Goethes "Willkommen und Abschied"

  • Ich mach gerade Lyrik mit meinen 11ern und suche ein paar Tipps, wie ich die SuS für Lyrik begeistern kann... In der nächsten Klausur wird Gedichtanalyse drankommen, daher haben wir vor den Ferien wichtige Punkte der Gedichtanalyse und -interpretation erarbeitet. Das fanden die SuS ziemlich trocken, und jetzt steht als nächstes "Willkommen + Abschied" von Goethe an. Ich weiß jetzt schon, dass die SuS lange Gesichter machen werden. Und dabei würde ich ihnen so gern vermitteln, dass Lyrik auch Spaß machen kann! (Ich bin im Ref. und habe daher noch nicht so viel Erfahrung mit solchen Dingen...)
    Hat einer von euch eine nette Idee, wie ich das Gedicht "Willkommen und Abschied" mit meinen SuS durchnehmen könnte? Gibt's im Netz eigentlich irgendwo eine Tonaufnahme davon? Mir fehlen die Ideen...
    Ach ja: Ich sollte vielleicht erwähnen, dass die SuS generell Verständnisprobleme haben, Texte zu verstehen. Wenn sie ein Gedicht nicht richtig verstehen, machen sie sofort "dicht" und finden es doof... Sie meinen, sie könnten mit Lyrik nichts anfangen. Vor allem die Jungs sagen, es sei nur Gefühlsduselei...


    Danke für eure Hilfe!


    Vivi


    P.S.: Ich hab den Thread dazu aus dem Jahr 2005 schon entdeckt. Leider gab es damals nur eine Anregung dazu... :(

  • Zitat

    Vivi schrieb am 23.04.2006 11:42:
    Ach ja: Ich sollte vielleicht erwähnen, dass die SuS generell Verständnisprobleme haben, Texte zu verstehen. Wenn sie ein Gedicht nicht richtig verstehen, machen sie sofort "dicht" und finden es doof... Sie meinen, sie könnten mit Lyrik nichts anfangen. Vor allem die Jungs sagen, es sei nur Gefühlsduselei...


    Nix für ungut. Aber du erfüllst natürlich durch die Auswahl des Gedichtes schon alle Vorurteile:
    a) Sturm&Drang="Gefühlsduselei"
    b) Gedicht selbst=Liebeslyrik


    Außerdem finde ich das Gedicht formal nicht besonders spannend. Es läuft dann halt drauf hinaus: Das Gedicht hat vier Strophen. Die Verse stehen im Kreuzreim...
    So beim schnellen Drübergucken kann ich da aber keine inhaltlichen Zusammenhänge feststellen. Die Schüler fragen dann mit Recht: Und was bringt uns das jetzt?


    Kannst du die Wahl nochmal überdenken?

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Wenn den Schülern Textverständnis schwer fällt, lohnt es sich, den Leseprozess zu verlangsamen und zu öffnen.


    Erster Schritt:



    1. Soweit ihr das aus diesem Lückentext erschließen könnt: In welcher Situation ist das lyrische Ich? Welche Stimmung herrscht vor?
    2. Probiert mal rum: Was könnte in die Lücken passen?
    3. Vorstellung: Was habt ihr gefunden? Warum passt das für euch?
    4. Vorstellung der Goethe-Version
    5. Findet eigene Worte (Wenn Zeit, Anfang einer Kurzgeschichte): "Übersetzt" die Situation in die heutige Zeit (Assoziazion: BAP, "Frau, isch freu misch..." aber das gehört jetzt nicht hierher. Oder doch?) Wenn du einen zusammenhaltenden Faden haben willst: Lass sie ihre eigene Version aufschreiben, jeder für sich, erst am Ende der Stunde wird vorgestellt.
    5. Erste Strukturbeobachtung: Welche Rolle spielt die Nacht? Welche die Natur? Welcher Kontrast wird aufgebaut? (Hier Schlüsselwörter kontrastierend an der Tafel festhalten, nebenher nochmal Fachbegriffe für Bildlichkeit, also Metapher, Vergleich, Personifikation usw. abfrühstücken)
    6. Was erwartet ihr jetzt? Wie geht's weiter?


    Zweiter Schritt:



    1. Wo sind wir? Um wen geht es jetzt? Was wird hier beschrieben?
    2. Wie wird die Geliebte beschrieben?
    3. Welche Version haltet ihr für wahrscheinlicher? Welche überzeugt euch eher (Schwerpunkt: Inversion der ersten Zeile, Ansprache der Geliebten)? Warum wurde in den letzten vier Zeilen nichts verändert? Wer wird hier angesprochen?
    4. Fortsetzung der Modernisierung (Jeder für sich)
    5. Wie geht's weiter?



    (Einfachere Version: Nur die Reimwörter vorgeben, Rhythmus soll jedoch beibehalten werden).


    1. Vermutung: Was passiert hier?
    2. Strophe ausschreiben lassen - vorstellen.
    3. Mit Original vergleichen.
    4. Antithetische Stilmittel/ Kontraste/ Parallelismen usw. herausarbeiten.
    5. Wen sprechen die letzten beiden Zeilen an?
    6. Mündl: Zusammenfassung
    HA: Modernisierung beenden und überarbeiten, Vorstellung nächste Stunde, Bezug zur Biografie Goethes usw.


