Problemschülerin

  • In meiner Klasse, erstes Schuljahr, sitzt ein Mädchen,dessen Probleme ich überhaupt nicht einschätzen kann.
    Das Mädchen ist sehr schüchtern. Sie ist türkischer Herkunft und zu Beginn dachte ich, sie könne nicht gut deusch verstehen. Sie war jedoch 3 Jahre im Kindergarten, den sie mehr oder weniger regelmäßig besuchte. Leider konnte der Kindergarten mir keine Hilfestellungen geben.


    Sie fällt im Unterricht einerseits dadurch auf, dass sie frontal abschaltet - bei allen Unterrichtsinhalten. Ein Ansprechen in Erklärungen oder ein "Nach-vorne-Setzen" brachte keine Änderung.


    Als wir zu Beginn des Schuljahres einen Roten Tag einlegten, d.h. die Kinder sollten sich zu Hause rot anziehen, es wurde das Lied "rot, rot. rot gesungen, eine Kollage aus roten Dingen erstellt, ein Kimspiel veranstaltet (was rot ist: z.B. Feuerwehr, Tomate), das Wort rot als Ganzwort wurde eingeführt und es wurde etwas Rotes gegessen (-Götterspeise), konnte sie am Ende des Tages die Farbe nicht benennen. Als ich fragte, antwortete sie "gelb?" (Sie hatte einmal eine Vorschulmappe dabei, wo Farben offensichtlich behandelt wurden). Ich dachte, es sei ein sprachliches Problem und setzte eine türkische Kollegin darauf an, aber auch auf türkisch konnte sie das Wort nicht benennen.
    Seit 3 Wochen versuche ich ihr das Zahlsymbol 1, 2, 3 beizubringen, es klappt nicht, obwohl ich sie mir 5-10 Minuten am Tag alleine nach vorne hole, um mit ihr zu arbeiten. Zahlmengen kann sie zählend erfassen, obwohl sie zwischenzeitlich einzelne Zahlen vergisst, wenn es zur 5 geht.


    Probleme mit Symbolen?


    Probleme mit der Auffassungsgabe? IQ???


    Dagegen spricht aber, dass ich mit der Anlauttabelle arbeite, in Anlehnung an Reichen. Dabei kann sie Anlaute heraushören (Wörter machen ihr größere Schwierigkeiten), und dann den Buchstaben abmalen. 2 oder drei Buchstaben hat sie sich gemerkt. Jedoch: Eingeführte Buchstaben (ich mache jede Woche eine Buchstabenwoche, in der ein Buchstabe mit allen Sinnen erfahren und erarbeitet wird), kann sie nicht immer benennen und auch nicht auswendig verschriftlichen (nur mit Hilfe der Anlauttabelle).


    Mein Problem ist nun:
    Geht alles seinen Lauf, dann wäre das Kind in den Schulkindergarten gekommen - dagegen habe ich mich wegen versch. Gründe entschlossen.
    Ich würde das Kind bis Ende Klasse 1 mitlaufen lassen, versuchen, es so gut wie möglich zu fördern, dann würde die Klasse erneut wiederholt, Mitte Klasse 2 würde evt. ein Sonderschulaufnahmeverfahren veranstaltet, das Kind hätte wahrscheinlich immer noch enorme Probleme. Ich habe schon mehrere solcher Fälle mitbekommen und fände das sehr frustrierend.


    Das Kind soll jetzt nicht überprüft werden, da es nicht im Schulkindergarten war (Rektorin).Habt ihr einen Rat für mich? Klar, die Eltern könnten sich an eine Kinder- und Jugendpsychiatrie wenden bzw. Erziehungsberatungsstelle, die Wartezeiten sind nur so lange und die Eltern verstehen nicht gut deutsch.


