Zum Thema "Vorurteile" suche ich Material (Film, Geschichten, Sachtexte, ...). Mir fällt bisher nur "Spaghetti für zwei" ein. Habt ihr noch Tipps? Danke!
Material zum Thema "Vorurteile" gesucht
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Im Fach "Praktische Philosophie" gibt es den Themenbereich "Urteile und Vor-Urteile"; entsprechend müsste es auch passendes Material geben.
Fündig würdest du wahrscheinlich in dem Band Wirklich? Philosophie für Einsteiger von Gabriele Münnix (Klett); der ist auch nicht so fürchterlich teuer und m. E. auch sonst für den Deutschunterricht brauchbar.
Hier gibt's eine themenbezogene Schulbuch-Bibliografie für das Fach; einige Bücher - vielleicht in der Schulbibiliothek vorhanden? - bieten Kapitel zum Thema "Vorurteil" (den Band Ethik 7/8 von Cornelsen hab ich und könnte mal reinblättern).
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Sachtexte oder Literatur?
Und welche Jahrgangsstufe / fach? -
Im Cornelsen Deutschbuch 8 gibt es eine Reihe mit der Überschrift "Fremde Sichtweisen verstehen, den eigenen Standpunkt klären"
Da geht es um "Argumentation" und eingestiegen wird über nationale Stereotype und auch über Klischees, die es in den Niederlanden über Deutsche gibt. Vielleicht hilft das weiter...als Text ist aber auch "Spaghetti für zwei" drin.
gruß, juliet -
Zitat
Meike. schrieb am 23.07.2006 17:58:
Sachtexte oder Literatur?
Und welche Jahrgangsstufe / fach?Fach Deutsch Jahrgangsstufe 10
Vielen Dank schon mal für eure Tipps!
Viele Grüße
AK -
Wenn du's etwas anspruchsvoller willst, ist Schillers Gedicht vonnützen:
ZitatUnvollendetes Gedicht*
Das ist nicht des Deutschen Größe,
Obzusiegen mit dem Schwert.
In das Geisterreich zu dringen,
Vorurteile zu besiegen,
Männlich mit dem Wahn zu kriegen
Das ist seines Eifers wert.Deutschlands Majestät und Ehre
Wohnt auf seiner Bürger Haupt.
Stürzte auch in Kriegesflammen
Deutschlands Kaiserreich zusammen,
Deutsche Größe bleibt bestehn.Ewge Schmach dem deutschen Sohne,
Der die angeborne Krone
Seines Menschenadels schmäht,
Kniet vor einem fremden Götzen,
Lüstern späht nach toten Schätzen.Höhern Sieg hat er errungen,
Der der Wahrheit Blitz geschwungen,
der die Geister selbst befreit;
Freiheit der Vernunft erfechten,
Heißt für alle Völker rechten,
Gilt für alle ew´ge Zeit.Ein Text der "Afro-Deutschen" May Opitz, in dem Vorurteile beleuchtet werden
Zitat
Sie sind afro-deutsch?... ah, ich verstehe. Afrikanisch und deutsch.
Ist ja 'ne interessante Mischung! Wissen Sie: manche, die denken ja immer noch, die Mulatten, die würden's nicht so weit bringen wie die Weissen. Ich glaube das nicht.
Ich meine: bei entsprechender Erziehung ... Sie haben ja echt Glück, dass Sie hier aufgewachsen sind.
Bei deutschen Eltern sogar. Schau an!
Wie? Sie war'n noch nie in der Heimat von Papa?
Ist ja traurig ... Also, wenn Sie mich fragen: So 'ne Herkunft, das prägt eben doch ganz schön. Ich z.B. bin aus Westfalen, und ich finde, da gehöre ich auch hin ...Ach Menschenskind! Dat ganze Elend in der Welt! Sei'n Se froh, dass Se nich' im Busch geblieben sind. Da wär'n Se heute nich' so weit!
