Welche Fähigkeiten und Einstellungen in der weiterführenden Schule?

  • Hallo,


    ich habe seit dem 01.02. ein viertes Schuljahr. Die Empfehlungen sind noch von der alten Klassenlehrerin geschrieben worden.
    Ich würde den Eltern gerne mitteilen, worauf sie (und ich) besonders achten müssen, damit den Kindern der Übertritt an die weiterführenden Schulen gut gelingt.


    Deshalb meine Frage an euch:


    Welche Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen sind beim Übertritt in die weiterführenden Schulen besonders wichtig??? (z.B. beim Gynmasium: Selbständigkeit beim Lernen)


    Danke für eure Antworten!


    Liebe Grüße


    Barbara

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Barbara,


    das Thema hatten wir schon mehrmals, du findest also bestimmt noch mehr Informationen über die Suchfunktion (gib mal das Wort "Empfehlung" in die Suche ein).


    Ich finde das Thema zur Zeit sehr interessant, da ich eine 5. Realschuklasse als Klassenlehrerin in Deutsch und Englisch unterrichte und da wir die Schüler intensiv beobachten, um auf den Erprobungsstufenkonferenzen die richtigen Empfehlungen auszusprechen.


    Was mir besonders auffällt: Ich habe den Eindruck, dass bei den Grundschulempfehlungen sehr viel Wert auf Deutsch gelegt wird, und manche Lehrer bei Problemen in der Rechtschreibung und bei stockendem Vorlesen Bedenken haben und eine niedrigere Schulform wählen.


    Ich habe aber ebenfalls den Eindruck, dass Schüler, die in der weiterführenden Schule Probleme haben, hauptsächlich an Englisch und Mathe scheitern. In Deutsch schreibt man bei uns überwiegend Aufsätze, die Rechtschreibung wird dort in der Unterstufe nicht mitbewertet und geht in die Gesamtnote kaum ein. So wird ist bei uns beispielsweise im ersten Halbjahr der 5 nur ein Teil EINER Klassenarbeit ein Rechtschreibteil, den man mit dem anderen Teil der Arbeit locker ausgleichen kann. Bei LRS-Kindern wird dieser Teil auch nicht bewertet. In den Aufsätzen müssen die Kinder sich hauptsächlich an im Unterricht erarbeitete Kriterien halten. Das bedeutet in der Praxis, dass es im Aufsatz selten Fünfen gibt, eigentlich nur dann, wenn jemand kaum Kriterien beachtet und eine sehr schlechte Ausdrucksweise hat.
    Schau mal hier: http://www.lehrerforen.de/oldforum.php?topic=100576767612 Da habe ich schon mal ein bisschen was darüber geschrieben.


    In den Fremdsprachen ist das leider anders, da gibt es leider öfter mal Fünfen. In der Fremdsprache lernt man ja nicht nur für eine Arbeit, sondern muss die Vokabeln und grammatischen Strukturen, die man einmal lernt, ja auch noch in künftigen Arbeiten verfügbar haben. Wenn man einmal größere Lücken hat, wird man auf Dauer Probleme haben, überhaupt noch mitzukommen. Es gibt Kinder, die tun sich mit sprachlichen Strukturen und sprachlichen Systemen unheimlich schwer. Das sind - wie mir auffällt - überwiegend die Kinder, die auch in der deutschen Sprache Probleme haben, wenn Grammatik als Thema ansteht. Diese Kinder haben oft auch Probleme, in der deutschen Grammatik Systeme zu verstehen, zu verstehen, was ein Kasus ist oder was eine Präposition. Möglicherweise können die Grundschullehrer das daran sehen, dass Kinder in Deutsch beim Thema "Grammatik" größere Schwierigkeiten haben.


    Ein weiterer ganz wichtiger Punkt ist bei uns die Lernbereitschaft, das Lernvermögen und eine generelle Neugier und Offenheit, ein Interesse an vielen Dingen, bei manchen Kindern auch Ehrgeiz. So ist es eben auch in Englisch sehr wichtig, dass die Kinder regelmäßig, konsequent und selbständig zu Hause Vokabeln und Grammatik lernen und wiederholen. Die Kinder, die die Vokabeln immer nur halb lernen, bekommen langfristig auch Probleme.


