Schüler mit riesigen fachlichen Problemen bemühen sich sehr - wie bewerten?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,


    sorry dafür, dass das Thema in der Überschrift etwas seltsam formuliert ist, aber durch die Zeichenbegrenzung in der Überschrift musste ich den Text stark verkürzen.


    Ich stelle mir schon lännger folgende Frage:
    Wie bewerte ich die Leistung von Schülern, die sich zwar sehr bemühen, aber inhaltlich (bzw. in meinem Fach sprachlich) fast gar nichts können?


    Konkret: Ich habe in einer meiner Englischklassen (10. Klasse) einige Schüler, die - ganz krass gesagt - kaum Englisch können. Ihr Sprachniveau liegt irgendwo im Bereich der 7. Klasse.
    Nun geht es in der 10 natürlich um Noten: um die Quali für die SekII oder auch mit viel Glück um eine Lehrstelle.
    Also strengen diese Schüler sich im Unterricht sehr an und melden sich immer bei ganz einfachen geschlossenen Fragen oder antworten mir auf meine englische Fragen auf Deutsch oder in absoluten Kurzsätzen, die grammatikalisch oft abenteuerlich sind (ungefähr so: "I think he have Recht" oder
    "I like this Sänger."). Auch in den Klassenarbeiten ist die Sprache grauslig und auch Textverständnis ist eine Katastrophe ("Was heißt nochmal 'he was'?" Oder auf die Frage "Where is he?" kommt als Antwort "He is a man.").


    Tja, was mache ich denn jetzt mit der Mitarbeit? Was bekommt man denn für kontinuierliches Bemühen?
    Allerdings muss ich sagen, dass ich mit diesen Schülern abgesprochen hatte, dass sie in den Ferien alte Vokabeln nachlernen und Grammatik wiederholen, um ein bisschen Anschluss an die Klasse zu bekommen, was sie nicht gemacht haben. Eines der Hauptprobleme ist wohl, dass sie in den vergangenen Jahren kaum Vokabeln gelernt haben und sich durch Grammatik-Einsetz-Klassenarbeiten (Übungen nach Schema können sie besser) gerade noch vor dem Sitzenbleiben retten konnten.


    Was ist denn das Kriterium für eine 4? Muss dafür die sprachliche Leistung ausreichend sein?


    Ich finde diese Situation sehr schwierig, da sich die Schüler richtig viel Mühe geben und inzwischen viel motivierter im Englischunterricht sitzen. Ich habe die Klasse vor einem halben Jahr übernommen. Damals sagte eine der Schülerinnen, sie könne kein Englisch und traute sich kaum einen Satz zu formulieren und heute hielt sie ganz alleine ein (für alle verpflichtendes) Kurzreferat über ihre Lieblingsmusikgruppe, das sprachlich zwar schwach, aber von der Vortragsweise her verständlich und wirklich souverän vorgetragen wurde. Bis auf die sprachliche Korrektheit war es viel besser als das der anderen Gruppen, die auch alle mindestens zu zweit oder dritt waren.


    Was macht ihr mit solchen Schülern?
    ?(

  • Dieses Problem kenne ich nur zu gut... generell verfahre ich so (und hab das auch so im Seminar gelernt), dass es auf freiwillige mündliche Beiträge, aus denen deutlich wird, dass sich der Schüler Mühe gegeben hat, kein schlechten Noten gibt. Dann bleibt nich die Hoffnung, dass es zwischendrin auch mal was brauchbares gibt, das man bewerten kann. Ansonsten können sich solche Schüler auch bei Vokabelabfragen mal ne gute Note verdienen.
    Bei Referaten zählt natürlich der Inhalt, die Darbietung und auch die Vorbereitung mit zur Note. Dadurch können manche sehr schwache Schüler immer mal wieder schlechte sprachliche Leistungen im Vortrag ausgleichen. Natürlich nicht völlig, immerhin ist es ja noch Fremdsprachen-UR, aber so, dass es zumindest keine 4 mehr wird.