Ich meine, Sie sind ja wirklich 'n intelligentes Mädchen. Wenn Se fleissig sind mit Studieren können Se ja Ihren Leuten in Afrika helfen. Dafür sind Sie doch prädestiniert, auf Sie hör'n die doch bestimmt, während unser eins - ist ja so'n Kulturgefälle ...
Wie meinen Sie das? Hier was machen: Wat woll'n Sie denn hier schon machen?
Ok, ok, es ist nicht alles eitel Sonnenschein. Aber ich finde, jeder sollte erstmal vor seiner eigenen Tür fegen!
Noch ein Dialog von ihr:
Zitat... hm, ich verstehe.
Kannst ja froh sein, dass de keine Türkin bist, wa?
Ich meine: Ist ja entsetzlich, diese Ausländerhetze, kriegste denn davon auch manchmal was ab?...
Naja, aber die Probleme habe ich auch.
Ich finde, man kann nicht alles auf die Hautfarbe schieben, und als Frau hat man's irgendwie auch nicht einfach.
Z.B. 'ne Freundin von mir: die ist ziemlich dick, was die für Probleme hat! Also dagegen wirkst Du relativ relaxed.
Ich finde überhaupt, dass die Schwarzen sich noch so 'ne natürliche Lebenseinstellung bewahrt haben. Während hier: ist doch alles ziemlich kaputt.
Ich glaube, ich wäre froh, wenn ich Du wäre. Auf die deutsche Geschichte kann man ja wirklich nicht stolz sein, und so schwarz bist Du ja auch gar nicht.
May Opitz in K. Oguntoye u.a.
Zeitlos und schön: aus Alice in Wonderland
ZitatAlice und die Katze
"Was für Leute wohnen hier in der Gegend?"
"Dort drüben", sagte die Katze und schwenkte ihre rechte Pfote, "wohnt ein Hutmacher; und hier" - und dabei winkte sie mit der anderen Pfote - "wohnt ein Schnapphase. Du kannst es dir heraussuchen, welchen du besuchen willst - verrückt sind sie beide."
"Aber ich will doch nicht unter Verrückte gehen!" widersprach Alice.
"Ach, dagegen lässt sich nichts machen", sagte die Katze; "hier sind alle verrückt. Ich bin verrückt. Du bist verrückt."
"Woher weisst du denn, dass ich verrückt bin?" fragte Alice.
"Musst du ja sein", sagte die Katze, "sonst wärst du doch gar nicht hier."
"Das ist doch kein Beweis!" dachte sich Alice; aber sie fragte weiter: "Und woher weisst du, dass du selbst verrückt bist?"
"Zunächst einmal", sagte die Katze, "ist ein Hund doch nicht verrückt. Zugegeben?"
"Meinethalben", sagte Alice.
"Nun also", fuhr die Katze fort, "siehst du: ein Hund knurrt, wenn er zornig ist, und wedelt mit dem Schwanz, wenn er sich freut. Ich dagegen knurre, wenn ich mich freue, und wedele mit dem Schwanz, wenn ich zornig bin. Folglich bin ich verrückt."
"Ich nenne das `schnurren', nicht `knurren'", sagte Alice.
L. Carroll S. 67 f.ZitatDas Vorurteil ist gut, zu seiner Zeit: denn es macht glücklich. Es drängt Völker zu ihrem Mittelpunkte zusammen, macht sie fester auf ihrem Stamme, blühender in ihrer Art, brünstiger und also glückseliger in ihren Neigungen und Zwecken. Die unwissendste vorurteilendste Nation ist in solchem Betracht oft die Erste: das Zeitalter frem-der Wunschwanderungen und ausländischer Hoffnungsfahrten ist schon Krankheit, Blähung, ungesunde Fülle, Ahndung des Todes!" (J.G. Herder, Sämtliche Werke V, Seite 510, Ausgabe von 1891).
