Kind lernt nicht lesen

  • In meinem ersten Schuljahr sitzt ein Kind, dass trotz immensem Förderaufwand noch nicht die Synthese verstanden hat.
    Mittlerweile habe ich durchgeboxt, dass ein VO-SF eingereicht worden ist, d.h. das Kind wird auf sonderpädagogischen Förderbedarf geprüft -nicht nur auf Grund der Leseleistung, sondern aufgrund einer allgem. LErnschwäche.
    Sie ist auf mein Intervenieren nun in die Ergotherapie gekommen. Ein IQ Test wies einen Wert knapp unter 80 aus, sie ist wohl eine Frühgeburt, 32. Schwangerschaftswoche, nie in irgendeiner Weise gefördert worden. Sie ist ein türkisches Mädchen, das 3 Jahre im dt. Kindergarten war, aber immer noch nicht deutsch spricht. Leider hat der Kiga wohl sehr schlampig gearbeitet, sonst wäre etwas gelaufen - auf mein Anfragen erfolgte leider ein Blockieren. Auch im türkischen hat sie einen begrenzten Wortschatz -meine türkische LAA meinte, sie spräche auf dem Niveau eines 4 jährigen Kindes. Nun wird das Kind also überprüft, was aber dauert.
    Meinem Unterricht, den ich sehr differenziert angehe, kann sie nicht mehr folgen. Ich habe zu Beginn eine Anlauttabelle eingeführt und das Programm der phonolog. Bewusstheit miteinbezogen. Dann konnten alle Kinder (bis auf Z.) frei schreiben, mit oder ohne Hilfe.
    Nun führe ich jede Woche einen Buchstaben ein, immer mit einem Sachbezug, mit Lautgebärden, und allen Sinnen, an Stationen , mit Silbenunterstützung, davon habe ich sie aber mittlerweile abgekoppelt.
    Ganz stolz bin ich , dass Z. mittlerweile die Buchstaben M, N, O, I, L, A, P, S kennt (Lautwert und Schriftzeichen), die Synthese gelingt noch nicht. Im Moment beschränke ich mich nur auf die großen Buchstaben. Ich nehme sie (fast) jeden Tag 10 Minuten und übe mit ihr am Setzkasten, indem ich ein bisschen in Anlehnung an die Prem-Methode arbeite. Wir lautieren ein Wort zusammen, sie setzt es, wir bauen es ab, sie schreibt es. Parallel arbeitet sie am Computer, Schreiblabor, ein Programm, wo sie Laute hören muss, auch an andere Programme, die Teilleistungen fördern setzte ich sie- schaden tut das nichts, und dem Unterricht kann sie gar nicht folgen.
    Es tut sich nichts in Sachen Synthese.
    Abwarten???? Klar, müssen noch mehr Untersuchungen gemacht erden, aber in der Zwischenzeit muss ich die Förderung ja einigermaßen sinnvoll angehen.
    Für Tipps dankbar
    flip

    • Offizieller Beitrag

    Hallo flip,
    für mich klingen deine Beschreibungen, als würdest du schon alles tun, was in deinen Möglichkeiten steht!
    Ich hatte gestern eine Fortbildung zum Thema Föderdiagnostik und die teilnehmenden Grundschullehrer hatten alle das Gefühl zu wenig oder nicht das Richtige zu tun. Es stellte sich aber heraus, so das Echo der Sonderschullehrer, dass wir schon mehr tun, als unsere Ausbildung erwarten lässt!


    Ich habe ja einen ähnlichen Schüler (3. Schuljahr, war sogar im Schulkindergarten, bisher keine Lesetechnik, mittlerweile im GU, VO-SF nur durch intensive Gespräche mit der Schulrätin durchbekommen). Wir haben einen kleinen Erfolg mit Silbenschwingen.
    Gestern habe ich jedoch etwas Wichtiges gelernt, das ich noch für mich sortieren muss: das Herauslösen der Förderbereiche (z.B. Wahrnehmung, Motorik, Kognition) ist weitaus wichtiger als die fachlichen Inhalte. Wenn du also anhand eines Förderplans herausfinden könntest, wo die Ursache für die fehlende Synthese stecken könnte, kannst du deiner Schülerin viel besser helfen.
    Was mir noch schwer fällt: aus dem Problembereich des Schülers die Aspekte herauszulösen, die er bereits kann. Jede Kleinigkeit ist wichtig. Das zu sehen, werde ich jetzt trainieren.


