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Ja, aber das sind doch wohl sehr gute Gründe für die Studienentscheidung. Auch die Arbeitsplatzsicherheit ist imho eines der besten pro Argumente für diese Berufswahl. Ich meine wenn diese Gründe nicht gut und legitim sind, welche denn dann?
Vielleicht verstehe ich Dich gerade auch falsch und Du meinst eher, dass diese Erwartungen dann enttäuscht werden, also, dass der Beruf wider Erwarten doch nicht so gut vereinbar mit der Familie ist und man doch nicht mehr Freizeit hat als ein vergleichbarer (studierter) Arbeitnehmer?
Selbstredend sind solche Berufswünsche legitim! Nur, wie du ja im letzten Absatz schreibst sind diese Wünsche meist verklärt. Und ein Großteil an Frustration erfahre ich bei Kollegen darin, dass diese sich zu wenig mit dem Berufsbild auseinandergesetzt haben. Das fängt im Referendariat z.B. schon damit an, dass Leute bereits eine Immobilie kaufen und sich dann ärgern, wenn sie in an ihrem Wunschort keine Stelle angeboten bekommen.
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Das kann ich mir durchaus vorstellen. Einfach weil diejenigen in erster Linie Realisten sind und nicht aus ideologischen Gründen den Beruf ergriffen.
Eine These die mir so kommt ist, dass die Bedingungen für Lehrer vllt. unter anderem deshalb so schlecht sind, beziehungsweise werden konnten, weil es in dem Beruf vllt. wirklich verbreitet und üblich ist aus eher ideologischen Gründen den Beruf zu wählen. Zumindest deutlich verbreiteter als beim Bänker oder Versicherungsangestellten.
Das geht von "Ich bin für Eltern jeder Zeit telefonisch erreichbar" über "Ich mache ausführlichste Stundenvorbereitung und komme damit über die vorgesehenen 42 Stunden die Woche, weil sonst mein Unterricht nicht gut genug ist für die Schüler" über "Ich renoviere den Klassenraum selbst, weil es ja sonst keiner macht" bis zu "Ich zahl meine Klassenfahrt selber, weil die armen Kinder ja sonst keine Fahrt machen können".
Es gilt zu klären, was wir als ideologisch erachten. Häufig werden pädagogische Bestandteile des Berufs gern gemieden (gerade von Lehrern, die sich lediglich als Fachlehrer sehen). Aber bereits ein Blick ins GG zeigt, dass zu dem Beruf Lehrer neben Bildung auch ein Erziehungsauftrag gehört. Sieht man in die Bildungspläne, so zeigt sich, dass Werteerziehung grundlegende Aufgabe ist. Nun bliebe zu Fragen, ob Demokratieerziehung und politische Bildung per se als ideologisch zu erachten seien. Wenn ja, so muss man als Lehrer jedoch einsehen, dass diese Bestandteile nun mal zu seinem Beruf gehören. Damit ich hier nicht missverstanden werde: Es geht hier nicht um Modelle wie demokratische Schulgemeinschaft (Kohlberg) sondern lediglich dem Anspruch, dass Lehrer die Aufgabe haben, demokratische Werte vorzuleben. Das geht m. E. auch, wenn man kein idealistischer Eiferer ist. Allerdings erlebt man es leider oft, dass es manchen Lehrern hier an einem soliden Fundament mangelt. Ich denke da z.B. an Kollegen, die sich mit der Aussage "Prügelstrafe hat auch etwas Gutes gehabt" anfreunden können. Die für mich deutlich gestresstesten Lehrer sind nicht engagierte Lehrer, sondern jene, die schlicht mit dem Erziehungsauftrag überfordert sind. Da kommt dann, wenn die Illusion, ein Anrecht auf liebe Schüler zu haben, zerbricht, das häufig vernehmbare Argument, Eltern seien hier alleine verantwortlich. Ich habe es gerade im Grundschulbereich oft gesehen, dass Frustration durch die diskrepanz entsteht, dass eben auch kleine Schüler nicht zwingend einfach sind. Und wenn dann die Lehrerpersönlichkeit selbst eher schwach ausgeprägt ist (nicht selten gerade bei sog. Pragmatiker), dann entsteht eine Grundlage für tiefe Unzufriedenheit.