ZitatA. Mitscherlich
"Der Nationalismus, den Deutschland bietet, ist relativ unauffällig, sowohl im Vergleich mit den übrigen westlichen, sicher aber mit den Ost- und Entwicklungsstaaten. Dennoch fühlen sich viele Beobachter davon bedroht und alarmiert, dass sich mit deutschem Nationalgefühl nun einmal für zunächst unabsehbare Zeiten Erinnerungen an Auschwitz und Lidice verbinden und der blitzartige Szenenwechsel zu friedlichem und emsigen Fleiss und rasch gesammeltem Wohlstand nur zeigt, wie übergangslos sich hierzulande alles ändern kann." (Die Unfähigkeit zu trauern, S. 25 f.).
Professor Burkhardt Müller
in "das Thomas Mann Syndrom - die Wiederentdeckung der Vorurteile":ZitatBeobachtung 1: Wer einen oberflächlichen Eindruck vom Verhalten deutscher Teilnehmer in deutsch-französischen Begegnungsprogrammen hat, könnte finden, Mitscherlichs Aussage, der deutsche Nationalismus sei "relativ unauffällig", eher noch übertreibt. Dem ersten Anschein nach haben - jedenfalls für meine deutsche Wahrnehmungsfähigkeit - deutsche Teilnehmer überhaupt keine Verhaltensweisen, die man irgenwie als nationalistisch oder vorurteilsbeladen interpretieren könnte. Sie sind neugierig und höflich, auf die Sitten des anderen Landes orientiert, finden das Essen zumeist besser als Zuhause und bemühen sich nach Kräften, in der fremden Sprache zurecht zu kommen. Im Unterschied zu den Franzosen haben Deutsche an den französischen Verhältnissen zumeist wenig auszusetzen. Wenn in deutsch-französischen Begegnungsprogrammen kritisch oder auch mit Ressentiments beladen über die Verhältnisse in einem Land geredet wird, dann geht es gewöhnlich über die deutschen Verhältnisse. Eine selbstkritische Darstellung dieser Verhältnisse gehört für deutsche Teilnehmer, jedenfalls für solche mit höherer Schulbildung, sozusagen zum guten Ton. Die französischen Teilnehmer - jedenfalls die politisch bewussteren unter ihnen - misstrauen dieser deutschen "Vorurteilsfreiheit" gewöhnlich. Für sie gehört es nicht zum guten Ton, keine Vorurteile gegenüber Deutschland und den Deutschen zu haben. Und im übrigen verhalten sie sich so, als könnte es gar nicht stimmen, dass die Deutschen keine Vorurteile haben. Das Paradoxe an dieser Beobachtung ist: je internationalistischer, vorurteilsloser, weltoffener solche deutschen Teilnehmer sich geben, desto leichter sind sie für die anderen als "typisch" Deutsche zu identifizieren. Dies könnte damit zusammenhängen, dass vor allem diejenigen deutschen Teilnehmer, Animateure, Organisatoren etc., die sich in irgendeiner Weise für die "Begegnung" verantwortlich fühlen, leicht in eine etwas irreale Vermittlerrolle geraten. Sie verhalten sich als Teamer/innen oder Teilnehmer/innen so, als hätten sie selbst mit dem, was für die anderen "deutsch" heisst, persönlich gar nichts zu tun. So als sei ihre Aufgabe die neutrale Vermittlung von "internationaler Verständigung", was verstanden wird als die Fähigkeit, anderen mit geschichtsbewusstem Einfühlungsvermögen und pädagogischem Takt von ihren Vorurteilen herunterzuhelfen. Sie nehmen gleichsam eine pädagogische Haltung zu ihrer eigenen Nationalität ein - sehr selbstkritisch, versteht sich - und gerade so erscheinen sie den anderen als "typisch deutsch": Musterschüler, Musterarbeiter, Musterdemokraten, Vertreter musterhafter Verständigungsprogramme. Aber der Verdacht will nicht weichen, dass hier etwas überkompensiert wird: dass die "blitzartige Wandlung" (Mitscherlich) vom nationalsozialistischen Deutschland zum europäischen Musterland immer noch etwas zudeckt, was wirkliche Weltoffenheit von Deutschen verhindert.
