Unser Biologe hat weiter oben einen Gedanken verloren, der offenbar ungefiltert in seine Tastatur gefallen ist. Leider begegnet einem diese Denkweise immer wieder; mir zum Beispiel ist sie - in leicht abgewandelter Form - bekannt aus meinem früheren Leben als freiberuflichem Trompeter.
Zitat
Auf jeden Fall gehören Sie offensichtlich zu den Lehrern, die nur ja nie zu viel arbeiten. Sie können sich wohl gar nicht vorstellen, dass es in unserem Land Millionen Menschen gibt, die ehrenamtlich arbeiten. In der Grundschulklasse meiner Tochter waren wir immer mehrere Eltern, die ehrenamtlich AGs leiteten. In Sportvereinen leisten unzählige Menschen wertvolle Arbeit für die Jugend. Sie tun das, weil ihnen etwas an den jungen Menschen liegt und sie ihnen helfen wollen. Studenten geben Schülern kostenlosen Nachhilfe-Unterricht und viele ältere Menschen lesen ehrenamtlich Kindern vor. Aber das sehen vielleicht diejenigen nicht gerne, für die Arbeit mit jungen Menschen nichts anderes als ein Job ist.
Mir ist es des öfteren Folgendes passiert: Bei einer Anfrage bezüglich eines Auftritts wurden im Laufe des Gesprächs meist viele - für ein Vorgespräch teilweise lächerlich detaillierte - Dinge besprochen, bevor es dann ganz am Ende fast verschämt hieß:
"Ja, jetzt hätte ich fast vergessen zu fragen: Was kostet das denn bei Ihnen?"
Ich habe dann immer eine für einen Berufsmusiker und den jeweiligen Auftritt übliche Gage genannt. (Üblich, weil immer wieder mit Kollegen abgeglichen)
"Ach, so viel! Da habe ich jetzt aber nicht mit gerechnet. Macht Ihnen das denn keinen Spaß?"
Wenn diese Frage kam, war bei mir immer der Ofen aus. Ich habe mich dann zu Vergleichen hinreißen lassen ("Rufen Sie mal Sonntags morgens einen Klempner, weil Ihr Klo überlauft und verhandeln Sie über seinen Stundensatz mit der Begründung, Ihm mache sein Beruf doch sicherlich Spaß...") oder direkt gesagt: "Nö! Musik mache ich nur für die Kohle."
Das Grund für die Frage "Macht Ihnen das denn keinen Spaß?" ist mir inzwischen völlig klar: Sobald es um eine Tätigkeit geht, die von vielen Menschen aus Liebhaberei und auf teilweise hohem Niveau betrieben wird, scheint es ein Wahrnehmungsproblem zu geben. Es gibt offenbar etliche Mitmenschen, die etwas, das man mit Spaß und Leidenschaft als Hobby ausüben kann, nicht als Arbeit betrachten können. Auf der anderen Seite gibt es viele Jobs, die gar nicht erst verdächtig sind, sonderlich Spaß machen zu können. Ist für die bedauernswerten Menschen, die ihren Beruf nur mühsam ertragen, ein Hobby zum lebensnotwendigen Ausgleich geworden, fällt es wahrscheinlich noch viel schwerer zu akzeptieren, dass andere dieses Hobby als Beruf ausüben.
Level 2 erreicht der Rechtfertigungsdruck, wenn es um die Arbeit mit (jungen) Menschen geht. Dass man da überhaupt Geld für sehen will, ist ja schon unanständig genug. Sich automatisch in seinem Beruf zusätzlich ehrenamtlich zu engagieren, ist das Mindeste, was erwartet wird, am besten bis zur Selbstaufgabe.
Leider ist mir dieses kranke Denken auch schon im aktuellen Beruf begegnet. Ein jüngerer Kollege sagte mir im Gespräch über eine zu übernehmende zusätzliche Aufgabe (die ich nicht eingesehen habe) völlig unvermittelt: "Wir werden aber auch wirklich gut bezahlt." Hilfe!!!
Also: Es gibt Personen wie Biologe, in deren Augen man zu einem schlechten Menschen wird, wenn man sein ehrenamtliches Engagement nicht in den Beruf integriert. Sie machen einem das Leben schwer, weil auf einmal eine moralische Komponente über allem schwebt. Richtig eklig ist das irgendwie...
Es grüßt: Brasstalavista