    Allerdings muss ich auch sagen, dass die S-Aussagen, die du zitierst, für mich nicht danach klingen, als würden sich diese Schüler wirklich bemühen. Ich bestehe da schon auf englischen Antworten, auch wenn sie fehlerhaft sind. Auch diese Mischantworten Englisch/Deutsch finde ich nicht akzeptabel. Die SS sollen dann wenigstens das unbekannte Wort umschreiben oder - wenn's gar nicht anders geht - mal nachfragen, was es denn auf Englisch heißt und dann in einem kohärenten Satz antworten...

    • Offizieller Beitrag

    Vielen Dank für eure ausführlichen und doch recht konträren Antworten! :)


    Genau zwischen diesen beiden Positionen schwanke ich auch. Im Referendariat habe ich immer wieder gelernt, dass man Mühe und Sich-Anstrengen unbedingt honorieren müsse. Meine Fachleiter (beide von der Hauptschule) haben uns immer wieder eingeschärft, dass "unsere Schüler das nicht können", sie v.a. motiviert werden müssen und man z.B. nicht bei jedem voraussetzen könne, dass zu Hause die Möglichkeit besteht, Hausaufgaben zu machen und man möglichst wenig kognitiv arbeiten solle etc.
    Im Prinzip ist es in der Realschule, insbesondere in der 10, doch etwas anders, da man die Schüler ja auch u.a. auf einen Übertritt aufs Gymnasium vorbereiten muss.


    Und Heikes Argumente finde ich auch sehr zutreffend.


    Zitat

    Ich habe in meinen 11en auch immer wieder Schüler - meist aus Realschulen - sitzen, denen Lehrer aus eben jenen Beweggründen noch eine 4 gegeben haben, obowohl ihr Englisch dem einer 7. oder 8. Klasse enstpricht


    Genau das hatte ich mir auch überlegt.


    Eure Posts haben mich nachdenklich gemacht. V.a. die hier:


    Zitat

    Allerdings muss ich auch sagen, dass die S-Aussagen, die du zitierst, für mich nicht danach klingen, als würden sich diese Schüler wirklich bemühen. Ich bestehe da schon auf englischen Antworten, auch wenn sie fehlerhaft sind. Auch diese Mischantworten Englisch/Deutsch finde ich nicht akzeptabel. Die SS sollen dann wenigstens das unbekannte Wort umschreiben oder - wenn's gar nicht anders geht - mal nachfragen, was es denn auf Englisch heißt und dann in einem kohärenten Satz antworten...


    Zitat

    Und "He have Recht" ist eben noch nicht mal 7. Klasse,


    Ganze englische Sätze mündlich zu bilden, fällt bei uns fast allen Schülern schwer. Ich habe gerade eine 7 in Englisch übernommen und dort sitzen einige Schüler, die Antworten à la "he have Recht" geben. Das sind auch nicht die ganz schwachen Schüler, auch viele unserer Viererschüler reden so.


    Die Beispiele, die ich gegeben habe, waren Beispiele eines meiner zwei schwächsten Schüler aus meiner 10. Bei diesem Schüler geht es wahrscheinlich nicht um die Quali, sondern eher um die Versetzung bzw. um einen Ausbildungsplatz als Friseur.
    Diese Schüler haben für sich festgestellt, dass sie beruflich kaum Englisch brauchen werden.


    Die anderen Schüler in der Klasse benötigen ihre Quali für das Berufskolleg. Weiß jemand, ob dort Englisch unterrichtet wird und wie fit die Schüler dafür sein müssen?


    Auf das "richtige" Gymnasium geht wahrscheinlich keiner meiner Schüler.


    Zitat

    Ich würde auch meinen Unterricht drauf abstellen - auch wenn's unschön ist, eher mehr Vokabeln und Grammatik pauken, pauken, pauken. Sie könnten evtl Zusatzarbeit zu den Hausaufgaben bekommen (den Grundwortschatz mindestens, da gibt es welche bei Klett etc) und sich (evtl gemeinsam) eine Zeitung wie "Spot on" abonnieren und lesen.