Heinrich Heine parodiert eine geistige Haltung "deutsch":
Zitat
"Franzosen und Russen gehört das Land,das Meer gehört den Briten,
wir aber besitzen im Luftreich des Traums
die Herrschaft unbestritten.
Hier üben wir die Hegemonie,
hier sind wir unzerstückelt;
die anderen Völker haben sich
auf platter Erde entwickelt."
(Deutschland - ein Wintermärchen, Caput VII)
Ganz groß zum Thema Vorurteile ist Karl May.
Zum Beispiel eine Textstelle, die allen Karl-May-Lesern aus den Urtiefen der (späten) Kindheit vertraut ist: Die Szene spielt am ägyptischen Ufer des Roten Meeres, gegenüber dem Sinai; Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar, in der Absicht, sich quasi per Anhalter auf die andere Seite des Roten Meeres zu begeben, verhandeln mit dem Wergi-Baschi (Oberzolleinnehmer) Muhrad Ibrahim, dessen Schiff und Mannschaft an dieser Stelle vor Anker liegen, um die Überfahrt. Es entspinnt sich, eingeleitet durch eine Frage Muhrad Ibrahims, folgender Dialog:
(allein schon die Namen! Karl May ist übrigens keine 10 Meter aus seiner heimat herausgekommen, ganz bestimmt war er nie im "Wilden Westen" oder im "fernen Osten".
Zitat»... Bist du ein Fransez oder ein Ingli?«
»Ich gehöre zu den Nemsi. «
»Ein Nemtsche,« meinte er mitgeringschätziger Miene. »So bist du ein Bostandschi [Gärtner] oder ein Bazirgian [Kaufmann]?«
»Keines von beiden. Ich bin ein Jazmakdschi.«
»Ein Schreiber? O jazik, o wehe, und ich habe dich für einen tapfern Beduinen gehalten! Was ist ein Schreiber? - Ein Schreiber ist kein Mann; ein Schreiber ist ein Mensch, welcher Federn ißt und Tinte trinkt, ein Schreiber hat kein Blut, kein Herz, keinen Mut, kein - - - «
»Halt!« unterbrach ihn da mein Diener. »Muhrad Ibrahim, siehst du, was ich hier in meiner Hand halte?«
Er war abgestiegen und stellte sich mit der Nilpeitsche vor den Türken. Dieser zog die Brauen finster zusammen, antwortete aber doch:
»Die Peitsche. «
»Schön. Ich bin Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ihn Hadschi Dawud al Gossarah. Dieser Sihdi ist Kara Ben Nemsi, der sich vor keinem Menschen fürchtet. Wir haben die Sahara und ganz Aegypten durchwandert und haben große Heldentaten verrichtet; man wird von uns erzählen in allen Kaffeehäusern und auf allen Kirchhöfen der Welt, und wenn du es wagst, noch ein einziges Wort zu sagen, welches meinem Effendi nicht gefällt, so wirst du diese Peitsche kosten, obgleich Du ein Wergi-Baschi bist und viele Männer hier bei dir hast!«
Jaja, die Dichter....
Und schließlich und endlich noch dieses hier:
ZitatDas Vorurteil
Eine Geschichte zum Weiterschreiben
Das Vorurteil war es leid, ständig benutzt und dann verleugnet zu werden. Deshalb wollte es seinem freudlosen Leben ein Ende setzen. Das konnte es aber nicht allein. Und so surfte es im Internet und fand heraus, dass am anderen Ufer des Atlantiks ein Mann namens Crowley lebt und dieser ihm wahrscheinlich helfen könne. Sie begannen einen Chat.
