Plagiat in Klausur

  • Ich bin etwas ratlos. Vor den Ferien hat mein 13er LK eine 4-stündige Klausur geschrieben, die so eine Art Abi-Vorbereitungsklausur war.
    Ich habe die Arbeiten korrigiert, wobei mir eine schon etwas auffiel, da dort ziemlich gute Passagen vorkamen. Das hat mir allerdings nicht weiter zu Denken gegeben, da die Schülerin sehr gewissenhaft ist und ich mir dachte, dass sie sich einfach nur gut in die Sache eingelesen und vorbereitet hat.
    Ich habe also nichts weiter unternommen und die Korrekturen abgeschlossen.


    Heute bekam ich einen Anruf eines Kollegen, bei dem die selbe Schülerin im zweiten LK eine entsprechende Klausur geschrieben hat. In dieser Klausur wurde nachweislich seitenweise aus Wikipedia abgeschrieben.


    Das machte mich nachdenklich, ich habe mir die Klausur der Schülerin in meinem Fach noch mal vorgenommen und Sätze, die mir beim ersten Lesen schon dubios waren, bei Google eingegeben: Ich habe einiges gefunden... wortwörtlich! Jetzt ist bei mir der Fall etwas anders als beim Kollegen, denn in meinem Fach hat die Schülerin nicht seitenweise abgeschrieben, sondern immer mal hier und da einen oder zwei Sätze eingestreut. Da es sich um eine Fremdsprachenklausur mit Textaufgabe handelt, konnte die Schülerin nicht ahnen, welche Fragen kommen. Sie konnte sich allerdings zum Thema schlau machen und hoffen, bestimmte Versatzstücke wieder benutzen zu können. - Was sie auch in der Tat konnte.


    Ich stehe nun vor folgendem Dilemma: Ich habe 9 Stellen gefunden, die wortwörtlich oder mit minimalen Veränderungen den Text von Internetseiten wiedergeben. Hat die Schülerin das auswendig gelernt oder hat sie in der Klausur die (doch recht komplexen Sätze) von einer Vorlage abgeschrieben? Hätte sie abgeschrieben, wäre der Fall klar: 00 Punkte. Hat sie auswendig Gelerntes hingeschrieben, würde das wohl eher an die Note der Ausdrucksfähigkeit nach unten ziehen.


    Was nun?? ?(

  • Wirklich helfen kann ich dir nicht, aber mein erster Eindruck ist: Auswendig gelernt


    Wieso kannst du aber dann die Note für die Ausdrucksfähigkeit nach unten ziehen?

  • Weil die Note auf "Stil / Ausdrucksvermögen" ausdrücken soll, wie gut man sich in der Fremdsprache ausdrücken kann. Die Schülerin hat (vorausgesetzt es war auswendig gelernt) gezeigt, dass sie nicht selbst formulieren kann und an einer fremden Vorlage "klebt".

  • Mmh, ich bin mir nicht sicher, ob deine Argumentation rechtlich unangreifbar wäre.


    Wie willst du das nachweisen? Auch wenn die Textstellen irgendwo in den Weiten des Internets zu finden sind, kannst du nicht beweisen, dass sie diese Gedanken nicht selber gehabt hat.

  • Sie kann die Ideen schon selbst gehabt haben, ABER bestimmt nicht im exakt gleichen Wortlaut wie auf den Internetseiten, die ich gefunden habe.

  • Hallo Paulchen!
    Das mit dem Herabsetzen der Note sehe ich anders. Schließlich handelt es sich ja um eine Klausur unter Aufsicht, nicht um eine Hausarbeit, Referat o.Ä..
    Wenn die Klausur stilistisch in Ordnung ist, ist das m.E. auch so zu bewerten. In der Klausur hat sie es geschrieben, für sie ist es nach dem Auswendiglernen in ihr Reportoire (äääh?? Orthographie?) übergegangen.
    Vielleicht "klebt sie ja nur an einer fremden Vorlage", weil sie die Kompetenz besitzt zu beurteilen, dass es dort optimal - oder besser als sie es (auf Anhieb) leisten könnte - formuliert ist.
    Anders sähe es bei außerschulisch angefertigten Arbeiten ohne Quellenangabe aus.