    Ergotherapie??? Oder welche therapeutische Richtung befasst sich mit Gedächtnis/Aufmerksamkeitsstörungen? Ich finde es nicht gut, dass man das Kind nicht parallel zu mir noch fördern lassen kann, denn viele Kinder, die einen engagierteren Kiga besuchen, sind mehr gefördert worden.
    Auf Tipps hoffend
    flip

  • Hallo,
    erst mal finde ich gut, dass du so vielseitig denkst!
    Ich komme zwar aus dem Sek 1 bereich würde aber folgendes tun. Schreibe ein Tagebuch für dieses Kind: Schreibe auf, wie dieses Kind sich in den unterschiedlichen situatiionen verhält und ob es vielleicht kinder gibt, die herausfinden, ob sie etwas verstanden hat oder nicht!
    wichtig finde ich auch, dass die Türkischkollegin kontakt zu dem Kind hält
    Aus meiner sicht werden sonderschulverfahren viel zu schnell eingeleitet, wenn Schüler eben irgendwie nicht ins System passen: Im Kindergartenbeireich geht es immerwieder um persönliche Entfaltung, in der schule werden die kinder auf einmal miteinander vergleichen.
    Ich arbeite im GU in der sek 1 und habe ein Türkisches Mädchen, die immernoch fürchtbar deutsch spricht und deshalb als Lernbehindert gilt!
    Ich bin überzeugt, dass sie es nicht ist!!!


    Ich dneke aber das GU immer gerade im Grundschulbereich eine gute Sache ist .... vielleicht in letzter Instanz auch für deine Sch.
    Auf jeden Fall würde ich das Ganze genauer beobachten und überlegen, ob das kind Überforderungssymtome zeigt.


    Die idee, es täglich zur Einzelarbeit nach vorn zu bitten, ist auf der einen Seite gut, auf der anderen muss manimmer aufpassen, dass dieses Kind dies noicht als Ausgrenzung versteht. Schließlich buhlen die Kids doch ziemlich um ihre GS Lehrerin und dieses Kind hat dich jeden Tag ganz für sich ....


    nur so ein paar Gedanken


    Isa

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Flip,


    deinen Schilderungen nach könnte dieses Kind unter Wahrnehmungs- und Gedächtnisstörungen leiden. Ich habe in meinem dritten Schuljahr einige Kinder, die darauf untersucht wurden und ich staune immer wieder, welche 'Krankheiten' es doch gibt! Das meine ich jetzt nicht negativ. Mittlerweile arbeite ich an einem persönlichen Netz aus Sonderschullehrern, Kinderärzten und -psychologen, Ergotherapeuten etc. Sehr hilfreich ist bei uns das Jugendamt mit seinen unterschiedlich ausgebildeten Sozialpädagogen, Familienbetreuern usw.
    Hier würde ich auch in deinem Fall einen Ansprechpartner suchen. Wenn die Eltern schlecht Deutsch sprechen, werden sie sich auch nur begrenzt mit Fachleuten unterhalten können bzw. überhaupt einen Termin erhalten. (Wenn man hartnäckig ist, erhält man trotz langer Warteliste recht zügig einen Termin ...) Vielleicht gibt es in der Familie aber jemanden, der in der Lage wäre, zu dolmetschen und die Eltern zu solchen Terminen zu begleiten.
    Du kennst sicher diese Fragebögen, die Kinderärzte bei Verdacht auf ADHS o.ä. Eltern und Lehrer ausfüllen lassen. Ich kopiere mir diese immer und nehme die dort aufgeführten Beispiele auch schon mal für die Beobachtung anderer Kinder zur Hand. Vielleicht hast du auch noch einen solchen Bogen oder kannst dir einen besorgen. Das hilft für eine erste Einschätzung.
    Das Kind muss aber dringend medizinisch untersucht werden.


    Mein GU-Schüler hat ja laut der Fakten des VOSF keinen sonderpädagogischen Förderbedarf! Bei einer der zahlreichen Untersuchungen, die die Eltern angeleiert haben, kam jetzt aber heraus, dass zwar seine Augen in Ordnung sind, er aber viele Buchstaben/Wörter nicht in ihrer ganzen Form wahrnimmt. Es liegt wohl eine Störung der Verbindung der beiden Hirnhälften vor. Und wir haben lange gerätselt, warum das Kind nicht lesen kann! Ihm helfen Koordinations- und kinestätische Übungen, die er, dank Durchsetzung des GU, von einer Sonderschullehrerin bekommt und die zu Hause fortgeführt werden.
    Mit diesem Beispiel will ich eigentlich nur sagen, dass man manchmal keine offensichtlichen Störungen bzw. deren Ursache ausmachen kann. Du bist auf das Engagement des Elternhauses angewiesen, das im Fall türkischer Eltern leider oft erziehungsmäßig nicht unseren Vorstellungen entspricht.


    trotzdem schöne Ferien
    strucki

    Ein Niederrheiner ist einer, der nix weiß und alles erklären kann.
    Hanns Dieter Hüsch

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