    Selbständig lernen können diese Schüler vermutlich nicht. Ein Problem ist auch, dass gerade die schwächeren Schüler aus problematischeren Elternhäusern kommen. Und das ist ja tatsächlich einer der entscheidenden Faktoren für den Schulerfolg - und das obwohl wir eine Schule mit vielfältigen Fördermöglichkeiten sind; aber ich kann die Schüler ja nicht zu ihrem Glück zwingen. Ich habe in der Klasse auch zwei schwache Schüler mit interessierten Eltern, bei denen klappt zusätzliche Arbeit zu Hause ohne Weiteres. Aber was mache ich mit all den anderen? ?(


    Die Idee mit dem Grundwortschatz ist gut. Ich werde jetzt im Förderunterricht das Vokabellernen mit Karteikarten einführen und den Schülern aufgeben, bis zum nächsten Förderunterricht (sie haben dazu inklusive der Herbstferien 4 Wochen Zeit), die erste Lektion aus dem Neunerbuch zu wiederholen.
    Aber ob sie das wirklich tun? ?(


    Dummerweise habe ich in dieser Klasse ca. 10 sehr schwache bis sehr sehr schwache Schüler.



    Zitat

    Meine Empfehlung wäre, mit den Schülern Klartext zu reden, sprich ihnen zu erklären, dass ihr Englisch an sich keine 4 mehr "wert" ist, du aber ihre Bemühungen schätzt und auch einbeziehen willst, allerdings ohne ein falsches Bild zu vermitteln.


    Das werde ich mal tun. Allerdings habe ich das auch schon vor den Ferien getan. Sie machen jetzt im Unterricht mehr mit, machen zu Hause aber keine zusätzlichen Sachen und machen den Förderunterricht oft blau.

    Vielleicht telefoniere ich mal mit den Eltern. Sie kamen z.T. nicht zum Elternsprechtag oder waren selbst völlig hilflos, aber von Kollegen weiß ich, dass einige Eltern meinten: "Die Schule ist dafür zuständig, meinem Kind was beizubringen. Wenn meine Tochter schlecht in der Schule ist, sind die Lehrer Schuld."



    Zitat

    Im Halbjahr würde ich eher strengere Noten geben um klarzustellen, dass jetzt dringend was passieren muss


    Eigentlich hatten sie diese Chance ja schon im vergangenen Schuljahr. Da in der Klasse so viele schwache Schüler sind, habe ich vor den Sommerferien oft Grammatik wiederholt und einfache Übungen gemacht. In den Ferien hätten sie eigentlich die Gelegenheit gehabt, Vokabeln und Grammatik nachzulernen, was sie nicht getan haben.
    Jetzt mache ich überwiegend Unterricht auf dem Niveau unseres Buches, also dem Niveau einer 10. Klasse. Allerdings baue ich im Unterricht immer wieder Phasen ein, in denen ich Deutsch rede (Beispiel: Thema Hurricane Katrina) und Hintergründe auf Deutsch erkläre, damit die schwachen Schüler nicht ganz abschalten.



    Zitat

    eher mehr Vokabeln und Grammatik pauken, pauken, pauken. Sie könnten evtl Zusatzarbeit zu den Hausaufgaben bekommen (den Grundwortschatz mindestens, da gibt es welche bei Klett etc) und sich (evtl gemeinsam) eine Zeitung wie "Spot on" abonnieren und lesen.


    Ich dachte wirklich immer, so etwas könnte ich kaum verlangen, da ich es ja im Ref - wie oben beschrieben - immer wieder anders gehört hatte. Aber ihr habt wohl Recht.
    :)


    Am Wichtigsten für mich war an euren Beiträgen, dass ich gesehen habe, dass ich doch gewissen Sachen verlangen kann bzw. sogar verlangen muss. :)
    Ich habe diese Aussagen aus dem Ref (die Schüler bloss nicht überfordern etc.) leider noch viel zu sehr im Hinterkopf.
    Diese Ansätze sind für die Kleinen ja ganz gut, aber in der 10 kann man doch schon etwas eigenständige Arbeit zu Hause verlangen.

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