    Gruß
    strucki

  • Ich fürchte, die liegen u.a. im niedrigen IQ - an der Grenze zur GB-Behinderung, vielleicht aufgrund mangelnder Förderung. Also trainiere ich Gedächnis, Merkfähigkeit, wann immer es geht, aber mehr als 10 Minuten täglich Einzeltraining bekomme ich nicht hin.
    Wahrscheinlich muss ich einfach geduldiger sein - was mir schwerfällt.
    Wo hast du die Fortbildung gemacht? Ich habe vor 4 Jahren so eine Fortbildung gemacht, ein halbes Jahr lang, einmaldie Woche - das hilft mir heute noch.
    Es gibt in NRW einen neuen Erlass - Sonderschüer nur noch zu melden, wenn belegt ist, dass wir mit den Fördermaßnahmen nicht hinkommen - also wird ein VO-SF vor Beginn der Schule oder im ersten Schuljahr gar nicht mehr eröffnet werden. Mir (und der Schulleitung) hat man ziemlich Steine versucht, in den Weg zu legen . In der Fortbildung haben wir aber gelernt - wenn es sich wirklich abzeichnet, je früher - je besser, die Überprüfung anberaumen und nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.
    flip

  • "M, N, O, I, L, A, P, S (Lautwert und Schriftzeichen), die Synthese gelingt noch nicht. "


    Aus diesen Lauten könntest du je eine Silbe auf Spielkarten schreiben , auf weitere Karten zu diesen Wortanfängen passende Bilder kleben (Mond, Mikado, Mayonnaise, Lokomotive, Laterne, usw.). Passende Paare suchen, als Sortierübung in Einzelarbeit, als gezinktes oder verdecktes Memory - das könnte auch eine pfiffige Mitschülerin mit ihr spielen, der man verständlich macht, dass das Mädchen gewinnen sollte ...) Du kannst es auch so basteln, dass du "Schwrzer Peter" oder Quartett damit spielen kannst. Das "Spiel" trainiert das Lauthören und schleift die Synthese ein.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

    • Offizieller Beitrag

    Die Fortbildung war vom Weiterbildungszentrum der Uni Dortmund. Heute hat sich unser Personalrat bzgl. der Problematik VO-SF geäußert. Auch für die neue Eingangsstufe gilt: so früh wie möglich testen lassen. Und: noch gibt es den Schulkindergarten - nutzt es!


    Ich denke, du musst dich dringend mit einer SO-Lehrerin zusammentun. Wenn das Kind nah am GB-Bereich liegt, kannst du doch gar nicht richtig helfen. Lade doch mal auf inoffiziellem Weg zur Hospitation ein. Auch das wurde uns auf der Fortbildung eindringlichst geraten - von eigentlich überlasteten Sonderschullehrern.


    strucki

  • Mittlerweile habe ich das VO-SF durch, dass heißt, offiziell kommt eine Sonderschullehrerin - ich bin wirklich überzeugt, dass es richtig ist. Ich bin überzeugt, dass der Schulkindergarten nicht das Richtige gewesen wäre, da es sich nicht um ein Entwicklungsproblem handelt.
    Fürchte, dass sich der Personalrat nicht gegen die neuen Anweisungen bezüglich VO-SF stellen kann, man könnte höchstens eine Anfrage starten, inwieweit es sich mit der AOGS vereinbaren lässt.
    flip

  • du wirst sehen - auch die 2stündige Unterstütztung wird deinem schüler nur bedingt weiterhelfen.
    ich habe GU in der Sek 1 und stelle immer wieder fesr, dass wir den kindern eben nicht da bieten können, was sie aufgrund ihrer individuellen besonderen Lernbedürfnisse eben benötigen würden!
    Schade aber war....
    irgendwie ist das bildungssystem doch echt was für den.....
    isa

  • Klar, nutzen die zwei Stunden nichts, vor allem deswegen, weil sie bei uns meistens in der 5./6.Stunde an einem Tag liegen, doch finde ich , dass das Kind ein Anrecht darauf hat - vor allem, wenn es nicht muttersprachlich ist, dass jemand sich Zeit nimmt,mit ihm einfach in Deutsch zu reden.
    flip

  • Wollte euch nur meine Erfahrungen mit meiner schwächsten Schülerin weiter berichten. Ich habe jetzt das VO-SF durch - musste mich zuerst sehr gegen meine Rektorin durchsetzen (Kind hat nicht wiederholt, war nicht im Schulkiga), danach gegen das Schulamt (musste meinen Antrag mit einem kompletten Förderplan im Hinblick auf die zu erwartenden Förderschwerpunkte (!!!!) einreichen, dann wurde ich von der mir zugewiesenen Sonderschulkollegin angemacht, weil ich nicht so erfreut war, Mittwochs um 12.30 Uhr ein Elterngespräch zu führen (ich habe nur eine halbe Stelle, um 10.00 Mittwochs frei, aber an zwei anderen Tagen bis Ende 4. Stunde). Aber das nur am Rande.