„Mister Vorurteil“, fragte Crowley, „woher wissen Sie, wer ich bin? Niemand sieht mein Gesicht, wenn ich meinen Beruf ausübe, und niemand hört meine Stimme. Mein Gesicht ist dann verhüllt, und ich spreche kein Wort.“
„Ich will Sie ja nur um Hilfe bitten, Mister Crowley. Ganz diskret. Niemand sonst sollte davon wissen. Im Internet befindet sich auch kein Hinweis auf Ihren Beruf, allein eine kleine Anzeige in einem winzigen Fenster, das sich plötzlich öffnet, wenn man unter „Sterbehilfe“ sucht. Und die suche ich. Alles andere interessiert mich nicht mehr.“
„Da muss sich einer einen bösen Scherz erlaubt haben, Mister Vorurteil. Eine solche Anzeige habe ich nicht gesetzt. Warum um Gottes Willen kommen Sie zu mir? Ich führe keine Privataufträge aus. Das gehört zu unserem Berufsethos. Hier in den Vereinigten Staaten geht alles sehr genau nach Law and Order. Wir sind ein zivilisiertes Land, das kein Unrecht zulässt. Gewiss, es gibt Bestrebungen, meinen Beruf abzuschaffen. Man behauptet, durch meine Tätigkeit sei noch niemand von einem Mord abgehalten worden. Aber das lässt sich nicht beweisen.“
„Lieben Sie Ihren Beruf, Mister Crowley?“
„Lieben Sie etwa Ihren Beruf, Mister Vorurteil?“
„Nein.“
„Sehen Sie, wenigstens darin sind wir uns einig - über eine so große Entfernung. Dennoch kann ich Ihnen nicht helfen. Vergessen Sie mich bitte!“Damit verschwand Mister Crowley vom Bildschirm. Das Vorurteil war sehr enttäuscht. Rat- und ziellos ging es durch die Straßen, bis es noch dunkler wurde, als es schon war. Durstig geworden, betrat es seine Stammkneipe und wurde mit lautem „Hallo!“ begrüßt. Diesmal antwortete das Vorurteil nicht auf die freudige Begrüßung, mit der es hier jedes Mal empfangen wurde.
Am Tresen standen zwei unbekannte Soldaten, und das Vorurteil setzte sich neben sie auf einen Hocker. Es bestellte ein alkoholfreies Pils. Diese beiden Soldaten, dachte es, können mir helfen. Es waren ein Feldwebel und ein Unteroffizier, Berufssoldaten, wie sich bald herausstellte, Männer, die schon nach den ersten Worten, die sie mit dem Vorurteil wechselten, keinen Zweifel daran ließen, dass sie Fachleute waren.
Das Vorurteil wurde zusehends munter, als es die beiden Soldaten von ihrem letzten Einsatz in Bosnien erzählen hörte und sah, wie sie sich darüber freuten, dass „es nun bald auch im Irak losgehen“ werde. Es war sogar so etwas wie Heiterkeit auf seinem Gesicht.
„Es macht euch also nichts aus“, hakte das Vorurteil nach, „Menschen zu töten.“
„Nö, wenn es sein muss.“ Die Antwort des Unteroffiziers.
Der Feldwebel, bedächtiger: „Na ja, das erste Mal ist mir das nicht leicht gefallen – nachher, als ich die Leichen gesehen habe.“
Das Vorurteil sah sich bereits am Ziel und sagte ohne Umschweife: „Ihr könnt mir helfen! Ich bin das Leben leid.“
„Du bist verrückt!“, platzte es aus dem Feldwebel heraus. „Oder bist du krank? Krank im Kopf oder wo? Denkst du etwa, wir sind Killer?“ Und zum Unteroffizier: „Was, Fritz, sind wir Mörder?“ Und wieder zum Vorurteil: „Wer bist du eigentlich?“
Das Vorurteil hatte auf einmal die Sprache verloren, bezahlte, ohne sein Glas ausgetrunken zu haben, das Bier und verließ eilig die Kneipe. Die übrigen Gäste, fast alle Stammgäste hier und dem Vorurteil sehr zugetan, waren glücklicherweise so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie nichts von dem Gespräch mitbekommen hatten.Am nächsten Tag kaufte sich das Vorurteil eine Zeitung nach der anderen, durchsuchte, ohne recht zu wissen, was es suchte, im Anzeigenteil die Rubrik Verschiedenes durch und stieß auf ein merkwürdiges Angebot. Es lautete: „Führe jeden Auftrag aus - preisgünstig und diskret.“ Darunter eine Handynummer. Das Vorurteil rief sofort an, und man einigte sich schnell auf einen Treff- und Zeitpunkt.
