Zu verbessern gibt es an diesem Unterrichtsentwurf kaum etwas. Du solltest ihn vielmehr ganz entsorgen und erst einmal eine Struktur aufbauen. Eine der pädagogischen Grundregeln lautet: Vom Allgemeinen zum Speziellen. Du gehst genau umgekehrt vor. Du konfrontierst die Schüler mit einem speziellen Ausnahmefall, ohne dass diese die allgemeinen Regelungen (d. h. §§ 104 ff. BGB) verinnerlicht haben.
Einer der größten Fehler von Schülern beim Lösen von Rechtsfällen ist es, spontan eine Lösung parat zu haben und danach eine passende Begründung dafür zu suchen. Im Schriftlichen führt dies unweigerlich zum Urteilsstil (….., WEIL ….). Die Schüler müssen jedoch dazu gebracht werden, erst den Fall zu prüfen und dann eine Schlussfolgerung zu ziehen (Gutachterstil; …. DESHALB ….). Dadurch, dass du die Schüler aufforderst, zunächst einmal aus dem hohlen Bauch ungeprüft eine Lösung vorzuschlagen, setzt du ein völlig falsches Signal. Grundregel muss sein: Der Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.
Genaues Lesen von Gesetzestexten lernen Schüler nicht dadurch, indem man ihnen einen Paragrafen
vorlegt und damit allein lässt. Man muss sie vielmehr mit der Nase auf Besonderheiten stoßen. Kaum ein Schüler wird von sich aus an der Formulierung im § 110 BGB „Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag …“ etwas Auffälliges finden. Es genügt aber nicht zu wissen, wer minderjährig ist, sondern die Schüler müssen auch erkennen, weshalb es ‚der Minderjährige‘ und nicht ‚ein Minderjähriger‘ heißt. Der bestimmte Artikel steht deshalb, weil es sich um einen bestimmten Minderjährigen handelt, was man den Schülern erst einmal klar machen muss, denn aus dem Deutschunterricht bringen sie dies nur selten mit. Sollen sie dann noch herausfinden, um welchen Minderjährigen es sich im konkreten Fall handelt, brauchen sie bestimmt zehn Minuten, ehe sie diesen im § 106 BGB entdecken.
Der Begriff ‚Zustimmung‘ taucht hier erstmals auf. Vorher war von ‚Einwilligung‘ und ‚Genehmigung‘ die
Rede. Wie sollen die Schüler diese Begriffe zuordnen können, wenn ihnen nicht vorher (anhand der einschlägigen Rechtsnorm) die Unterschiede verdeutlicht wurden? Nein, man kann die Schüler beim
Heranführen an das Lesen von Gesetzestexten nicht allein lassen, sondern muss sie an die Hand nehmen und Schritt für Schritt führen. Schon das laute Vorlesen bereitet heute oft Schwierigkeiten. Selbst bei meinen erwachsenen Schülern, fast alle mit Abitur, abgeschlossener Berufsausbildung und Berufspraxis, kann ich mir ein ’Das Schwarze sind die Buchstaben‘ manchmal nicht verkneifen.
Um Klein-Mustafa zu erklären, wer in Deutschland 'gesetzlicher Vertreter' ist und wie das bei Alleinerziehenden ist, vergehen locker fünf Minuten. Wird der grün-rote Bildungsplan in Baden-Württemberg umgesetzt, muss man noch vermitteln, dass das Schwulenpaar, das einen Minderjährigen adoptiert hat, ein Normalfall ist. Lässt man dann die Schüler danach suchen, wo und wie die gesetzliche Vertretung hier geregelt ist, ist die Stunde rum.
Den Begriff *Taschengeldparagraf* sollte man gar nicht erwähnen, da er nur verwirrt und inhaltlich unzutreffend ist. Er stand und steht auch nicht im Gesetz. Heinrich Schönfelder hat ihn Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts einmal aus redaktionellen Gründen in eckiger Klammer und in Anführungszeichen in seine Gesetzessammlung eingefügt. Seit 2002 gehören Überschriften im BGB zum Gesetzestext. Aber auch jetzt ist dort ein 'Taschengeld' nicht zu finden.
Mein Rat: Baue eine Unterrichtsreihe auf und beginne mit § 104 BGB. Fallsammlungen gibt es hierfür jede Menge. Der Satz: 'Der gute Jurist liest immer einen Paragrafen weiter.' sollte zum Standardrepertoire gehören. Dort steht dann häufig: 'Das gilt nicht, wenn … ' und führt nach vermeintlich gefundener Lösung wieder in die Ernüchterung oder zu einer ganz neuen Erkenntnis.
In diesem Sinne sollte der § 110 BGB der krönende Abschluss einer Unterrichtsreihe sein.