    Bin mir nicht sicher, ob das in Ordnung oder zu viel Rumgespiele ist, aber einen Versuch ist's wert.


    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

    Einmal editiert, zuletzt von wolkenstein ()

  • WOW, Wolkenstein, da haust Du mal eben schon fast eine kleine Einheit raus...


    Ich brauche für jeden kleinsten Schritt noch Taaage... :(
    Anfängerschicksal wahrscheinlich.


    Dir viel Erfolg, Vivi (ich kann leider nichts Fachliches besteuern)!
    LG,
    Quesera

  • Danke für deine Tipps, Wolkenstein!!! Das Problem ist nur, dass die SuS das Gedicht bereits kennen. Es steht im Deutschbuch, und der Fachlehrer wollte, dass die SuS sich das Gedicht über die Ferien schon mal angucken und überlegen, wie man es analysieren könnte... Ich hatte mir vorgestellt, das Gedicht jetzt erst noch mal inhaltlich durchzugehen, bevor wir die richtige Analyse machen. Dazu gehört natürlich auch, in welcher Situation sich das lyrische Ich befindet etc. Das Gedicht in die heutige Zeit übertragen zu lassen, ist eine super Idee! Da könnte ich vielleicht was draus machen (also ab Punkt 5 deines "Ersten Schritts"). Die Erwartungen, wie es danach weitergehen könnte, kann ich dann natürlich vergessen, da das komplette Gedicht bekannt sein dürfte. Aber eine Schritt-für-Schritt-Modernisierung wäre natürlich drin.


    DANKE noch mal!!!


    @ Timm: Ich habe mir das Gedicht nicht ausgesucht, sondern der Fachlehrer. Ich unterstütze das auch im Grunde, denn 1.) sind wir in der 11. Klasse, und 2.) kann man ja auch nicht nur Gedichte durchnehmen, die einem oder sogar jedem gefallen. Da ich erst neu im Ref. bin und noch nie was mit Gedichten gemacht habe, habe ich nicht so viele Erfahrungen, wie ich das richtig rüberbringen kann. Aber man wächst ja bekanntlich an seiner Aufgabe! :D:D:D


    Dank euch!

  • Wenn dem so ist... elende Spielverderber. Dann würde ich wahrscheinlich wirklich mit BAP anfangen, nur um zu gucken,w ie der Fachlehrer guckt...


    w.


    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

  • Zitat

    Vivi schrieb am 23.04.2006 16:00:
    Vivi schrieb am 23.04.2006 16:00:


    @ Timm: Ich habe mir das Gedicht nicht ausgesucht, sondern der Fachlehrer. Ich unterstütze das auch im Grunde, denn 1.) sind wir in der 11. Klasse, und 2.) kann man ja auch nicht nur Gedichte durchnehmen, die einem oder sogar jedem gefallen.


    Ich spreche jetzt auch als ehemaliger Schüler, dem durch den Deutschunterricht jeder Spaß an Gedichten ausgetrieben wurde, der heute aber mit großer Leidenschaft Lyrik unterrichtet:
    Punkt 1) halte ich für keine Begründung und verstehe auch die Logik dahinter nicht ("wir nehmen in der 11. Klasse nur Sachen durch, die den Schülern möglichst nicht liegen?"). Und in Bezug auf 2) warum soll man nicht nur Gedichte durchnehmen, die den meisten gefallen?


    Die Zwänge, die im Ref herrschen, erkenne ich natürlich an. Und bestimmt kann man mit wolkensteins Vorschlägen das Gedicht interessant rüberbringen.


    Aber ich habe dich wegen der anstehenden Klassenarbeit so verstanden, dass im Unterricht das klassische Interpretieren geübt werden soll. Und da halte ich das Gedicht - abgesehen von der Metaphorik - für eher ungeeignet.


    Ich vergleiche die Gedichtintepretation immer mit einer Dektivarbeit: Wir kennen die ganze "Wahrheit" nicht, aber wir versuchen mittels Indizien aus dem Text den Leser zu überzeugen, dass unsere Version die richtige ist.


    Man könnte z.B. die Schüler in Gruppen das Gedicht klassisch interpretieren lassen. Anschließend muss vor einer Jury ein Gruppensprecher möglichst überzeugend vertreten, dass die Version der eigenen Gruppe die beste ist. Die Jury kann dann Preise vergeben.


    Damit könnte man auch klar machen, dass Interpretieren eben nicht beliebig ist (was viele Schüler ja meinen; "aber ich empfinde es so, warum ist es dann falsch"), sondern letztenendes eine Argumentation ist, die den Leser von der eigenen Version überzeugen soll. (Und damit fliegen auch alle formalen Beobachtungen, die keinen Beitrag zur Interpretation leisten raus, entgegen dem, was an der Schule oft gerne als Musterinterpretation gelehrt wird!)

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zitat

    wolkenstein schrieb am 23.04.2006 14:13:
    Wenn den Schülern Textverständnis schwer fällt, lohnt es sich, den Leseprozess zu verlangsamen und zu öffnen.
    ....


    Gefällt mir seeeeehr. Man lernt nie aus, auch, wenn man selbst kein Deutsch unterrichtet.

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