Hallo Ihr Lieben,
in meiner Fünften ist ein Junge, der sehr ruhig ist.
Er passt zwar meist auf, und seine Antworten sind zur Hälfte richtig, aber im Schriftlichen ist es eine Katastrophe.
Die erste Klausur war schon eine Fünf und da meinten Kollegen, ich sei noch sehr großzügig gewesen und die zweite ist auch nicht sehr viel besser.
Das Kerlchen schreibt Sätze über eine halbe Seite hinweg ohne jegliches Satzzeichen, Höhepunkt und Spannung sind in seinem Aufsatz gar nicht auszumachen.
Die Übungsaufsätze waren hingegen durchweg im Zweierbereich und auch gar nicht sein Schreibstil. Außerdem schreibt er nie direkt in sein Hausheft, sondern klebt immer Blockblätter ein, so dass ich den Eindruck von starker häuslicher Kontrolle habe.
Grundsätzlich ja sehr schön, aber im Fach Deutsch dann doch sehr demotivierend für den Jungen- was soll ich denn jetzt machen?
Ich kann doch schlecht die Eltern einbestellen und sagen: "Sie helfen ihrem Kind ab jetzt nicht mehr in Deutsch, damit schaden Sie ihm nur?"
Was würdet Ihr machen?
Lg, Hermine
Eltern helfen zu sehr- was tun?
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Hallo Hermine,
meinst du, dass das Kind Probleme hat, weil seine Eltern es zu sehr bei den Hausaufgaben unterstützen?
Ich würde an deiner Stelle erst einmal mit der Hilfe im schulischen Bereich einsetzen. Vielleicht könntest du dann dein Bemühen mit dem der Eltern koordinieren und ihnen erklären, was sie tun können, um ihrem Kind zu helfen. Diese Hilfe wird sicher nicht so aussehen, dass sie nichts mehr tun. Nur vielleicht sinnvolleres.
Grüße Enja
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Zitat
meinst du, dass das Kind Probleme hat, weil seine Eltern es zu sehr bei den Hausaufgaben unterstützen?
Ja, ich denke, dass, überspitzt gesagt, die Aufsätze gar nicht vom Jungen, sondern von den Eltern stammen.
Ich frag mich nur, wie ich Kontakt zu den Eltern so aufnehmen kann, dass es nicht wie "Elternschelte" aussieht.
Ein Brief oder eine Notiz, dass ich sie mal sprechen will, könnte doch missverstanden werden, oder?
Lg, Hermine -
Keine Angst vor Einladungen - wie sollst du denn sonst mit ihnen in Kontakt treten? Sinngemäß:
Wie Sie sicherlich wissen, hat X. im Deutschunterricht noch mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Ich würde mich freuen, wenn wir in einem persönlichen Gespräch gemeinsam nach Lösungswegen suchen könnten, und bitte Sie herzlich darum, mich zwecks Terminabsprache anzurufen/ einen Termin mit dem Sekretariat auszumachen/ wie auch immer das bei euch an der Schule geregelt ist. MfG,...
Ob du den Jungen beim ersten Gespräch dabei haben willst, hängt davon ab, was du genau vorhast und womit du dich wohler fühlst. Ideen zum Gesprächsablauf:
- Erst mal das Problem schildern, dabei aber nicht unterstellen, dass die Eltern seine HA machen; nur eben, dass häusliche und schulische Leistung nicht zusammen passen. Wichtig: Nicht in die Defensive drängen ("Ihr Kind kann das nicht"), sondern so weit als möglich positiv bleiben ("Ihr Sohn rackert sich ab, aber es klappt noch nicht" -> Es geht nicht um Schuldverteilung und Kritik, sondern um Ursachenforschung).
- Nachfragen und zuhören: Wie geht er mit den Aufgaben zuhause um? Wie ist seine Sprachentwicklung allgemein? Liest er gern? Schreibt er Geschichten? Hängt er viel am Computer? Gab es in der Grundschule in Deutsch Schwierigkeiten?
Wahrscheinlich kommt dabei sehr schnell heraus, dass er sich mit den HAs quält und die Eltern auch, weshalb sie ihm dann "helfen". Loben - Elterneinsatz finde ich immer begeisterungswürdig -, dann aber zur Sprache bringen, welche Unterstüzung am sinnvollsten für ihr Kind ist: Leseförderung, Erzählen am Abendessenstisch, Schreibtraining anhand von Geschichten und Themen, die ihn wirklich interessieren (zum Schreiben anhalten, aber nicht eingreifen) usw., evt. Buchtipps geben
Die meisten Eltern, denen ich begegnet bin, sind eigentlich über eine solche Fachberatung immer sehr froh gewesen. Kommen dabei tieferliegende Probleme zutage (instabiles Elternhaus, Lernschwierigkeiten usw.), nach weiteren Lösungsmöglichkeiten (Nachhilfe, Untersuchung auf Teilleistungsschwäche usw.) fahnden.
Hilft das weiter?
w.PS: Nein, ich halte Eltern überhaupt nicht für doof, trotzdem Vorsicht vor Fach-Chinesisch (es ein denn, die Eltern sind vom Fach): Nicht "Wie ist seine Sprachentwicklung?", sondern "Erzählt er denn zuhause gern? Denkt er sich manchmal Geschichten aus und schreibt sie auf? Worüber denn?"
