Hallo,
komischer Titel, ich gebs zu, aber mir ist nichts Besseres eingefallen.
Ich brauche einfach mal euren Rat und eure Meinungen:
Wie manche vielleicht wissen, habe ich zur Zeit ein 1. Schuljahr. Ein Mädchen dieser Klasse macht mir inzwischen immer wieder heftigste Sorgen:
Sie scheint in einer völlig anderen Welt zu leben und bekommt nichts mit. Das geht sogar so weit, dass ich die Kinder nach der Pause in die Klasse hole, sie die letzte in der Reihe war und nicht mitkriegt, dass vor ihr alle schon gegangen sind Oder sie (wieder letzte in der Reihe, weil sie eben immer spät oder gar nicht mitbekommt, was abgeht) bleibt alleine mit dem Turnbeutel in der Hand auf dem Flur zurück, weil sie nicht mitkriegt, dass alle vor ihr schon zur Turnhalle gehen Zu Beginn war es z.B. mit Sitzkreisen im Klassenraum das Gleiche: ein Kind sitzt noch einsam am Tisch...(das ist inzwischen etwas besser geworden). Wenn ich sie anspreche, guckt sie erst noch Sekunden durch mich durch, bevor sie wieder "landet"
Natürlich geht jede Neueinführung völlig an ihr vorbei und sie braucht immer noch eine Privateinführung. Auch bei Arbeitaufträgen (egal ob nur mündlich oder zusätzlich an der Tafel visualisiert) sitzt sie oft wütend weinend am Platz und herrscht mich dann vorwurfsvoll an: "Ich weiß gar nicht, was ich machen soll". Arbeits- und Wochenpläne kriegt sie allein überhaupt nicht organisiert. Auch wenn ich ihr direkt vorschlage, womit sie anfangen soll, kann sie eine Stunde vor dem aufgeschlagenen Heft verbringen und träumen. Alle Worte, die ich an die Klasse insgesamt richte (Schreibt jetzt eure Hausaufgaben auf! oder "Bringt eure Schnellhefter nach vorne") erreichen sie nicht. Ich darf auch nicht fragen: Ein Heft fehlt noch, wer hat es mir denn gerade nicht nach vorne gebracht? Sondern: "Name, hast du mir dein Heft gerade auch abgegeben?" Antwort: "Weiß ich nicht....".
Bei alle dem ist sie nicht dumm. Sie konnte z.B. schon viele Buchstaben und fast lesen, als sie zur Schule kam (rechnet allerdings noch immer mit Fingern bzw. Hilfsmitteln). Allerdings entwickelt sie sich nicht wirklich weiter. Wie auch?
Sie ist künstlerich ein Phänomen und malt Bilder, die vor Bewegung und Detailverliebtheit nur so strotzen. Unglaublich. Oft schreibt sie auch ihre Hausaufgaben so auf, dass sie die Zahlen und Zeichen für Hefte etc durch Augen, Beine und Füße zum Leben erweckt. (dauert dann natürlich schnell mal 20 Minuten). Wenn wir in Sport Spiele machen, bei denen es darauf ankommt, Situationen zu überblicken (z.B. das Atomspiel), ist sie immer völlig desorientiert.
Obwohl sie schon im Kindergarten Buskind war, ist es z.B. auch schon vorgekommen, dass sie beim Weg nach Hause, "vergessen" hat, auszusteigen.
Häufig wirkt sie auch irgendwie müde....
Auch das Umziehen nach dem Sport funktioniert nur halbswegs, wenn ich in kurzen Zeitabschnitten reinschneie und sie "erinnere". Sonst sitzt sie mit Hose auf halbacht auf der Bank und träumt (ich muss "drängeln", weil sie zum Bus muss)
Was mir sonst noch auffällt: sie weint sehr schnell wegen "Nichtigkeiten" (hat keinen Löffel für ihren Joghurt dabei o.ä.) und brüllt und schreit dann über Minuten in extremer Lautstärke. Das hat mir übrigens schon der Kindergarten berichtet und das macht sie zuhause wohl auch (laut Vater, um ihren Willen gegenüber der Mutter durchzusetzen)
Sie hat keine Geschwister, eine Freundin im zweiten Schuljahr, aber keine Freundinnen in der Klasse. Zum einen geht sie selbst nicht auf die anderen zu, zum anderen können die anderen Kinder nicht viel mit ihrem Erzählen (kann man schwer beschreiben, das fällt auch irgendwie so anlasslos vom Himmel) anfangen. Lediglich mit einem Jungen aus der Klasse trifft sie sich gelegentlich nachmittags. All meine Versuche, sie auch mit den anderen Mädchen zusammenzubringen, sind bisher gescheitert. Allerdings ist sie auch wirklich irgendwie "anders" und ich weiß selbst noch nicht so recht, wie z.B. ein gemeinsames Spielen während der Pause aussehen könnte. An den Spielen der anderen Mädchen (zur Zeit oft Seilchenspringen, Pferdchen spielen, Fangen) hat sie nämlich kein Interesse.
Tja, eigentlich ganz klar, dass dringend etwas passieren muss. Ganz offensichtlich hat das Mädchen ganz große Schwierigkeiten mit der Konzentration und Aufmerksamkeit. Nun aber das Problem hinter allem (und der Grund, warum nicht schon vor Monaten mehr getan wurde, um hinter das alles zu steigen): meine einzige Ansprechperson ist aus verschiedenen Gründen der Vater. Und alles, was er dazu zu sagen hat ist, dass er das alles nicht so schlimm findet und selbst auch so war (das ist das Hauptargument) und dass er seiner Frau auch immer sagt, das Kind solle nicht so viel fernsehen
Dabei wird sie zuhause keinesfalls vernachlässigt. Die Mutter ist Hausfrau. Der Vater ruft schon mal in der Schule an, wenn ihr z.B. ein Heft fehlt (oder sie fälschlicherweise zuhause erzählt hat, es sei schulfrei) und sie ist immer sehr ordentlich und liebevoll gekleidet und frisisiert.
Tut mir Leid, das das jetzt so lang und nicht ganz durchformuliert geworden ist. Ich weiß einfach nicht so recht, wie ich am besten mit dem Mädchen umgehe. All meine bisherigen Vorgehensweisen (Aufmerksamkeit, Lob, Geduld aber auch schon mal Druck) gingen an ihr vorbei. Ich merke auch langsam, dass ich mit ihr immer ungeduldiger werde
Eigentlich denke ich, dass sie erstmal professionelle, ärztliche Hilfe braucht. Aber was wäre da das Richtige? Ergo? Und vor allem: was kann ich machen, wenn die Eltern nicht mitziehen??? Erschwerend kommt hinzu, dass das Kind in einem kleinen Dorf lebt (hier wird es also den passenden Arzt nicht geben), der Vater arbeitet und die Mutter keinen Führerschein hat.
Ich weiß, dass es schwierig ist, so aus der Ferne Tipps zu geben, wäre aber für jeden dankbar, der mir mit seinen Gedanken vielleicht neue Wege aufzeigt. Was meint ihr?
Sich hilflos fühlend
Ronja