    Nun stellt sich während des Verfahrens heraus, dass das Mädchen, Frühgeburt in der 32. Schwangerschaftswoche , niemals nur irgendeine Förderung erhalten hat. Wofür gibt es die U Untersuchungen, an denen die Eltern teilnahmen? Das Mädchen war im Kiga wegen seiner Schüchternheit aufgefallen - warum checkt man da nicht ab, woher das extreme Verhalten kommt?


    Das Gesundheitsamt attestierte, eine Geistige Behinderung ist nicht auszuschließen. Das das Mädchen Lernschwierigkeiten hat, ist offensichtlich, aber so extrem hätten sie nicht werden müssen. Wenn Eltern dahinter gestanden hätten, die sich mehr in ihren Rechten auskennen....


    Das Mädchen wird nach den Sommerferien in eine Sonderschule für Lernbehinderte wechseln. Der Förderaufwand war so massiv, dass er kaum zu leisten wäre. Im Moment sind da in Klasse 1 und 2 so wenige Kinder, dass es ihr gut tun wird. Mehr kann ich leider nicht tun....


    Der Kommentar einer Kollegin, nachdem ich erzählte, was die Eröffnung des Verfahrens für mich für einen Aufwand bedeutete (s.o.): Jetzt hast wohl auch du gelernt. Es ist wohl dein letztes Verfahren dieser Art.


    Ein saurer elefantenflip
    8o

  • hallo elefantenflip
    sei nicht sauer auf mich, von einem lehrer einer schule für geistigbehinderte hab ich mal den ausdruck "fördermüde" gehört. kinder mit denen er zu tun hat sind fördermüde.


    eine mutter hat mir kürzlich gemailt und geklagt dass ihr sohn, ein erstklässler, nicht lesen lernt und in seiner klasse probleme hat. ich hab vorgeschlagen dass er mir mal schreibt.
    der junge der nicht lesen kann, hat mir geschrieben:


    hallo robin ich bn max
    hasbu nor anberä büssch keschibn
    sagmi es dt
    unb rodin isch wede dia ain dlt maln robin
    max lanä


    Das heißt:


    Hallo Robin ich bin Max
    Hast du noch andere Bücher geschrieben
    Sag mir es bitte
    Und Robin ich werde dir ein Bild malen Robin
    Max (alleine)


    gegen "fördern" wehrt er sich. trotzdem konnte er mir schreiben. nur noch ein weilchen, dann können auch andere reibungslos lesen was er schreibt.


    das zum thema "kind lernt nicht lesen"

  • Lieber Robischon, so ein Kind, was du beschreibst, hätte ich bestimmt nicht zur Sonderschule empfohlen. Meine SchülerIn ist bestimmt nicht fördermüde, deswegen habe ich den Weg empfohlen.
    flip

  • jetzt bist du doch sauer auf mich.
    ich hab das kind nicht weiter beschrieben, nur mitgeteilt, dass es in seiner schulklasse als besonders "förderbedürftig" angesehen wird.
    man kann mit dem lernen anders umgehen.
    auch das kind von dem du schreibst, kann etwas.

  • Lieber Robischon,
    nein ich bin nicht sauer. Wenn du mir als Antwort auf ein Kind, was ich beschreibe, ein anderes Kind beschreibst, dass fördermüde ist, verstehe ich das als Andeutung darauf, dass auch mein besagtes Kind fördermüde sein könnte???
    flip

  • max ist nicht fördermüde. er lässt sich nix sagen. er eckt an in seiner ersten klasse.
    den begriff fördermüde hörte ich vor jahren zu meinem entsetzen aus der schule für geistig behinderte.
    das kind Z. mit dem du da arbeitest versteht die synthese nicht, obwohl du soviel daran arbeitest.
    mein vorschlag ist doch nur, einen anderen blickwinkel einzunehmen, zu diesem kind, zur schrift als kommunikationsform, zum umgang miteinander.
    max blickt auch die synthese nicht.
    wie kommt es dass er mir schreiben konnte, schon zweimal.
    und ich kann das alles reibungslos lesen.
    hättest du dt als bitte erkannt?
    ich schreib ihm einfach zurück.
    so bin ich auch bei den kindern mit denen ich arbeite mit dem schreiben umgegangen und alle können lesen, auch die beiden mit einem IQ erheblich unter 100