Bei einer Parkbank hinter dem Rathaus trafen sie sich, das Vorurteil und ein Mann unbestimmten Alters in dunkelgrauem Trenchcoat mit Sonnenbrille und Schlapphut. Dieser gab sich als Gelegenheitsarbeiter aus. Das Vorurteil kam sofort zur Sache: „Wie du es machst, ist mir egal“, sagte es. „Es muss aber kurz und schmerzlos sein. Kannst du das?“
Dem Mann in dunkelgrauem Trenchcoat, Sonnenbrille und Schlapphut schien diese Frage nicht sehr zu gefallen. Er antwortete barsch: „Hältst du mich etwa für einen Stümper?!“
„So habe ich es nicht gemeint. Ich wollte dich nur bitten…“
Er schnitt ihm das Wort ab, der Mann im Trenchcoat, mit Sonnenbrille und so weiter. Schrie es an: „Glaubst du, mir macht das Spaß?!“
Seinem Chef, vermute ich, meldete er per Handy: „Die Person ist nicht die gesuchte.“ Packte das Vorurteil wie einen nassen Sack und brachte es zu einem Psychologen.
„Dieser Typ hier“, sagte er zum Psychologen, „ist nicht ganz normal.“
Der Psychologe hörte sich die Leidensgeschichte des Vorurteils an und befand: „Mit Ihrer Libido stimmt etwas nicht.“
Das Vorurteil war verdutzt. Es verstand nicht, was der Psychologe meinte und bat ihn, es ihm zu erklären. Dieser antwortete ihm:
„Sie können nicht lieben, und Sie werden nicht geliebt. Man missbraucht Sie für eigene Zwecke.“
Das Vorurteil verlor die Fassung: „Ich will doch nur ein Vorurteil sein, ein gutes Vorurteil“, sagte es und war dem Weinen nah. „Und man macht mich zu einem schlechten.“
„Dann s e i e n Sie doch ein gutes Vorurteil!“ war die ermutigende Antwort des Psychologen. „Ich schicke Sie jetzt zu einem Philosophen. Der wird Ihnen besser als ich sagen können, was mit Ihnen los ist.“
Er schrieb eine Adresse auf einen Zettel, griff zum Telefon und sprach mit einem Professor Sowieso ein paar Worte.Den Zettel in der Hand, fragte sich das Vorurteil bis zur Vorstadt durch, wo der Philosoph in einem alten Stadtturm wohnte. Der Philosoph, ein Mann mit großem, spiegelblankem Eierkopf, schwarzem, buschigem Schnäuzer und ungewöhnlich tiefen Stirnfalten, dieser Mann endlich konnte dem Vorurteil sagen, woran es litt: „Ganz einfach, lieber Freund“, sagte er, „Sie sind eine multiple Persönlichkeit. Es überrascht mich etwas, dass der Psychologe dies nicht erkannt hat. Wenn jemand gegenüber einem anderen von Ihnen behauptet, Sie seien ein schlechter Typ, man sollte niemals auf Sie hören, denn alles, was Sie sagen, sei falsch, und der Andere, der Sie nicht kennt, behauptet dasselbe gegenüber einem Dritten, der sie ebenfalls nicht kennt: was ist das? Es ist dasselbe, als wenn jemand gegenüber einem anderen von Ihnen behauptet, Sie seien ein guter Typ, man sollte auf jeden Fall Ihren Rat suchen, denn alles, was Sie sagen, ist sehr weise, und dieser Andere, der Sie auch nicht kennt, behauptet, Sie seien ein guter Typ, man sollte auf jeden Fall Ihren Rat suchen, denn alles, was Sie sagen, ist sehr weise. Kapiert? Ich will es einfacher sagen: Sie, lieber Freund, sind alles, was vor mir gedacht worden ist, wenn ich es mir ungeprüft zu Eigen mache. Vieles davon lässt sich nicht überprüfen. So gesehen, beruht ein großer Teil unseres Wissens auf – Vorurteilen.“
Darauf das Vorurteil: „Dann bin ich zum Sterben wohl schon zu alt.“
© Dietrich Stahlbaum
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Ganz wunderschöne Stereotypen über Deutschland und die Deutschen finden sich in Madame de Stael "De l'Allemagne" ("Über Deutschland"). Dieses 1810 erschienene Buch hat die Wahrnehmung der Franzosen über die Deutschen geprägt und vieles schwirrt immer noch in den Köpfen herum: dass die Deutschen sich nicht gewandt ausdrücken können, dass sie viel saufen und singen, dass die Frauen alle blond und ein bisschen doof sind, aber so wunderschön natürlich, etc.