PS2: Noch'n Nachgedanke: Wenn der Junge dabei ist, ist es ungemein spannend, das Gesprächsverhalten zwischen Eltern und Kind zu beobachten; ich denke nur an die Fälle, in denen die Eltern regelmäßig für das Kind antworteten, ihm ständig ins Wort fielen bzw. über es redeten, als sei es gar nicht da oder ständig an ihm herumschubsten - und sich dann wunderten, wenn ihr Kind schüchtern ist. Beim eigenen Gesprächsverhalten drauf achten, dass Kind und Eltern halbwegs abwechselnd angesprochen werden, und auch mit dem Schüler zu einer klaren Vereinbarung kommen.
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Danke Wolkenstein,
ja, das hilft mir ungemein weiter- ich werde deine Hilfestellung befolgen bzw. den Jungen vor den Weihnachtsferien erstmal genau im Blick haben und auch die restlichen Hausaufgaben mal anschauen.
Nochmals vielen Dank! -
Hallo Hermine,
dass die Eltern den Kindern die Hausaufgaben machen und die Referate schreiben, ist weit verbreitet. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, dass das so große Probleme macht.
Da Hausaufgaben ganz massiv in die Benotung eingehen, ist es für Eltern eher schwierig, das nicht zu tun.
Wenn du ihnen ein paar konstruktive Vorschläge machst, wird sie das sicher nicht stören, sondern erfreuen.
Grüße Enja
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Zitat
Da Hausaufgaben ganz massiv in die Benotung eingehen,
Seit wann das denn?
Ursula
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In Hessen zählt die mündliche Note 50 bis 66 %. In die mündliche Note gehen die Hausaufgaben ganz massiv ein. Dazu Referate, Präsentationen, die Heftführung. Schließlich kommt nicht in jeder Stunde jeder zu Wort.
Mag sein, dass das an manchen Schulen anders gehandhabt wird, an vielen ist es jedenfalls so.
Und wenn es nicht benotet wird, dann geht es stark in den Eindruck ein, den der Lehrer vom Kind hat.
Grüße Enja
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In Bayern ist die Benotung von Hausaufgaben ausdrücklich verboten!
"Lehrer" kann sich insofern da "raushangeln", indem er die Hausaufgaben mündlich vortragen lässt, ist aber rechtlich mehr als sehr umstritten.
Ist es kein Problem, wenn dein Kind auf Grund der von Eltern geschriebenen Aufsätze voll Vertrauen in die Klausur geht, die Klausur aber total verhaut, weil da kein Elternteil neben ihm steht und ihm sagt, was er schreiben soll (nebenher: Ist im Abi ja auch nicht so!)Ich denke, das ist auch unglaublich demotivierend für das Kind! Bei anderen Hausaufgaben fällt das vielleicht auch nicht so auf- aber bei zwei geschriebenen Übungsaufsätzen vor der Klausur, die einen vollkommen anderen Stil aufweisen- das fällt auf!
ZitatSchließlich kommt nicht in jeder Stunde jeder zu Wort.
In Bayern wird jeder Referendar dazu angehalten, genau das aber anzustreben- und ich schaffe es bei meinen quirligen Fünften sogar relativ oft.
Lg, Hermine -
34 Schüler, die in einer 45-min-Stunde alle zu Wort kommen? Das sind dann aber ziemlich kurze Antworten. Es sei denn, der Lehrer sagt gar nichts. Eine Referendarin schlug das bei uns mal vor und wurde daraufhin von den Lehrern in Grund und Boden verdammt.
Den Kindern ist normalerweise klar, dass sie das selber nicht so hinbekommen. Immerhin hat man dann die guten Noten für die Hausaufgabe. Das ist doch ein komfortables Polster, wenn die schriftlichen Arbeiten nicht so klappen. Man kann sich auch für ein Referat melden und sich von den Eltern etwas Tolles herstellen lassen.
Natürlich macht das keinen Sinn. Die Kinder lernen es dann nicht, selbstständig zu arbeiten. Und das ist ja eigentlich das Ziel. Aber wenn es eng würde, wüsste ich auch nicht, ob ich es schaffen würde, mich da rauszuhalten.
Grüße Enja
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Liebe Enja,
meine Posts beziehen sich logischerweise auf meine Situation und mein Bundesland.
Von 34 Kindern in einer Klasse war nie die Rede. Und ja, ab und zu können die Antworten der Kinder auch ruhig kurz sein- z.B. wenn es um Wortarten oder Satzgliederbestimmung geht- daraus kann ich mir dennoch ein Bild des Kindes (bei sieben Stunden in der Woche) machen.
Vielleicht hast du mich auch nur falsch verstanden, ich finde elterliche Hilfe generell nicht verwerflich, nur hier habe ich wenig Verständnis für Hilfe, die eindeutig "nach hinten losgegangen ist."
Im Übrigen ist meine Anfrage durch Wolkensteins Post hinreichend beantwortet worden.
Liebe Grüße,
Hermine -
Hallo Hermine,
wieviel Kinder sind denn dann in Bayern in einer Klasse? Von 34 war nie die Rede. Das ist bei uns Normalität. Bayern interessiert mich immer.
Grüße Enja
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