nicht stehen kann, taugt nicht für diesen Beruf.‘
Wollte man mir solches demnächst auch antun wollen, würde ich mich wegen des Fremdsprachenunterrichts für ein von Baden-Württemberg finanziertes Praktikum in einem Hotel in Spanien bewerben, selbst auf die Gefahr hin, dass mir der Hotelier erklärt, am nächsten Tag Insolvenz anzumelden, damit ich den Bezug zur Praxis bekomme.
Alternativ könnte ich mir vorstellen, an einer der von den Kindern unseres Kultusministers besuchten Waldorfschulen zu lernen, meinen Namen zu tanzen. Vielleicht entspannt das etwas.
Die Schule soll auf das Leben vorbereiten. Wie dieses jedoch im Einzelfall verläuft, ist im Voraus nicht zu sagen. Aus der Vielzahl der Kulturgüter werden exemplarisch nur wenige als Bildungsgüter ausgewählt, die je nach Schulart unterschiedlich sein können. So mag ein Gymnasiast nicht gerlernt haben, seine Einkommensteuererklärung auszufüllen und welcher Unterschied zwischen Einnahmen, Einkünften, Einkommen und zu versteuerndem Einkommen besteht. Ein Berufsschüler mag auf die Frage: ‚Kennst du Goethe?‘ antworten: ‚Nein, wie macht man das?‘ Alles kann und soll die Schule nicht vermitteln. Dazu gibt es genügend Möglichkeiten auch außerhalb.
Die Landesregierung Baden-Württemberg behauptet in einem Werbespot: ‚Wir können alles, außer Hochdeutsch.‘ Wozu dann Praktika für Lehrer?