"Schneckenschüler"

  • Die meisten Kinder sind durchaus "normal".Sie benötigen keine Therapie. Sie sind nicht krank.
    Bei einem entwicklungsverzögerten Kind, einem Frühgeborenen, einem Behinderten mit den sich daraus ergebenden Problemen ist das was anderes.
    Aber ich wehre mich dagegen, daß bei jedem "normalen " Kind gleich nach Therapeuten geschrieen wird. Nur weil bei ihm etwas anders ist, als bei einem anderen. Wir sind halt nicht gleich.
    Wenn ich mich bei anderen Eltern umhöre, und erfahre, wegen was die zur Ergotherapie gehen, zu diesem und jenem Therapeuten, dann bekomme ich die Krise.
    Sie haben ganz normale Kinder. Lebhafte Kinder, laute Kinder, langsame Kinder, ruhige Kinder. Das eine kann schön schreiben, das andere nicht. Aber braucht man deshalb gleich einen Therapeuten?????
    Was vermittlen sie ihren Kinder? Du bist nicht normal. An die müssen wir etwas ändern. Welches Selbstvertrauen sollen diese Kinder bekommen?
    Es kommt mir fast vor, daß es heutzutage modern geworden ist, daß Kinder zu Therapeuten gehen müssen.
    Ds fängt im Kiga schon an. Was, das Kind hat Angst vor Hunden. Da hilft diese und jene Therapie. Warum, darf es keine Angst vor Hunden haben? Es mag halt nicht jeder Hunde.
    Viele Eltern sollten mal lernen, daß ihr Kind ist, wie es ist. Es ist eben unruhig. Die Schwester ist sehr ruhig. Warum muß das eine so sein, wie das andere? Vieles kann ich als Eltern selbst machen. Manche Probleme resultieren aus Elternhaus oder Erziehung. Manche Probleme bekommt man sehr gut selbst in den Griff.
    Aber diese heutige Therapeutengelaufe, nur weil das Kind Probleme in der Schule hat ist grauenvoll. Es können halt nicht alle Abitur machen.

  • Ich glaube, die Eltern und Kinder können ganz gut ohne Therapien leben, wenn man ihre Kinder in der Schule tatsächlich so akzeptierte wie sie sind - ohne ihnen über Druck und schlechte Noten zu vermittlen, dass sie "dumm" sind, da "nix verloren" hätten, nach unten "weitergereicht" würden.
    Mit Therapien reagieren Eltern auf den Druck, den diese leistungsorientierte Gesellschaft, zu der das System "Schule" gehört, ausübt:
    Wenn ein Kind nicht ins System passt, soll es "passend" gemacht werden.


    Sind die Eltern nicht bereit dazu, heißt es: Die kümmern sich nicht! Heißt es: Die kooperieren nicht!


    Ich habe mehrfach erlebt, dass man Eltern von schulischer Seite zwingen wollte, ihrem Kind Ritalin zu verabreichen, obwohl dies nach ärztlichem Gutachten nicht erforderlich war und nicht der elterlichen Überzeugung entsprach.


    Die Eltern konnten das Kind akzeptieren, so wie es war, der/die Lehrer nicht.


    Wenn Eltern feststellen, dass man ihrem Kind in der Schule nicht hilft oder helfen kann("Dafür sind wir nicht ausgebildet - außerdem habe ich 28 Kinder in der Klasse!"), suchen sie NATÜRLICH private Hilfe. Was sonst?


    Weil sie die Konsequenzen kennen oder man ihnen diese schon angedroht hat. ---> Schule für Erziehungshilfe--> oder Schule für Lernhilfe.


    (So auch wieder meine aktuelle Erfahrung mit einem nicht lernbehinderten GS-Kind, lebhaft, pfiffig... L. redet immerhin mit mir, nicht aber mit der betreuenden Psych. ... - Eltern möchten auf allen Ebenen kooperieren.
    Außerschulische Hilfe, weil Regel-Schule das Kind SO nicht akzeptieren möchte.
    Ein anderes Kind, andere Schule, bedächtig arbeitend, leicht zu entmutigen, wird in der Schule nicht toleriert, hat zwei Jahre permanente Entmutigung erlebt, depressiv... nein, nicht L ! Engagiertes Elternhaus! Wohin mit ihm? Die ELtern akzeptieren das Kind, so wie es ist, müssen aber private Hilfe suchen, weil das Kind in der Schule weder Hilfe findet noch die Leistung toleriert wird.)