  • Ich hab eine Integrations-Schülerin in der 2.Klasse, die immer noch nicht alle Buchstaben kennt und außer Mimi und Mama kein einziges Wort schreiben kann. Auch beim Lesen geht fast nix weiter, weil ihr eben immer noch die Buchstaben fehlen (trotz ständiger Wh.) -sie kann "wir" nicht lesen, weil das Ww fehlt usw. Auch robischons Heftchen half nicht weiter, sie schrieb in kürzester Zeit alle Wörter ab, ohne sie wirklich zu lesen. Meistens rät sie nur und liest dann z.B. Jacke statt Pulli. Die anderen 4 I-Kinder lesen schon recht brav, nur dieses Mädchen macht mir Sorgen. Ich hatte zwar schon Schüler, die lange nicht zusammenlauten konnten, aber wenigstens die Buchstaben kannten.
    Die Zahlen hat sie sich gleich gemerkt und rechnet auch recht brav bis 30, deshalb glaube ich auch nicht, dass es an der Intelligenz liegt. Die Mutter meint - sie will nicht.
    Ich hoffe auf das nächste Schuljahr....

  • einspruch. in meinem heftchen schreiben kinder nicht nur ab.
    oder hat das kind die stellen leer gelassen?
    hast du mal eine mitteilung an das kind an die tafel geschrieben?
    hat das kind mal eine mitteilung an dich geschrieben?
    das mit dem "raten" wird sicher oft anders verstanden als es gemeitn ist. das kind weiß dass da etwas von einem kleidungsstück steht.
    das wort TAXI hat ein junge mal so gelesen: da ruft man an und dann holt es einen ab.
    wissen von was die rede ist, ist wichtiger als buchstaben zusammen ziehen.
    schreiben ist eine kommunikationsform.

  • robischon: Fördermüde beinhaltet, dass das Kind bereits Förderung bekommen hat, hat meine Schülerin leider erst seitdem sie in der Schule ist. Vorher ist alles auf ihr "Nicht-deutsch- Können" geschoben worden, die Eltern schoben ihr Stillsein auf Schüchternheit und ließen sie auch in Ruhe.
    Wenn das Kind mir als Kommunikationsform einen Brief malen würde oder irgendeine Regung zukommen lassen würde, wäre ich froh.


    Den Brief von Max hätte ich tatsächlich so gelesen, da ich das d als "verkehrtrumes" b gewertet hätte. Das Vokale weggelassen werden ist normal bei Schulanfängern.
    flip

  • Sie kann keine Mitteilungen schreiben - wenn wir Ansage machen, darf sie schreiben, was sie will und es kommt immer nur Mama, Mimi und allenfalls Susi.
    Raten kann sie auch nur, wenn ein Bild dabei ist (eben Jacke/Pulli).
    Aber nachdem einer meiner Schüler "über den Sommer" plötzlich lesen konnte, hoffe ich auch hier auf ein "Wunder" ;-))

  • Hallo Inschra,
    kennst du den "Kieler Leseaufbau" bzw. die Wörterlisten dazu?
    Das Kind erlernt zunächst die Selbstlaute A/E/I/O/U, -dann AU/EI, danach M/R/S und die daraus gebildeten Wörter...- i.d.R. wird mehrkamalig -eben auch mit einem Lautgebärdenalphabet- gearbeitet, zusätzlich mit einem Silbenteppich ("Die Marsmännchen kommen zu Besuch") geübt.
    Bsp.-Wörter für Selbstlaute und M/R/S:
    OMI - OMA- SUSE - SUSI - ROSE - ROSI - MIMI -MAMI -MOMO - MAMA - REISE - RESI - ROSA - RASE - SAUSE - REIME - SAME - MEISE - EIS - REIS - AUS - RAUS -MAUS - MIMOSE (evtl. mit Silbenbögen untermalen!)


    Deine Schülerin "wiederholt den Erfolg" , - sie verwendet das, wovon sie sicher weiß, dass es richtig ist... Eigentlich müsste es möglich sein, ihr kleinstschrittig weitere Erfolge zu ermöglichen.


    LG Cecilia

  • Danke, ich werd mal "googeln"! Ich hab mir schon sehr viele Bücher zum Thema "Lesen lernen" gekauft, muss im Sommer wieder mal hinein schauen ;-)) Ich habe auch verschiedene Fibeln "ausprobiert", es dauert halt sehr lange und im Vergleich zu den anderen I-kindern ist sie schon sehr weit hinten. Aber wie gesagt, ich hoffe noch...
    Heuer haben wir nur mehr 3 Wochen, in denen hauptsächlich für das Schlussfest geprobt wird (auch ein Problem - das Text lernen, wenn man nicht lesen kann). Aber ab September geht´s dann wieder volle Kraft voraus!
    Danke für deine Tipps!
    LG, inschra

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