Mit einem Auszug kann ich grad nicht dienen, aber man sollte es leicht in deutscher Übersetzung in der Bibliothek kriegen.So, das hilft dir zwar jetzt momentan wahrscheinlich nicht sehr viel weiter, abe ich fand das Buch (größtenteils) sehr interessant und vielleicht geht es ja noch jemandem so.
LG,
LelainaEdit: Typo
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Eine sehr witzige Lektüre, in der das Thema zwar nicht im Mittelpunkt steht, aber einen hohen Stellenwert hat, ist "Happy Brithday, Türke" von Jakob Arjourni.
Außerdem gibt es noch eine schöne Kurzhgeschichte von Rafik Schami: "Der Kummer des Beamten Müller" (4 Buchseiten). Sie war mal im "LeseBuch", das zum Welttag des Buches 1998 gratis verteilt wurde, ist aber sicherlich auch an anderer Stelle zu finden.
Sehr schön auch die "Learn German" Kampagne, die seit wenigen Jahren vom DAAD und GI ausgetragen wird, in der Vorurteile gegenüber Deutschen mit einem Augenzwinkern in Form von Plakaten auf die Schippe genommen werden. Die setze ich gerne im E-UR ein. -
Die Vorstadtkrokodile ( wenn Unterstufe)
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Vielen Dank für eure Antworten!!
Noch eine Frage: wie komme ich denn an diese "Learn-German-Bilder"? Am besten wende ich mich wohl an den DAAD, oder?
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Ich möchte noch auf folgendes Material der Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenhang mit der WM hinweisen:
[URL=http://www.bpb.de/methodik/3WLEZU,0,0,Materialien_f%FCr_den_Unterricht.html]http://www.bpb.de/methodik/3WL…f%FCr_den_Unterricht.html[/URL]
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Ich suche "schöne" Bilder / Zeichnungen / ... über nationale Stereotype. Über Hinweise zu Links oder auch ggf., wenn ihr so nett seid, Zusendung von Material per Mail wäre ich sehr dankbar!
Viele Grüße
AKnull -
@ Eliah:
Ich greife die Frage von Aktenklammer noch mal auf: Wo bekommt man die Sachen der "Learn German"-Kampagne vom DAAD? Ich habe schon gegoogelt, finde aber nicht das Richtige...
LG, Vivi
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Ich habe die damals direkt vom DAAD bekommen, war aber auch damals als DAAD-Lektor im Ausland tätig. Keine Ahnung, ob man da so rankommt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es da große Probleme gibt. Wende dich doch einfach direkt an den DAAD...
EDIT:
Hier ein paar Links:http://www.goethe.de/ins/gb/lon/acv/lhr/en1675584.htm
http://www.goethe.de/ins/gb/lon/acv/lhr/en44283.htm
http://www.ukgermanconnection.…guage/learn_german06.htmlDie 2006-Poster scheinen aber nicht mehr so gut zu sein...
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