    Bei keinem der beiden liegt eine "Behinderung" vor, keine Risikofaktoren....., auf der Straße: ganz normale Kinder! Für mich auch! Für die ELtern ebenso!


    Was würdest du tun?


    Cecilia

  • Selbiges wie für die Eltern gilt natürlich auch für die Lehrer.
    Beide Seiten sollten akzeptieren, daß es solche Kinder gibt und solche. Wir können sie nicht alle auf Gleichstand therapieren.
    Auch das was du eben geschrieben hast deckt sich mit meiner Erfahrung, daß viel zu schnell nach Therapien geschrien wird. Auch von Lehrern.
    Aber Therapien scheinen irgendwie in Mode gekommen zu sein. Entspricht das Kind nicht der "Norm" wird nach Therapien geschrien. Von Eltern und von (manchen) Lehrern.
    Und das finde ich nicht in Ordnung.

  • Siehst du?


    Und deshalb sollten alle akzeptieren, dass Menschen-Kinder so unterschiedlich sind, wie es bunte Blumen auf einer Blumenwiese gibt, nicht gleichmäßig auf eine Läge zu stutzen wie ein Golfrasen....


    Genau das aber versucht man mit der ständigen Vergleicherei in unserem Schulsystem.
    Es wird "abgeprüft", ob die "Leistung stimmt".


    Wenn ich den Output ändern will, muss ich das über den Input machen. Und der kann durchaus unterschiedlich sein.


    Da die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Land aber begrenzt ist (und wohl bleibt), ist mein Fazit eher, man will eine begrenzte Gruppe fördern, die dann eine Chance haben...und die anderen können sehen, wo sie bleiben.


    LG cecilia

  • Hallo,


    Starmi, so wie du dich anhörst, bist du der Meinung, dass es schon immer langsame, faule, schlampige, freche, ängstliche und aggressive Kinder gegeben hat und man es eben einfach so hinnehmen muss oder die "Besonderheiten" mit erzieherischen Maßnahmen manchmal mehr oder weniger in den Griff bekommen kann.


    Früher gab es keine Erklärungen dafür und keine Hilfen. Die Welt hat sich weiter gedreht. Heute ist die Wissenschaft , insbesondere auf dem Gebiet der Hirnforschung / neurophysiologischen Entwicklung zum Glück in der Lage, die Ursachen benennen zu können und vor allen Dingen Hilfe anzubieten.


    Mein Sohn (10 J., 4. Klasse) ist ein ganz normales Kind. In der 1. Klasse erhileten wir von der Lehrerin zunächst die Meldung, dass alles ok. sei. Zum Ende der 1. Klasse war er plötzlich "sehr verhaltensauffällig". Er war zu langsam (Beim Schreiben und Umziehen zum Sport, machte angeblich eigenwillig falsche Übungen beim Sport, war leicht abzulenken, konnte manchmal sein Wissen nicht zu Papier bringen, redete ständig dazwischen und konnte nicht abwarten, Anweisungen befolgte er erst nach mehreren Ermahnungen, gab freche Antworten, hatte öfter Streit mit Mitschülern oder lachte sie aus. Da er jedoch für sehr intelligent gehalten wurde und für die Lehrer eigentlich ein "normales Kind war", kamen die Lehrer zu dem Ergebnis: "Er kann ja, wenn er will". Er war für die Lehrer auch kein typisches sogenanntes ADS-Kind, dafür brachte er zu gute Ergebnisse.


    Ich ließ ihn testen mit dem Ergebnis: stark verlangsamte Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung. Trotz mehrerer Gespräche mit den Lehrern und Weitergabe entsprechender Fachinformationen versuchten diese, die Auffälligkeiten meines Sohnes mit erzieherischen Maßnahmen zu ändern. Das ging natürlich völlig in die Hose, denn organische Probleme (wie gesagt, eigentlich für die meisten Menschen ein ganz normales, sogar intelligentes Kind!) kann man unmöglich mit erzieherischen Maßnahmen ändern!!!


    Er wurde von den Lehrern bloßgestellt, vor die Tür geschickt, bekam rote Karten ausgehändigt usw.. Trotz meiner wirklich umfangreichen Informationen waren sie scheinbar immer noch der Meinung: "Er kann ja, wenn er will". Irgendwann waren sich die Lehrer einig, dass mein Sohn ein unmögliches Sozialverhalten hätte. Meine Fachinformationen wurden jedoch nicht an die anderen beteiligten Lehrer weitergegeben. Allmählich übertrugen sich die Abneigungen der Lehrer gegen meinen Sohn auch auf die Mitschüler.