    Insgesamt beweist sie Systemkompetenz.


    LG, steffi

  • Sicher, aber du hast das Problem, ihr das nachweisen zu müssen, und das kannst du nicht. Nur weil es diesen Wortlaut im Internet gibt, heißt ja nicht, dass es nicht ihr Gedankengang sein kann.

  • Steffi: Und wie sähe das dann bei einer Zusammenfassung eines vorgegebenen Textes aus, für die der Schüler wörtlich Satzteile aus der Vorlage benutzt? Das geschieht auch "unter Aufsicht", aber selbst wenn der Schüler der Auffassung ist, dass das Original "optimal formuliert" ist, muss er den Inhalt trotzdem in seinen eigenen Worten wiedergeben können. Die Aufgabe besteht ja im freien Formulieren und nicht darin etwas auswendig zu lernen und danach fehlerfrei wiedegeben zu können. Zumal dann noch dazu kommt, dass sich die Schreibtstile doch erheblich unterscheiden.


    silja: Wenn ich etwas 1:1 wo anders finde, drängt sich mir doch der Verdacht auf, dass die Schülerin die Seite auch kennt und Idee und Formulierung von da übernommen hat.
    Natürlich ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn Schüler Sekundärliteratur lesen, um sich auf eine Klausur vorzubereiten. Dann sollen sie die Ideen aber bitte in eigenen Worten in der Klausur schreiben (in der 13. Klasse schon allemal.)

  • Hi Paulchen!
    Ich kann deine Bedenken absolut nachvollziehen , zumal ja auch der Kollege "Alarm geschlagen hat". Trotzdem, ich finde, in einer Klausur muss ich bewerten "was da steht" - und nicht woher es kommt. (Sofern nicht vom Spickzettel ;) )
    Eine Zusammenfassungeines voegebenen Textes ist für mich eine andere Aufgabenstellung, eine Aufgabenstellung, in der der eigene Stil explizit mitabgefragt wird. Klar, dass ich da nichts aus dem Text übernehmen kann. Das Ausgangsproblem scheint mir aber anders gelagert.
    LG, steffi

    • Offizieller Beitrag

    Ich gebe bei solchen Fällen keine Abzüge an der Note, einfach weil es rechtlich schwer nachvollziehbar ist und auch nicht wirklich ein vollständiges Plagiat, eben mehr Fleiß- als Denkarbeit, na, okay.
    Aber ich mache (manchmal durchaus leicht sarkastische) Bemerkungen am Rand und verwiese auf die "zitierten" Internet- und andren Seiten mit "Siehe auch http://....". Das führte bisher in allen Fällen dazu, dass es nicht nochmal vorkam, weil sich die Schüler dann doch selber etwas doof vorkommen. Reicht doch auch, wenn se so was draus lernen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Zitat

    Paulchen schrieb am 12.01.2007 23:11:


    silja: Wenn ich etwas 1:1 wo anders finde, drängt sich mir doch der Verdacht auf, dass die Schülerin die Seite auch kennt und Idee und Formulierung von da übernommen hat.
    Natürlich ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, wenn Schüler Sekundärliteratur lesen, um sich auf eine Klausur vorzubereiten. Dann sollen sie die Ideen aber bitte in eigenen Worten in der Klausur schreiben (in der 13. Klasse schon allemal.)


    Du hast völlig recht, aber wenn sie die Sekundärliteratur soweit auswendig gelernt, um sie in einer Klausur sachgerecht wieder geben zu können, kannst du rechtlich nichts dagegen machen. Ist leider so, da hilft es nur, im Vorfeld Klausuren zu konzipieren, die nicht durch das I-net zu lösen sind.

  • Hmmm...