    Ebenfalls wichtig finde ich das Arbeitstempo, das bei meinen Schülern teilweise sehr unterschiedlich ist. Interessant ist, dass die Schüler, die aus den verschiedenen Grundschulklassen kommen, ein sehr unterschiedliches Arbeitstempo haben. Während die Schüler der einen Grundschulklasse alle zügig und gleichzeitig ausreichend sorgfältig arbeiten und auch Tafelbilder in mittlerem bis schnellem Tempo abschreiben, haben fast alle Kinder aus einer anderen Grundschulklasse damit Probleme, brauchen lange, bis sie anfangen, bis sie entschieden haben, ob sie die Überschrift nun rot oder gelb unterstreichen, malen die einzelnen Buchstaben...
    Ein zumindest mittleres Arbeitstempo halte ich für sehr wichtig.


    Interessant ist, dass es bei einigen "schwierigen Kindern", also Kindern, die vom Verhalten her schwieriger sind (die öfter mal motzen, streiten, aggressiv sind, den Unterricht stören...), Bedenken gab, sie auf die Realschule zu geben. Jetzt kann ich natürlich nur von unserer Schule und insbesondere von unserer Klasse reden, aber bei uns kommen diese Kinder gut zurecht, vermutlich weil wir nicht wenige solcher Schüler an der Schule haben und wenn man schwierige Siebt- bis Neuntklässler gewöhnt ist, normalerweise nicht an schwierigen Fünftklässlern verzweifelt. Alle "schwierigen" Kinder haben sich bei uns ganz gut eingelebt, fühlen sich wohl, soweit ich es beurteilen kann und sind auch gut in die Klasse integriert. Wenn ich mir die Grundschulzeugnisse dieser Kinder ansehe, habe ich den Eindruck, dass sie sich sogar sehr positiv entwickelt haben.


    Generell kann man von der Realschule sagen, dass im Vergleich zum Gymnasium wesentlich mehr geübt und weniger Transfer verlangt wird. Eine Schülerin einer zehnten Klasse, die vor einem Jahr vom Gymnasium kam, hat mir neulich versucht, die Unterschiede zwischen beiden Schulformen zu erklären: "Am Gymnasium hat man mehr Freiheiten, hauptsache die Leistung stimmt, die Lehrer achten nicht so sehr darauf, ob wir denn lernen, das müssen wir selbst wissen. An der Realschule wird man mehr ans Händchen genommen, es wird mehr darauf geachtet, dass jeder was lernt und auch was tut, das hat beides Vor- und Nachteile." Bei uns sind normalerweise die Schüler, die neuen Stoff öfter mal üben müssen. So wird bei uns viel kleinschrittiger vorgegangen. Beispielsweise werden bei einem Text in der 7. Klasse in Englisch Detailfragen gestellt und die Schüler müssen zum Beispiel beantworten wo die Geschichte spielt, um wen es geht und wohin die Personen fahren. Meine Schüler, die vom Gymnasium kommen und dieses Jahr zu uns gewechselt sind, sind in der Lage, den GESAMTEN Text selbständig und in mehreren eigenen englischen Sätzen wiederzugeben.
    An der Realschule sind viele Schüler, die laut Grundschulzeugnis "in der Lage sind, neuen Unterrichtsstoff nach vielfältigen Übungsphasen anzuwenden" (naja, ungefähr so war der Wortlaut), während diejenigen, die laut Grundschulzeugnis "in der Lagen sind, neuen Unterrichtsstoff nach kurzen Übungsphasen zu beherrschen", eine gute Realschul- oder eine Gymnasialempfehlung bekommen haben.


    Probleme haben in der 5 meiner Einschätzung nach die Schüler, die nicht interessiert und motiviert sind, oder die, für die es einfach zuviel ist, so viele Fächer gleichzeitig zu haben und die noch mehr Übungsphasen und noch mehr Förderunterricht bräuchten (oftmals waren diese Kinder in der Grundschule auch schon sehr schwach) oder Kinder, die nicht interessiert sind, sehr unselbständig und die sich generell nicht anstrengen möchten.


    Was ich hier unbedingt noch loswerden möchte: Es ist für die Kinder auch immens wichtig, dass sie gute Startbedingungen von der Grundschule her mitbringen. Dazu zählt für mich eben das oben erwähnte Arbeitstempo, in Deutsch außerdem, einen ungefähren Überblick über grammatische Begriffe und Systeme zu haben (es gibt verschiedene Wortarten z.B. Adjektive, diese bezeichnen "wie etwas ist", Adjektive kann man steigern, man schreibt sie klein usw.), ein Grundschulenglisch, das Grundstrukturen legt (es wird in Englisch demnächst neue Lehrbücher geben, die auf dem Grundschulenglisch aufbauen, so dass bestimmte Strukturen usw. bei den Kindern schon als bekannt vorausgesetzt werden) - es ist so auffällig, dass die Kinder, die in der Grundschule in Englisch viel gelernt haben, bei uns so wahnsinnig motiviert sind und ein sehr großes Selbstvertrauen in diesem Fach haben.


    Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen.


    Zu Mathe kann ich nicht viel sagen, das überlasse ich den Leuten, die sich da besser auskennen.

    • Offizieller Beitrag

    Urgs, wie war das mit der Lesekompetenz?


    Ich hatte deine Frage dummerweise nicht richtig verstanden und ganz übersehen, dass die Empfehlungen bei euch schon geschrieben sind. Aber vielleicht sind in meiner Antwort trotzdem einige Punkte, die für dich interessant sind.


    Dann ein neuer (kürzerer) Versuch:


    Realschule: auch eine gewissen Selbständigkeit (allerdings nicht so umfangreich wie am Gymnasium), Interesse, selbständiges Lernen und eine gewisse Anstrengungsbereitschaft und das oben angesprochene Vorwissen wäre nicht schlecht

  • Hallo Referendarin,
    auch ich "verschlinge" alle Äußerungen, die mir als Viertklasslehrerin in dieser Hinsicht weiterhelfen.
    Vielen herzlichen Dank! Ich kenne auch deinen anderen Beitrag, und von Meike gibt es auch einen ganz tollen.
    Mich würde nun echt Mathe interessieren ... worauf sollen wir nun am Ende der vierten Klasse achten, um es den Kleinen in Mathe ein bisschen leichter zu machen?
    Gruß und Dankeschön!
    venti :)

    • Offizieller Beitrag

    So, jetzt habe ich auch ein paar Infos zu Mathe (ich habe mal meine Mathekollegin und auch meine Schüler gefragt):
    Was die Kinder in Mathe mitbringen sollten, um ihnen den Einstieg an der Realschule zu erleichtern (und woran es bei unseren Schülern aber leider teilweise hapert):


    - das kleine Einmaleins gut beherrschen
    - das große Einmaleins mit den "zehnernahen" Zahlen (ich hoffe, ich habe mir den Terminus richtig behalten, es waren ungefähr die Zahlen 11, 12, 12 und 19 gemeint, glaube ich) beherrschen
    - das große Einmaleins mit Zahlen, die ein Vielfaches von 10 sind (187830 x 40)
    (Da muss ich als Nicht-Mathelehrerin doch mal ganz off-topic fragen: Wo ist eigentlich das Malzeichen auf der Tastatur?)
    - Kinder sollten die Bezeichnungen für Körper wie Quader, Würfel... kennen
    - Schüler sollten die Zahlen richtig schreiben können, also z.B. wissen, wie eine 9 aussieht und wie man diese richtig schreibt
    - Die Kinder sollen gut Kopfrechnen können.


    Die Schüler brauchen nach der 4 bei uns noch nicht Rechnungen wie diese (34348430:233434) zu können - das wird wohl in der 5 neu eingeführt.


    Für Deutsch fallen mir auch noch ein paar konkrete Dinge ein, die die Kinder für den Deutschunterricht in der 5 können sollten und die sie auch für den Fremdsprachenunterricht wissen müssen:
    - die wichtigsten Wortarten wie Nomen, Adjektive und Verben relativ gut erkennen können
    - wissen, was ein Infinitiv ist (auch wenn sie ihn nur unter dem Begriff "Grundform" kennen), es ist wichtig, dass die Kinder überhaupt Infinitive kennen, da sie sonst in Englisch Probleme haben, wenn das neben all dem neuen Stoff auch noch neu gelernt werden muss
    - wissen, was ein Konsonant und was ein Vokal ist
    - die 4 Fälle sollten bekannt sein (Feinheiten und Fachwörter können ja später kommen)
    - Die Kinder sollten in der Lage sein, bei schriflichen Arbeiten selbständig und zügig anzufangen und selbst zu entscheiden, in welcher Farbe sie die Überschrift unterstreichen wollen oder ob sie das Heft dazu längs oder quer legen sollen und zügig zu arbeiten. Ebenso sollte bekannt sein, wie man einen Hefteintrag macht.


    Bei uns gibt es zum Beispiel erhebliche Unterschiede zwischen den Kindern, die all das schon in der Grundschule gelernt haben und trotz aller Übungen, die wir machen, klare Vorteile gegenüber den anderen haben und denjenigen, die das nur äußerst rudimentär bzw. zum Teil gar nicht behandelt haben.

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