    Ich denke, Cecilia kennt sich einige Kinder, denen es ähnlich ergangen ist.


    Zum Anfang der 3. Klasse war mein Sohn psychisch am Ende. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihn in eine andere Schule umzuschulen. Inzwischen hatten wir dann eine INPP-Therapie begonnen, nachdem ich zig Bücher und im Internet gelesen hatte. Seine verlangsamte Wahrnehmung war mir eigentlich schon früher aufgefallen, jedoch waren die Kinderärzte jeweils der Meinung, dass alles o.k. sei. Auch andere Mütter versuchten immer, mir die Auffälligkeiten meines Sohnes auszureden.


    Ich habe inzwischen 11 Seiten Erfahrungsbericht an die Landes- und Bundesregierung, Schulrat und sonstige geschickt, da ich davon überzeugt bin, dass Lehrer nicht die Aus- und Fortbildung haben, die sie benötigen, um richtig mit den Kindern umgehen zu können.


    Seit mehr als einem Jahr geht mein Sohn nun in die neue Schule. Anfangs war er auch dort auffällig und die Lehrerin sprach von Ritalin und Verhaltenstherapie.


    Jetzt nach Schulwechsel und 15 Monaten INPP-Therapie ist keine Rede mehr davon. Er hat sich sehr zum Positiven geändert, ist aufmerksam, konzentriert, schnell genug, redet nicht mehr (oder fast) dazwischen und von unmöglichem Sozialverhalten spricht keiner mehr. Mein Sohn ist wieder ein glückliches Kind geworden.


    Übrigens ist mein Sohn inzwischen froh, dass er eine Mutter hat, die sich um ihn kümmert. Er weiß, dass es immer mehr Kinder gibt, die gleiche Probleme haben, doch leider wenige Kinder von ihren Müttern entsprechend gefördert werden.


    Ich kann nur allen Eltern und Lehrern raten, sich zu informieren. Auch "ganz normale Kinder" können organische Störungen haben. Finnland hat es schon längst erkannt, deshalb erhalten die Kinder dort eine entsprechende neurophysiologische Förderung. Im Schulamt in Wetzlar ist man auch scheinbar schon weiter, als im übrigen Deutschland. Dort gibt es die Abteilung Anke, s. http://ankewz.bei.t-online.de. Die Leiterin Frau Dorothea Beigel hat das Buch "Flügel und Wurzeln" geschrieben. Sie hat erkannt, dass allein durch unsere schnelllebige, technisierte Welt Lücken entstanden sind, die gefüllt werden müssen. Das Buch kann ich allen nur empfehlen. Ebenso die Seite http://www.inpp.de.


    Schöne Grüße
    Erika


    P.S. Bitte eventuelle Fehler verzeihen, aber ich muss jetzt ins Bett.

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

  • Erika,
    dein Sohn hat ja wirklich etwas. Dann braucht er Hilfe und da habe ich ja gar nichts gegen Therapien.
    Was ich aber so oft erlebe, ist das Kinder schon, bevor sie in die Schule kommen, diverse Kurse und Therapien machen, damit sie in der Schule dann gut werden. Der Erfolg dieser vorbeugenden Maßnahmen ist natürlich zweifelhaft.
    Kinder, die Probleme haben, die gleich zu Therapeuten geschleppt werden, ohne daß die Eltern ihr Verhalten und ihre Erziehung überdenken.
    Hier im Ort wird viel Umgangssprache gesprochen. Die Kinder müssen zum Logogpäden, um Hochdeutsch zu lernen. Bekommen sie kein Rezept mehr, ist das Geschrei groß. Ist das nicht Sache der Eltern? Wieso soll das die Krankenkasse bezahlen, die Kinder sind doch nicht krank?
    Das meine ich, anstatt selbst zu handeln, sich auch mal an der eigenen Nase zu fassen, werden Therapien gemacht. Und klappt es nicht, dann sind die Therapeuten schuld. Dann ist es die böse Krankenkasse schuld, die nicht mehr bezahlt.
    Hier im Dorf geht mindestens die Hälfte aller Kinder zu irgendeiner Therapie. Sind die alle krank? Oder gibt es nicht darunter auch Eltern, die es sich verdammt einfach machen?
    Und wenn der Therapeut genau das ausspricht, dann ist er halt unfähig und sie gehen zu einem anderen.
    Keines meiner Kinder ging jemals zu irgendeiner Therapie. Manche Leute können das gar nicht fassen. Sie stellen das so dar, als ob ich meinen Kindern etwas vorenthalten habe, das gut für sie wäre.
    Ich habe 3 völlig unterschiedliche Kinder. Welches ist normal? Das Verhalten eines jeden Kindes hat Vor- und Nachteile. Jedes hat seine Stärken und Schwächen.
    Hätte es lange andauerende Probleme gegeben, die ich selbst nicht in den Griff bekommen hätte, klar dann kann man über Therapien nachdenken. Aber nicht gleich und sofort, manche Sachen sind Entwicklungsbedingt, vergehn von selbst, an manchem kann man selbst arbeiten.
    Und dann gibt es Eltern, die sobald das Kind in Therapie ist, jede Erziehung einstellen. Das Kind kann ja nichts dafür.
    Vielleicht täuscht das Bild, aber hier im Ort ist es so. Nimm alles mit, was du an Therapien bekommen kannst, schließlich bezahlt die Krankenkasse, und dafür zahlen die Eltern ja Beiträge. Und dann kommt mir die Galle hoch.