    Da frage ich mich eben: Machen wir uns dann nicht noch mehr Probleme, wenn das toleriert wird? Das ist zwar der erste Fall, bei dem ich in einer Klausur auf Internetweisheiten stoße, aber das Phänomen "Copy/paste" ist mir auch schon in Hausaufgaben desöfteren begegnet. Muss man da nicht deutlichere Signale setzen?


    Was passiert denn an den Unis, wenn dort geistiges Eigentum gestohlen wird? Die machen inzwischen auch kurzen Prozess. Da denke ich, dass man das einem Abiturienten auch nciht mehr durchgehen lassen darf. Mittelstufe ... ok, die müssen es noch lernen, aber Oberstufe?


    Ich bin immer noch hin- und hergerissen.

  • silja: Höre ich da Kritik an meiner aufgabenstellung? Das war aber keine Klausur, die mit dem Internet zu lösen war. Aber wenn man sich vorher lang und breit mit einer Lektüre und der dazugehörigen Philosophie beschäftigt, kann in der Klausur nicht plötzlich etwas ganz anderes vorkommen. Die Schülerin hat auch den Großteil der Fragen ohne Hilfe beantworten müssen, sie konnte sich nur im reproduktiven Teil helfen.

  • Fühl ihr doch mündlich mal ein bisschen mehr auf den Zahn.... :D
    In Kombination mit Meikes Anmerkungen...
    Und sonst: In nächster Klausur Aufgaben so formulieren, wie silja es vorschlägt.


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    PS: Und Hausaufgaben gehören ja wieder zum Bereich "ohne Aufsicht" - da würde ich durchgreifen.

  • UPPS !!! Also von mir ;) auf keinen Fall Kritik an Aufgabenstellung!!!
    Die kenne ich 1. ja gar nicht und 2. ist es auch nicht meine Baustelle!
    Ich dachte nur, dass es ja Aufgabenstellungen gibt, in denen UNMÖGLICH zitiert werden kann. ;)
    LG, steffi

  • Bei Hausaufgaben bist du streng und in der Klausur läßt du dasselbe durchgehen? Kingt nach Doppelmoral.


    Zum Thema "Aufgabenstellung" siehe mein letztes Post.
    (Zur Verdeutlichung: Eine Aufgabe bestand darin, die Philosophie des Autors mit einem Protagonisten des Romans zu vergleichen und zu analysieren. Die Philosophie hatten wird im Unterricht besprochen (Reproduktion) und der Vergleich musste selbst geleistet werden. Die Schülerin hatte sich zur Philosophie noch mehr angelesen/auswendig gelernt/abgeschrieben/Spicker geschrieben und das dann ind er Klausur benutzt. Der Rest musste, wie gesagt, ohne Hilfestellung geleistet werden und war auch nicht vorhersehbar.)

  • Postings haben sich überschnitten...


    Also, Doppelmoral? Bei der Hausaufgabe schreibe ich ab. Bei der Klausur zitiere ich Auswendiggelerntes aus meinem Gedächtnis und setze es in einen Zusammenhang mit einer mir vorher unbekannten Aufgabenstellung. Für mich ist das ein Unterschied, keine Doppelmoral.

  • Jetzt überschneidet sich hier alles...


    Die AUfgabenstellung habe ich weiter oben nochmal erläutert.


    Steffi: die zweite Alternative wird ja immer noch ausgeblendet: Vielleicht hat sie das gar nicht auswendig gelernt, sondern abgeschrieben. Der Urprungs-Internet-Text ist eine ca. 2 Din-A-4 Seiten lange philosophische Abhandlung, die man nicht "einfach mal so" auswendig lernt, um dann am Tag X ein paar Sätze mitten aus dem Text wieder hervorkramen zu können.

  • Ganz ehrlich? Ich vermute auch, dass sie einen Spicker hatte. Aus den von dir genannten Gründen. Nur, dass du ihr dass jetzt nicht mehr nachweisen, und daher auch nicht in die Benotung einfließen lassen kannst.
    Und daher bleibt: Mündlich auf den Zahn fühlen, signalisieren, dass du nicht von gestern bist und in der nächsten Klausur aufpassen wie ein Schießhund! ;)
    Lg, steffi

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