Wohlgemerkt, ich beziehe mich hier auf meine persönlichen Erfahrungen, nicht auf Fallstudien und quantitative Erhebungen!
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Es liegt doch irgendwie auf der Hand, dass sich die übergeordnete Instanz sehr freut, wenn die Lehrer diese Bedigungen mittragen. Und solange genug Menschen den Beruf als Berufung sehen und nicht nur als Job, kann man sogar auch weiter an den Bedingungen nach unten schrauben? (These)
Es ist dann auch imho auch nicht verwunderlich, wenn manch einer, der den Beruf aus pragmatischen Gründen (wie jeder durchschnittliche, also nicht ideologisch motivierte Mensch in anderen Berufen) gewählt hat, unzufrieden ist und diese Unzufriedenheit nicht durch ideologischen Eifer kompensieren kann, wie es anscheinend sehr viele tun und dann auch indirekt und manchmal sogar sehr direkt von Kollegen einfordern.
Das ist wie in jedem Beruf mit übergeordneter Instanz
Aber gerade in Bezug zu meinen obigen Beobachtungen: Wenn du als Lehrer mit Menschen arbeitest und du zu hohem Anteil über deren späteren Lebensweg zu entscheiden hast, dann musst du deinen Job sehr ernst nehmen. Nicht zuletzt deshalb finden sich in den Beamtengesetzen Klauseln wie "Beruf mit voller Hingabe ausführen". Ob das Erfüllen dieses Anspruchs mit ideologischem Eifern gleichgesetzt werden kann, ist Ansichtssache. Allerdings: Wer wie oben die Vorteile des Lehrerberufs hinsichtlich Beamtenstatus in Anspruch nehmen möchte, der muss auch die Nachteile und besonderen Ansprüche in Kauf nehmen.
Um das ganze aber mal auf den Berufsalltag exemplarisch herunterzubrechen, ein paar Beispiele, welche ich persönlich für diesen Beruf als unabdingbar sehe:
- Grundsätzlich ein positives Bild von Schülern haben (Jedoch ungleich: "Alle lieb haben müssen!" Es geht hier darum, auch bei nervtötenden Schülern immer den Blick darauf zu richten, wie diese optimal die Lernziele erreichen können und wo diese gefördert werden müssen)
- Authentisch sein! Im Beruf keine Rolle spielen ala strenger Lehrer oder Kumpellehrer spielen, wenn man dies nicht ist!
- Die Erwartungshaltung ablegen, dass man von Schülern geliebt/gemocht werden muss. Stattdessen professioneller: Respekt und Akzeptanz anstreben.
- Heterogenität anerkennen! Ganz wichtig, da hier häufig von "schwierigen Klassen" gesprochen wird. Wenn man nicht alle "gleich" machen versucht, so reuziert sich auch der berufliche Stress für die Lehrkraft
- Echte Regeln erarbeiten und leben. Dazu gehört, dass die Lehrkraft bereit ist, Regeln auch einzufordern.
- Unterrichtsvorbereitung und Elternarbeit ernst nehmen und reflektieren (= Wissen, dass Arbeitszeit an zwei Orten stattfindet: Schule und Zuhause)
- Bejahung der Demokratie und demokratischem Handeln (Eigene Vorurteile kennen, angemessener Umgang bei Konflikten, Konfliktlösung vorleben können)
- Sich seiner Subjektivität bewusst sein (Notenvergabe wenn möglich an sachlichen Kriterien festmachen)
- Bereitschaft zur Fortbildung
- Kenntnis über Vor- und Nachteile des Beamtenstatus haben
- Wissen, welchen privaten Ausgleich man zum Beruf benötigt und wie man in der Freizeit Abstand von der Schule nehmen kann
Diese Liste ließe sich vermutlich noch erweitern, sie enthält aber die für mich wesentlichen Aspekte für diesen Beruf, um diesen zufrieden ausüben zu können. Die Liste fällt aber vermutlich von Kollege zu Kollege immer wieder anders aus. Interessant wäre vielleicht zu erheben, was Lehrern, die in ihrem Beruf zufrieden sind, wichtig ist