  • Hallo Starmi,


    ich bin sicher, dass du über mich genau so urteilen würdest wie über die Mütter, die du kennst. Wie gesagt, mein Sohn ist schon immer "ganz normal" gewesen. Probleme mit der Wahrnehmung und -verarbeitung äußern sich eben darin, dass Kinder eventuell langsam oder unkonzentriert oder rechtschreibschwach oder zappelig usw. sind.


    Andere Mütter hier haben mich in der Vergangenheit bedauert, weil mein Kind wahrnehmungsgestört ist / war, ohne zu merken, dass Hilfe bei ihren Kindern mindestens genau so bzw. noch nötiger war. Heute suchen diese Mütter nach Hilfe, weil es Probleme in der Schule gibt. Die meisten davon begreifen jedoch immer noch nicht, dass hier Entwicklungsstörungen im Spiel sind, die nicht einfach auswachsen. Sie geben lieber viel Geld für Legasthenietraining, Nachhilfe usw. aus.


    Ich bin inzwischen froh, dass mein Sohn gegen das Unverständnis der Lehrer rebelliert hat, denn sonst wäre der Druck nicht so groß gewesen, dass ich mich näher mit dem Thema "Kindliche Entwicklung" beschäftigt hätte.


    Sicher kann man Kinder auch so lassen, wie sie sind. Irgendwie kommen sie auch durchs Leben. Einige besuchen dann eben eine Real- , Haupt- oder sogar Sonderschule, obwohl sie von ihrer Intelligenz her für das Gymnasium geeignet wären. Man kann es auch einfach hinnehmen, dass die Kinder halt z. B. weniger Freizeit und Spaß am Leben haben, weil sie stundenlang an den Hausaufgaben sitzen, während andere sich beim Spielen vergnügen. Auch mit den Enttäuschungen, trotz mehr Üben schlechtere Zensuren als ihre Klassenkameraden zu haben, kann ein Kind sicher leben, wenn die Eltern zu ihm halten. Später wird das Kind sicher auch glücklich, wenn es einen Beruf ergreift, in dem es aufgrund eines schlechteren Schulabschlusses körperlich schwer arbeiten muss und wenig Geld verdient.


    Ich habe allerdings eine andere Einstellung dazu. Wenn ich meinem Kind mit einer Therapie (in unserem Falle geht es um kleine Bewegungsübungen, die absolut keine Belastung für das Kind darstellen, aber große Wirkungen zeigen) das Leben leichter machen kann, dann tue ich es.


    Übrigens haben wir alles selbst bezahlt, denn die Krankenkassen bezahlen ja bekanntlich nur Therapien, die altbekannt sind (in der Regel 20 - 30 Jahre).


    Meinen Sohn konnte ich inzwischen davon überzeugen, dass es vielen Kindern ähnlich geht, doch nur wenige Eltern wissen, wie sie ihren Kindern helfen können. Oder die Eltern möchten oder können das Geld dafür nicht aufbringen. Mein Sohn ist ganz stolz auf mich.


    Übrigens hatte er im letzten Zeugnis eine 1 in Deutsch und ist Lesebester seiner Klasse geworden.


    Schöne Grüße
    Erika

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

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